Hamburg. Skurrile Szenen vor Gericht: Verwirrung beim Richter, Erinnerungslücken beim Zeugen – dann stellt Anwältin Würgeriff im Verhandlungssaal nach.

Bedrohung, Körperverletzung und räuberische Erpressung: Hat ein Mann diese Straftaten begangen – und das alles nur wegen eines Blickes auf eine Frau? Die Erklärung klingt ungewöhnlich, aber das ist es, worum es an diesem Verhandlungstag vor dem Amtsgericht St. Georg geht: Ein 36-Jähriger soll wütend auf den Besitzer des Lokals am Hamburger Stadtpark gewesen sein, weil dieser seine Begleiterin angeschaut hatte.

Es ist voll in dem kleinen Verhandlungssaal im Haus der Gerichte, wo am Dienstagvormittag die Anklage gegen den 36-Jährigen verlesen wird. Die Verhältnisse sind eher schlecht: Es wird gehustet, laut getippt, und die Dolmetscherin raunt dem Angeklagten ununterbrochen die Übersetzung des eben Gesagten zu. Immer wieder muss sich der Vorsitzende Richter vorbeugen, runzelt die Stirn und rauft sich zeitweilig das Haar.

Prozess in Hamburg: Hat Angeklagter Winterhuder Restaurantbesitzer erpresst?

Was war passiert? An einem Montag im Dezember 2022, so wirft es ihm die Staatsanwaltschaft vor, soll der Angeklagte gemeinsam mit acht weiteren Personen in das Restaurant eines 51-Jährigen am Grasweg in Winterhude gestürmt sein und dort 1000 Euro von dem Besitzer des Lokals gefordert haben. Dabei soll der Angeklagte den 51-Jährigen vor dem Restaurant geschubst, bedroht und dabei gewürgt haben. Die Forderung nach dem Geld resultierte laut Anklage daraus, dass der Restaurantbesitzer die Frau des Angeklagten angeschaut habe.

Die Verteidigerin schildert die ganze Geschichte dagegen als deutlich gemäßigter, teilweise seien die Aussagen des vermeintlich Geschädigten vollkommen falsch, sagt sie. Wahr sei, dass sich der 36-Jährige tatsächlich an dem Verhalten des Lokalbesitzers gestört habe. Beide Männer – die sich über einen Schwiegervater kannten – seien einige Zeit zuvor gemeinsam mit zwei Frauen essen gewesen. Als der 51-Jährige mit der Begleitung seines Gegenübers geflirtet hatte, stieß dies bei dem sauer auf.

Verwirrung beim Richter und unklare Aussagen des Zeugen

Deswegen, und das streite er auch nicht ab, sei es tatsächlich später zu der Auseinandersetzung in dem Restaurant gekommen. Allerdings, so behauptet es die Anwältin des Angeklagten, habe ihr Mandant lediglich eine klare Ansage machen wollen. Daraufhin habe der 51-Jährige ihn aus dem Lokal geschmissen, wo es nochmals zu einem kurzen Gespräch kam. Dass es dabei vielleicht auch ein Geschubse gab, sei nicht auszuschließen. Eine Forderung nach Geld oder gar eine Bedrohung sei aber nicht Teil der Auseinandersetzung gewesen.

Die Straße Grasweg in Hamburg – im Vordergrund sind Fahrräder zu sehen. Im Hintergrund stehen Autos.
Am Grasweg in Winterhude soll es zu der strittigen Auseinandersetzung gekommen sein, über die jetzt vor Gericht in Hamburg verhandelt wurde. © HA

Nicht gerade eindeutiger wird die Situation durch den Zeugen, der vor Gericht gehört wird. Denn bei ihm handelt es sich um den Lokalinhaber, der von dem Angeklagten bedroht worden sein will. Im Laufe der Befragung wird wenig klarer. Denn: Der 51-Jährige erinnert sich teilweise nicht mehr, schildert die Situation mehrmals unterschiedlich, ist verwirrt und versteht den Richter augenscheinlich nicht immer. Eines aber wird deutlich: Die Stellungnahme, die er vor zwei Jahren gegenüber der Polizei abgegeben hatte, bestätigt er teilweise nicht mehr.

Skurrile Szene im Hamburger Haus der Gerichte: Anwältin zeigt Würgegriff

Zwischenzeitlich fordert die Anwältin des Angeklagten eine Pause für den Zeugen ein. Während er vor der Tür wartet, teilt sie dem Richter eine Vermutung mit: Der Zeuge habe vor zwei Jahren die Situation mutmaßlich aufgebauscht. Daher würde er nun die unstrukturierten und schwer verständlichen Aussagen tätigen. Denn der Zeuge könne sich strafbar machen, sollte er die Situation damals tatsächlich deutlich aufgebauscht haben. Auf ihren Vorschlag, den 51-Jährigen darüber aufzuklären, geht der Richter allerdings nicht ein.

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Die Frage, ob der Angeklagte tatsächlich Geld gefordert hat, bleibt an diesem Verhandlungstag durch den Zeugen zunächst unbeantwortet. Vor allem geht es um einen vermeintlichen Würgegriff und ob es ihn wirklich gab. Um sich klar darüber zu werden, wie und ob es tatsächlich zu einem Würgegriff kam, stellt die Anwältin des 36-Jährigen die Möglichkeiten sogar an sich selbst nach. Schlussendlich wird der Zeuge mit der Aussage, ihm sei an den Hals gegriffen worden, er habe dabei allerdings keine Schmerzen empfunden, entlassen. Da eine weitere Zeugin nicht erschien, wurde der Prozess vertagt.