Hamburg. Über Jahre hatte sich das Verhältnis verschlechtert. Nach dem Angriff griff der Hausbesitzer zu weiterer Waffe. Wie das Gericht urteilt.
- Geplante Aussprache läuft aus dem Ruder.
- Rechtsmediziner spricht aufgrund der Gewalt von „Übertöten“.
- Vermieter räumte die Tat gegenüber der Polizei ein.
Jahrelang schwelt der Streit nun schon: Ein Vermieter und einer seiner Mieter kommen überhaupt nicht gut miteinander aus. Heftige Diskussionen sind die Folge, dann werden Anwaltsbriefe geschrieben – und schließlich eskaliert die Situation dramatisch. Am Ende liegt der Mieter im Hausflur vor seiner Wohnung, getötet durch den Vermieter. Der 64-Jährige hat immer wieder mit dem Hammer zugeschlagen und zuletzt auch noch ein Messer eingesetzt.
„Das Bild, das sich später bei der Obduktion des Opfers bot, kann man als sogenanntes Übertöten bezeichnen“, sagt Rechtsmediziner Klaus Püschel in „Dem Tod auf der Spur“, dem Crime-Podcast des Hamburger Abendblatts mit Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher. „Übertöten‘ bedeutet, dass deutlich mehr Gewalt angewendet wurde als ,nötig‘, um jemanden umzubringen. Dabei geht es gewissermaßen um die ,Auslöschung‘ eines Menschen.“ Schließlich kam es zu einem Prozess, die Anklage lautete auf Mord.
Hamburg: Vermieter schlägt mit Hammer zu – Woher kommen diese Wut und dieser Hass?
„Woher kommen diese Wut und dieser Hass“, überlegt Mittelacher in Bezug auf das Verbrechen, das am 12. Februar 2014 in Hamburg-Eppendorf von einem 64-Jährigen verübt wurde. Damals verlor Hausbesitzer Franz P. (Name geändert) im Treppenhaus seiner Villa vollkommen die Kontrolle.
„An jenem Morgen streckte der 64-Jährige im Wahn seinen sieben Jahre älteren Mieter mit einem Faustschlag nieder, dann zerschmetterte er mit einem Zimmermannshammer das Gesicht des Opfers“, erzählt der langjährige frühere Vorsitzende Richter Joachim Bülter, vor dessen Kammer seinerzeit der Fall verhandelt wurde. „Anschließend stach der Täter noch mit einem Küchenmesser auf den Sterbenden ein. Kurze Zeit später sagte er seiner Lebensgefährtin, dass ,etwas Schlimmes‘ passiert sei. Polizeibeamten erklärte Franz P . allerdings nach der Tat: ,Ich konnte nicht mehr.‘ Er sei nun glücklich und fühle sich gleichermaßen ,befreit‘.“
Täter sagt, er sei nun glücklich und fühle sich „befreit“
Dabei ist Franz P. eigentlich nicht jemand, dem man ein Gewaltdelikt zutraut. Mehr als sechs Jahrzehnte ist der gelernte Tischler und Besitzer eines Hamburger Mehrparteienhaus unbestraft durchs Leben gegangen. Mit den meisten seiner Mieter kam er gut aus. Aber mit Jan V. (Name geändert) überhaupt nicht. Und als dieser in einen finanziellen Engpass geriet und wegen angeblicher Mängel im Haus eine Mieterhöhung nicht akzeptieren wollte, spitzte sich der Streit zu.
Fortan beäugten sich Vermieter und Mieter misstrauisch. Anstatt den Konflikt möglichst niedrigschwellig zu klären, wurden Briefe hin und her geschrieben und Anwälte eingeschaltet. Franz P. wurde zudem immer misstrauischer in Bezug auf seinen Mieter. Er glaubte irgendwann, Jan V. wolle ihm „wohl den Krieg erklären“. Er machte ihn dafür verantwortlich, dass angeblich Post verschwunden sei. Und schließlich nahm Franz P. sogar an, Jan V. sei Kopf einer Bande, die ihn ausrauben wolle. Außerdem werde sein Telefon überwacht, und Jan V. stecke dahinter.
Die verfeindeten Männer waren ständig auf der Hut voreinander
„Soweit wir das später im Prozess aufklären konnten, gab es keinen Anlass zu glauben, dass von dem Mieter Jan V. eine ernsthafte Gefahr für Vermieter Franz P. ausging“, erzählt Richter Bülter. „Der Hausbesitzer hat sich da wahnhaft in etwas hineingesteigert. Schon im Oktober 2012 hatte das schwere Folgen: Da streckte Franz P. seinen Mieter im Hausflur mit einem Faustschlag nieder.“
Wegen dieser Tat wurde Franz P. im September 2013 zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten mit Bewährung verurteilt. Rund fünf Monate später erfolgte der Angriff, der dann tödlich für Mieter Jan V. endete. Dabei hatten sich die beiden verfeindeten Männer eigentlich gegen einen handfesten Konflikt vorbereitet. Vermieter Franz P. hatte in einem Abstellraum einen Hammer und weiteres Werkzeug liegen. Da wäre er im Zweifelsfall relativ schnell herangekommen.
Es sollte eine Aussprache geben – dann eskalierte die Situation
Und Mieter Jan V. verließ aus Angst vor seinem Vermieter seine Wohnung nicht mehr, ohne Pfefferspray dabeizuhaben. Außerdem trug er immer sein Handy mit sich, bei dem der Notruf der Polizei schon eingestellt war. Aber diese Vorsichtsmaßnahme hat dem 71-Jährigen letztlich nichts genützt.
