Hamburg. Passanten retten Opfer durch beherztes Eingreifen. Nun steht ein 55-Jähriger vor Gericht. Videoaufnahmen und Experte spielen wichtige Rolle.

Es muss ein extremer Schock für die Frau gewesen sein, als sie plötzlich am späten Abend des 28. Oktober 2023 vom Bahnsteig in das Gleisbett der Hamburger S-Bahn-Station Reeperbahn gestoßen wurde. Am Freitag nun, fast auf den Tag genau ein Jahr später, beginnt der Prozess gegen den 55-jährigen Angeklagten, der wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Amtsgericht Hamburg steht. Dabei spielen Videoaufnahmen und ein Sachverständiger eine wichtige Rolle.

Was war an dem Abend vor einem Jahr passiert? Es handele sich um einen „hinterlistigen Überfall“, so heißt es in der Anklageschrift. Der Angeklagte Ben T. (Name geändert) soll die Frau an jenem Sonnabendabend gegen 22.25 Uhr ohne jeglichen Anlass in das Gleisbett am S-Bahnhof der Reeperbahn gestoßen haben. Schlimmeres konnte nur verhütet werden, weil laut Anklage Passanten sie aus dem Gleis zurück auf den Bahnsteig zogen, bevor die nächste S-Bahn in den Bahnhof einfuhr.

Prozess Hamburg: ins Gleis der S-Bahn geschubst – Opfer leidet unter starker psychischer Belastung

Bei dem Sturz in ein Meter Tiefe erlitt die Frau mehrere Verletzungen, darunter ein Hämatom am Gesäß, mehrere Prellungen und eine Verletzung am Ellenbogen. Zudem plagten sie seitdem starke psychische Beeinträchtigungen und Ängste. Bis Ende des Jahres 2023 war sie als arbeitsunfähig gemeldet.

Ben T. wurde dieses Jahr vorläufig festgenommen und sitzt, nachdem im August ein Haftbefehl gegen ihn erlassen wurde, in einer Haftanstalt ein. Zwei Justizbeamte begleiten ihn durch eine gesonderte Tür nach draußen, während sich die Richterin mit den anderen Anwesenden unter Ausschluss der Öffentlichkeit berät. Es fällt der Beschluss: Heute wird es zu keinem Urteil kommen.

Sachverständiger ist Oberarzt für Verhaltens- und Persönlichkeitsstörungen

Der Grund: Unter anderem liegen dem Sachverständigen, der für den Fall hinzugezogen wurde, die Informationen sowie die Krankenunterlagen von Ben T. noch nicht lange genug und nicht vollständig vor. Der Sachverständige, der als leitender Oberarzt der Hamburger Asklepios Klinik Nord- und Ochsenzoll für Verhaltens- und Persönlichkeitsstörungen zuständig ist, nun soll er eine Einschätzung des Angeklagten abgeben. Sollte bei dem Angeklagten eine psychische Einschränkung vorliegen, wird der Fall weitergegeben.

Neben Zeugen, die in den kommenden Verhandlungstagen gegebenenfalls vorgeführt werden, sind Videoaufnahmen wichtiger Bestandteil des Prozesses. Eine der Aufnahmen, die die Kameras am S-Bahnhof eingefangen haben, wird an diesem Freitag im Verhandlungssaal gezeigt. Alle Beteiligten stehen um den kleinen Bildschirm herum. Ben T. fragt, ob er weiter vortreten darf.

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Die Richterin nickt, der 55-Jährige tritt einen Schritt weiter nach vorne. Still betrachten alle die tonlose Aufnahme, die das Geschehen von jenem Sonnabendabend vor einem Jahr aufzeigt. Mehr wird an diesem Freitag im Verhandlungssaal nicht geschehen, der Angeklagte macht keine Aussagen. Der Prozess wird fortgesetzt.