Hamburg. Eine Angestellte im Elbe-Einkaufszentrum fühlt sich von ihrem Chef sexuell belästigt. Jetzt steht der vor Gericht. Wie der Prozess ausgeht.
Dieser Moment, als sie ihren Vorgesetzten direkt hinter sich spürte. Als er seine Körpermitte an sie gedrückt habe und sie vor Schreck erstarrte. So wie Dora R. (alle Namen geändert) ihre Zeit als Angestellte in einem Geschäft im Elbe-Einkaufszentrum darstellt, sei es mehrfach zu sexuellen Belästigungen durch ihren Chef gekommen. „Ich bin dann wie eingefroren. Aber am liebsten würde ich innerlich schreien“, erzählt die 25-Jährige. Schließlich habe sie seine Zudringlichkeiten und seine vulgären Andeutungen nicht mehr ausgehalten – und gekündigt.
Bei den Vorwürfen, die dem Hamburger Christian L. im Prozess vor dem Amtsgericht gemacht werden, handelt es sich um zwei Fälle der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz. Laut Anklage drückte der 36-Jährige, während die Mitarbeiterin Dora R. am Verkaufstresen stand, sein Becken an das Gesäß der jungen Frau und rieb sich dort. Dabei habe sie das Gleichgewicht verloren und sei nach vorn gekippt.
Prozess in Hamburg: Filialleiter soll Mitarbeiterin sexuell belästigt haben
Wenige Wochen nach diesem Vorfall, zu dem es im Januar dieses Jahres gekommen sein soll, soll Christian L. die Mitarbeiterin erneut sexuell belästigt haben. Den Ermittlungen zufolge sagte er der Angestellten, während diese gerade eine Bockwurst aß, ihr Mund habe die perfekte Größe für eine Wurst. Seine Mimik soll gleichzeitig klargemacht haben, dass er eigentlich Oralverkehr meinte. Anschließend soll er die Brust der Zeugin berührt haben. Der Angeklagte schweigt zu den Vorwürfen.
Vor wenigen Jahren noch war das, was dem 36-Jährigen vorgeworfen wird, nicht strafbar. Der Tatbestand der sexuellen Belästigung wurde erst 2016 ins Strafgesetzbuch aufgenommen. Bei einer Verurteilung drohen eine Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren. In besonders schweren Fällen können sogar bis zu fünf Jahre Haft verhängt werden.
Während Dora R. nun vor Gericht davon erzählt, was ihr am Arbeitsplatz widerfahren sei, vermeidet die junge Frau den Blick auf ihren ehemaligen Chef. „Anfangs war das Verhältnis wunderbar“, beschreibt sie die Atmosphäre am Arbeitsplatz und den Umgang zwischen ihrem damaligen Vorgesetzten und sich selbst. „Dann kamen so Sprüche, die kamen merkwürdig rüber.“
So habe Christian L. etwa gesagt, dass die Bockwurst, die sie einmal mittags im Geschäft aß, vollständig in ihren Mund passen würde. Seine Gestik und Mimik habe sie in dem Zusammenhang als vulgär und eindeutig empfunden. Er habe einen Blowjob angedeutet. Zudem habe der 36-Jährige, als sie eines Tages Leggings zur Arbeit trug, gesagt, sie habe einen „Oma-Schlüppi“ an. Ein anderes Mal habe er sie im Vorbeigehen an die Brust gefasst sowie sich bei einer weiteren Gelegenheit gegen sie gedrängt.
Prozess um sexuelle Belästigung: Zeugin erzählt, sie sei in solchen Situationen „wie eingefroren“
In solchen Situationen sei sie in einer „Schockphase“ gewesen, schildert Dora R. „Ich bin dann wie eingefroren.“ Auch später habe sie ihr Unbehagen gegenüber ihrem Chef nicht kenntlich gemacht. Erst als eine Auszubildende ihr anvertraut habe, dass auch sie von Christian L. sexuell belästigt worden sei, habe sie sich an die Polizei gewandt, erzählt die Zeugin. So habe sie verhindern wollen, dass es zu weiteren Vorfällen kommt.
Zudem habe sie ihre Kündigung eingereicht und arbeite jetzt wieder in der Pflege. Zu diesem Schritt habe sie sich entschlossen, obwohl sie mit dem Gehalt als Mitarbeiterin in dem Einkaufszentrum sehr zufrieden gewesen sei.
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Im Vergleich zu den Aussagen, die von Dora R. bei der Polizei aufgenommen wurden, stellt die Zeugin vor Gericht die Geschehnisse als etwas milder dar. Dies führt dazu, dass die Staatsanwaltschaft jetzt eine Bereitschaft erkennen lässt, das Verfahren gegen Christian L. einzustellen – vorausgesetzt, er zahlt eine Geldauflage. Verteidigung und Gericht stimmen ebenfalls zu. Damit ist das Verfahren für Christian L. „vom Tisch“. 600 Euro muss der 36-Jährige nun an eine gemeinnützige Vereinigung zahlen.
In einem anderen Verfahren ist vor zwei Wochen ein Ausbilder der Hamburger Staatsanwaltschaft wegen sexueller Belästigung zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu 60 Euro, also insgesamt 8400 Euro verurteilt worden. Der 57-Jährige hatte in der Behörde drei Frauen unter anderem auf Höhe des BHs über den Rücken gestrichen oder sie „Süße“ genannt. Eine Zeugin hatte über das Verhalten des Mannes gesagt: „Das war so ekelhaft.“