Hamburg. Es geht um einen Warhol, eine Luxushandtasche und sehr viel Geld. Auf der Anklagebank: ein Polizist. War es eine Täuschung oder Enttäuschung?
Ein Werk des Künstlers Andy Warhol, die Handtasche einer Luxusmarke sowie 37.000 Euro: Millionenerbin Sophia L. (Name geändert) war der Überzeugung, dies seien nur Leihgaben gewesen, die sie Bekannten anvertraut habe. Und alles nur unter der Voraussetzung, dass sie ihr dabei helfen, einen Secondhandshop für Luxusartikel aufzubauen. Nun hätte sie natürlich einen Anspruch darauf, entsprechende Werte zurückzuerhalten. Doch die 58-Jährige war offenbar an Betrüger geraten, die gar nicht daran dachten, die wohlhabende Dame irgendwie zu entschädigen.
Was tun? Sophia L. setzte darauf, dass ihr jemand aus dem Dilemma helfen sollte, der überaus kompetent in solchen Angelegenheiten schien. Ein Kriminalbeamter, zudem noch spezialisiert auf die Bekämpfung von Betrugsdelikten. Hat die Hamburgerin damit genau dem Falschen vertraut? Denn was danach laut Ermittlungen geschah, vermittelt den Eindruck, als sei Sophia L. vom Regen in die Traufe geraten. Der Kriminalbeamte Frank N. (Name geändert) soll nun seinerseits die Millionenerbin betrogen haben. Deshalb muss sich der 51-jährige Polizist jetzt vor Gericht verantworten.
Prozess Hamburg: Betrog Kriminalbeamter Millionärin, anstatt zu helfen?
Es ist dies das zweite Mal, dass der Fall verhandelt wird. Das Amtsgericht war im März vergangenen Jahres zu der Überzeugung gekommen, dass der Kriminalbeamte sich schuldig gemacht habe, und hatte eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurden, gegen den Hamburger verhängt. Gegen dieses Urteil hatten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Frank N. Berufung eingelegt. Deshalb befasst sich jetzt das Landgericht mit den Vorwürfen. Für den Angeklagten geht es neben einer möglichen Verurteilung auch um seine Zukunft als Beamter. Käme es zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, endet das Beamtenverhältnis mit der Rechtskraft des Urteils.
Die Anklage legt Frank N. Betrug im besonders schweren Fall zur Last. Laut Staatsanwaltschaft war der 51-Jährige schon als Polizeibeamter mit dem Fall von Sophia L. befasst. Nach nur sehr übersichtlichen dienstlichen Bemühungen soll er der Hamburgerin mitgeteilt haben, für die Polizei sei der Fall erledigt. Aber er könne mit seiner Firma, die er nebenberuflich betreibe, weitere Ermittlungen leisten, unter anderem eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung sowie den Einsatz von Kameras. Auf diese Weise könne er gerichtsfeste Beweise gegen die Männer sammeln, von denen die 58-Jährige sich über den Tisch gezogen fühlte. Dabei soll Frank N. von vornherein bewusst gewesen sein, dass er die versprochenen Leistungen gar nicht erbringen könne. Gleichwohl habe er seiner vermögenden Kundin drei Rechnungen über insgesamt 57.060 Euro gestellt, die diese auch bezahlt habe.
Rund-um-die-Uhr-Überwachung und Kameras: Was der Angeklagte angeblich versprochen hat
Als die Hamburgerin schließlich misstrauisch wurde, weil Frank N. ihr keine Ermittlungsergebnisse mitgeteilt habe, sei sie von dem Kriminalbeamten hingehalten worden, so die Anklage weiter. Weil ihre Erwartung, eine 24-Stunden-Überwachung über vier bis sechs Wochen unter Einsatz von Kameras zu erhalten, enttäuscht wurde, habe sie schließlich vom Vertrag zurücktreten wollen. Doch damit biss sie offenbar bei Frank N. auf Granit. Er habe den Vertrag erfüllt, ließ er seine Kundin laut Anklage wissen, die Rechnung sei in Ordnung. Und deshalb müsse er auch keine Rückzahlungen leisten. Es kam zu einem zivilrechtlichen Streit und schließlich auch zur Anklage.
Doch ein Strafgericht, so stellt es die Verteidigung von Frank N. dar, sei gar nicht der richtige Ort, um diesen Fall zu verhandeln. Vielmehr gehe es darum, ob ein Vertrag erfüllt wurde – oder eben nicht. Und dies sei ein zivilrechtliches Problem. „Nicht jedwede Enttäuschung muss eine strafrechtliche Komponente haben“, argumentiert die Verteidigung. Davon, dass Frank N. seine Kundin getäuscht habe, könne keine Rede sein. „Er war gewillt, die Leistungen zu vollbringen.“ Also zu unterbinden, dass die beiden Bekannten von Sophia L. sie weiter schädigen können. Und in diesem Sinne habe er Leistungen erbracht. Wenn die Erwartungen der Kundin enttäuscht worden seien, „steht das auf einem anderen Blatt“. Womöglich handele es sich bei dem Auftrag, den Sophia L. dem Kriminalbeamten erteilt habe, und den damit verbundenen Erwartungen „um einen Fehler, den sie sich nicht eingestehen wollte“?
Verteidigung: Strafgericht ist gar nicht zuständig.
Selber macht der Angeklagte vor Gericht keine Angaben. In der ersten Instanz vor dem Amtsgericht hatte er den Akten zufolge gesagt, dass er Sophia L. klargemacht habe, eine professionelle Observation habe ihren Preis. Unter 12.000 Euro pro Woche sei dies nicht durchzuführen. Im Übrigen sei dies Detektivarbeit. „Und so etwas mache ich nicht.“ Seine Nebentätigkeit habe sich auf andere Leistungen erstreckt, die Sophia L. durchaus hätten helfen können. Ihr sei es darauf angekommen, dass sie künftig besser vor Betrügern geschützt werden sollte. „Sie hatte ein ausgeprägtes Schutzbedürfnis.“ Sogar einen Bodyguard habe die Millionärin um sich haben wollen.
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Zudem habe seine Kundin für ihn überraschend im Nachhinein Leistungsnachweise gefordert. Die habe er nur aus der Erinnerungen erbringen können. „Es ist möglich, dass man da etwas vergisst.“ So habe er unter anderem eine Drohne für 9000 Euro gekauft, den Beleg dafür aber nicht finden können. Der Prozess wird fortgesetzt.