Am Morgen des 12. Februar 2014 hatte Franz P. überlegt, wie er mit Jan V. in ein persönliches Gespräch kommen könnte. Sein Ziel war zu erreichen, dass Jan V. aus dem Haus auszieht. Also passte er den Mieter im Hausflur ab. Es kam zu einem kurzen Wortwechsel, dann schob der Mieter den Vermieter, der ihm den Weg versperrt hatte, zur Seite. Franz P. fiel gegen die Wohnungstür und zog sich eine leichte Schürfwunde zu. Nun entlud sich seine über längere Zeit aufgestaute Wut gegen den Mieter. Franz P. versetzte Jan V. einen heftigen Faustschlag gegen dessen Auge. Der Mieter war auf diesen Angriff vollkommen unvorbereitet und ging zu Boden, blieb dort benommen und wehrlos liegen.
Mindestens 13-mal schlug der Vermieter mit dem Hammer zu
Jetzt entschloss Vermieter Franz P. sich, den 71-Jährigen zu töten. Er holte aus der Abstellkammer einen massiven Hammer und schlug damit dem Mieter auf den Kopf. Dabei rief der Angreifer: „Jetzt ist Schluss. Ich habe keine Lust mehr.“ „Dies bezog sich vermutlich darauf, dass er die mittlerweile jahrelangen Streitereien um die Miete satthatte“, erläutert Mittelacher. „Und ebenfalls darauf, dass der Vermieter in seinem Wahn glaubte, Jan V. mache ihm absichtlich das Leben schwer.“
„Franz P. war gleichsam rasend vor Wut“, berichtet Bülter. „Und jetzt, nach dem ersten Hammerschlag, schlug er weiter zu. Der auf dem Boden liegende Mann leistete weiterhin keinerlei Gegenwehr. Mindestens zwölf weitere Male schlug Franz P. auf den Kopf des anderen ein. Schließlich holte der Täter ein Brotmesser und stach damit mehrfach auf den 71-Jährigen ein.“
Gegenüber der Polizei räumte der Vermieter die Tat sofort ein
„Bei der Obduktion fanden sich am Schädel des Opfers die Spuren einer mindestens 13-fachen stumpfen Gewalteinwirkung“, erläutert Rechtsmediziner Püschel das Ergebnis der Obduktion. Die Hammerschläge hätten zu vier knöchernen Verletzungskomplexen am Hirnschädel sowie zwei Verletzungskomplexen am Gesichtsschädel geführt. Und bei den Messerstichen ging Franz P. teilweise mit so großer Wucht vor, dass das Brustbein des Opfers durchstochen wurde.
Wenige Minuten nach dem Geschehen war die Polizei vor Ort. Sie war von zwei Nachbarinnen alarmiert worden, die zumindest gehört hatten, dass im Hausflur offenbar ein Kampf stattfand. Gegenüber Polizeibeamten vor Ort räumte Franz P. die Tat unmittelbar ein. „Ja, ich habe etwas damit zu tun“, sagte er mit Hinweis auf den getöteten 71-Jährigen. „Sie wissen ja nicht, was der mir angetan hat.“ Später sagte er auch noch. „Endlich ist er weg. Endlich ist es vorbei.“
Das Urteil gegen den Angeklagten lautete auf zwölf Jahre und drei Monate Haft
„Bemerkenswert war, welchen Eindruck der Mann, der nur wenige Minuten zuvor einen Menschen umgebracht hat, auf die Leute machte, die ihm danach begegneten“, schildert Mittelacher. „Unter anderem beschrieben Polizeibeamte ihn übereinstimmend als ,ruhig‘, ,gefasst‘ und ,abgeklärt‘. Andere sagten sogar, er sei ihnen ,wie befreit‘ und ,redselig‘ vorgekommen.“
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Später im Prozess vor dem Schwurgericht sagte Franz P. indes, die Tat tue ihm leid. Er hat sich außerdem bei den Angehörigen von Jan V. entschuldigt. Verurteilt wurde der Angeklagte schließlich zu zwölf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe. „Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei der Tat um einen Mord handelt, wobei das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt wurde“, erzählt Bülter. Zwar sei der Mieter grundsätzlich auf der Hut gewesen, wenn er Hausbesitzer Franz P. begegnete. Aber in dieser konkreten Situation am Morgen des 12. Februar 2014 sei Jan V. davon ausgegangen, dass sein Vermieter eine Aussprache mit ihm haben wolle. „Insofern sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass sich das Opfer an jenem Morgen in einem Zustand der Arg- und Wehrlosigkeit befand, die von dem Angeklagten ausgenutzt wurde.“
Sachverständiger stellt die verminderte Schuldfähigkeit fest
Bei der Festsetzung des Strafmaßes berücksichtigte die Kammer die Einschätzung eines psychiatrischen Sachverständigen, der erläutert hatte, Franz P. sei zur Tatzeit vermindert schuldfähig gewesen. Dies sei bedingt durch die wahnhaften Vorstellungen, die der 64-Jährige in Bezug auf seinen Mieter hatte. Im Fall einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit wird die zu verhängende Freiheitsstrafe, die beim Mord eigentlich regelhaft „lebenslang“ bedeutet, gemildert.
Weil Franz P. nach der Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen wegen seiner wahnhaften Störung außerdem eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellte, ordnete das Gericht die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Und die Familie des Opfers? Seine Partnerin, seine Tochter und sein Sohn wurden durch die Tat schwer traumatisiert. An die drei Hinterbliebenen zahlte der Angeklagte ein Schmerzensgeld von insgesamt 40.000 Euro. „Sicher ist“, erklärt Bülter, „dass der Angeklagte furchtbares Leid über die Angehörigen gebracht hat.“
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