Hamburg. Sexuelle Belästigung bei Hamburger Behörde: Was die Betroffenen erlebten, wie das Urteil des Amtsgerichts am Ende lautet.
- Ausbilder der Hamburger Staatsanwaltschaft wegen sexueller Belästigung vor Gericht
- Frauen schildern unangenehmes Verhalten auf der Arbeit
- Angeklagter spricht von väterliche Art, mit der er sich an die Frauen gewandt hatte
Sie nannte es ihre „Notfalljacke“. Und dieses Kleidungsstück kam bei der Arbeit immer wieder zum Einsatz. Schlicht im Schnitt, die Figur eher verbergend als betonend. Maja P. (Name geändert), Auszubildende bei der Staatsanwaltschaft Hamburg, hatte das Bedürfnis, ihren Körper zu verhüllen. Denn da war ein Typ, der immer wieder an sie ranrückte, der ihr über den Rücken streichelte, der ihr nach ihrem Empfinden viel zu nahe kam. War das tatsächlich sexuelle Belästigung?
Um diese Frage ging es jetzt in einem Prozess vor dem Amtsgericht Hamburg, in dem sich Justizhauptsekretär Martin K. (Name geändert) verantworten musste. Laut Anklage hat der 57-Jährige im vergangenen Jahr bei der Staatsanwaltschaft in seiner Funktion als Ausbilder mehrere Frauen wiederholt in sexueller Absicht berührt. Dabei habe er gegen beziehungsweise ohne den Willen der Frauen gehandelt, heißt es in der Anklage. Darüber hinaus soll der Mann die Auszubildenden wiederholt mit Kosenamen angesprochen und ihr Äußeres kommentiert haben, so die Vorwürfe weiter. Insgesamt soll er in 19 Fällen eine sexuelle Belästigung begangen haben.
Ausbilder der Staatsanwaltschaft Hamburg bedrängt Frauen sexuell: „Auf meinen Schoß setzen“
„Du kannst dir einen Stuhl nehmen. Du kannst dich aber auch auf meinen Schoß setzen.“ Dies ist laut Schilderung einer Zeugin eine der Bemerkungen von Martin K., die ihr übel aufgestoßen ist und dafür sorgte, dass sie sich sexuell belästigt fühlte. Sie sowie zwei weitere frühere Auszubildene erzählten, dass der 57-Jährige sie mit „Süße“ tituliert und beispielsweise am Oberschenkel berührt und im BH-Bereich am Rücken gestreichelt habe. Sie habe trotz der Enge am Arbeitsplatz versucht, von ihm abzurücken und sich fest an die Rückenlehne ihres Stuhls gelehnt, damit seine Hand nicht mehr an ihren Rücken fassen könne.
Auch versuchte sie, etwa mithilfe von Arbeitsmaterialien auf dem Schreibtisch, eine physische Barriere zwischen sich und Martin K. zu errichten. Eine Frau soll er zu küssen versucht haben. Und eine frühere Auszubildende berichtete, sie sei wiederholt von dem Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft an der U-Bahn abgepasst und begleitet worden. Dabei habe er mehrfach in einer Weise, die sie als anzüglich empfand, ihr Aussehen kommentiert. Eine weitere Zeugin schilderte eine Begegnung mit Martin K. in einem Supermarkt, wo er ihr oberhalb der Kleidung an den Po gefasst habe.
Ausbilder soll junge Frau zu küssen versucht und an den Po gefasst haben
Es dauerte eine ganze Zeit, bis die jungen Frauen sich an Vorgesetzte wandten. Sie hätten Sorge gehabt, dass es sich negativ auf ihre weitere Beschäftigung im Geschäftsstellenbereich bei der Staatsanwaltschaft auswirken könne, wenn sie sich über Martin K. beschwerten, gaben sie an. Denn schließlich sei unter anderem seine Beurteilung ihrer Leistungen bei der Frage relevant gewesen, ob sie im Job übernommen würden. In einem Punkt waren sich alle Zeuginnen einig: An der fachlichen Qualifikation von Martin K. sei nichts auszusetzen.
Martin K. hatte als Angeklagter gesagt, dass seine Handlungen oder Bemerkungen nie als sexuelle Anmache gemeint gewesen seien. Jeder habe ein anderes Empfinden von Nähe, gab er an. Was die Frauen als sexuelle Belästigung verstanden hätten, sei lediglich eine freundlich gemeinte Geste ohne anzüglichen Hintergrund gewesen. Vielmehr habe er sich auf fürsorgliche, väterliche Art an die Frauen gewandt. Zwar habe er schon mal „Süße“ zu einer Auszubildenden gesagt, auch Berührungen des Rückens habe es gegeben. Diese seien allerdings nicht sexuell motiviert gewesen. Und: Nie habe er eine der Auszubildenden ans Gesäß gefasst oder zu küssen versucht.
Zeugin vor dem Amtsgericht: Bin „erschrocken und beschämt“ gewesen
Die laut Anklage betroffenen Frauen hatten unterdessen vor Gericht bekundet, wie unwohl sie sich gefühlt hätten, wenn Martin K. sie angefasst habe. Eine schilderte, sie sei „erschrocken und beschämt“ gewesen. Eine andere hatte dargelegt, sie habe zunächst geschwiegen, weil sie auf den Job angewiesen gewesen sei. Und offenbar hat es sich keine von ihnen leichtgemacht, die Begebenheiten Vorgesetzten und später sogar bei der Polizei zu erzählen. Zwei der drei Betroffenen hatten sogar ausdrücklich auf einen Strafantrag verzichtet. Sie wollten nur, dass die Annäherungen von Martin K. aufhören, hatten sie deutlich gemacht.
In seinem letzten Wort betont der Angeklagte erneut, dass es bei etwaigen Berührungen „nie eine sexuelle Absicht“ gegeben habe. Dass ihm sein Verhalten als sexuelle Anmache ausgelegt werde, „erschüttert mich. Es tut mir leid“, wenn sich eine der Frauen als Geschädigte gefühlt habe. „Wenn mir jemand was gesagt hätte, hätte ich mein Verhalten geändert.“
Angeklagter: „Ich hatte nie eine sexuelle Absicht“
Am Ende verurteilt die Amtsrichterin den Angeklagten wegen sexueller Belästigung zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 60 Euro, also insgesamt 8400 Euro, und folgt damit im Wesentlichen dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte Freispruch beantragt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der Angeklagte sei schuldig, als Ausbilder bei der Staatsanwaltschaft in 15 Fällen junge Frauen sexuell motiviert berührt zu haben, macht die Richterin deutlich. Dabei gehe sie davon aus, dass es Martin K. zumindest zunächst „egal war, dass die Frauen das nicht wollten“. Dabei hätten die Frauen ihr Unbehagen etwa durch Wegdrehen deutlich gemacht. Allerdings hätten die Betroffenen „Angst gehabt, sich zu offenbaren aus Sorge um ihre berufliche Zukunft“.
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Der Rücken im Bereich des BHs und der Oberschenkel seien „keine neutrale Zone“, stellt die Richterin klar. Die Gesetze in Bezug auf die Frage, wo sexuelle Belästigung anfängt, hätten sich in den vergangenen Jahren geändert. „Ich habe aber den Eindruck, Ihre Einstellung passt nicht dazu“, sagt die Vorsitzende an die Adresse des Angeklagten. Vermutlich habe er aber „irgendwo tief drinnen gewusst: Das war nicht in Ordnung.“ Und so eine Aufforderung, die Auszubildende könne sich auch auf seinen Schoß setzen: „Das geht gar nicht!“