Hamburg. Wie sicher sind Polizeibeamte in Hamburg? Neueste Zahlen des BKA lassen einen erschreckenden Schluss zu. Warum ist das so?
- Mordversuch: 18-Jähriger fährt 27 Jahre alten Polizisten an.
- Hamburg liegt bei den Taten über dem Bundesdurchschnitt.
- Gewerkschaft übt scharfe Kritik: „Es wird über viel zu viel hinweggesehen.“
Es galt als versuchter Mord, als am 15. November vergangenen Jahres ein 18-Jähriger mit dem Audi einer Carsharingfirma an der Max-Brauer-Allee auf einen Polizisten (27) zufuhr, ihn erfasste und schwer verletzte. Der Täter flüchtete zunächst, stellte sich später aber an der Davidwache an der Reeperbahn auf St. Pauli. Die Tat ist der spektakulärste Fall von Gewalt gegen Polizeibeamte in Hamburg und einer von insgesamt 40 versuchten Tötungsdelikten bundesweit, bei denen Polizisten im vergangenen Jahr Opfer wurden. Das ist das Ergebnis aus dem Bundeslagebild „Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte“, das das Bundeskriminalamt (BKA) jetzt vorgestellt hat.
Bundesweit, so das BKA, hat die Gewalt gegen Polizisten um acht Prozent zugenommen. In Schleswig-Holstein ist der Anstieg mit fünf Prozent unterdurchschnittlich. Dort wurden vergangenes Jahr 1522 Taten registriert. In Hamburg ist der Zuwachs dagegen mit zwölf Prozent deutlich höher als im Bundesschnitt. Hier ging die Zahl der Gewaltdelikte gegen Polizisten von 1589 Taten in 2022 auf 1780 Taten im vergangenen Jahr hoch. Nur in der Kriminalitätshochburg Bremen ist der Anstieg mit 20,7 Prozent, im von Clankriminalität geplagten Nordrhein-Westfalen mit 18,7 Prozent und in Sachsen-Anhalt mit 13,1 Prozent noch höher.
Tatort Hamburg: Tötungsversuche gegen Hamburger Polizisten – ein Lagebild
Die Masse der Gewalttaten, bei denen Polizisten Opfer wurden, sind „tätliche Angriffe“. Das passierte 848-mal. Dicht darauf folgen die sogenannten Widerstände, in der Regel im Zusammenhang mit Festnahmen oder Kontrollen. 773 Fälle gab es im vergangenen Jahr in Hamburg. Dazu kommen 83 Fälle von Bedrohung und sieben Fälle von Nötigung.
In 68 Fällen wurde ein Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung eingeleitet. In dem eingangs erwähnten einen Fall von der Max-Brauer-Allee war es ein Verfahren wegen versuchten Mordes.
Im Flächenland Schleswig-Holstein ergibt sich ein ähnliches Bild. Dort gab es 668 Fälle von tätlichen Angriffen auf Polizisten. 635-mal kam es zu Widerständen. Bedrohungen waren dort häufiger als in Hamburg. 173-mal war dies in Schleswig-Holstein der Fall. Auch die Zahl der Nötigungen liegt mit 13 höher als in Hamburg. In Schleswig-Holstein gab es zudem zwei versuchte Tötungsdelikte, bei denen Polizisten das Opfer waren. Beide Fälle wurden als versuchter Totschlag gewertet.
Gewalt gegen Polizisten: Welche Rollen spielt Drogeneinfluss bei Übergriffen?
Die Aufklärungsquote ist hoch. In Hamburg konnten im vergangenen Jahr 1451 Tatverdächtige im Zusammenhang mit Gewalt gegen Polizisten ermittelt werden.
Sehr häufig spielten bei den Gewalttaten gegen die Beamten, auch das ergibt sich aus der Statistik, Rauschmittel eine große Rolle. 662 Tatverdächtige waren angetrunken, 137 standen unter Drogeneinfluss. In Schleswig-Holstein wurden 1260 Tatverdächtige ermittelt. 742 von ihnen waren angetrunken, 233 Verdächtige hatten Rauschgift konsumiert.
Polizisten im Visier: Ausländer sind bei Gewalttaten überproportional beteiligt
Hoch ist auch der Anteil der Ausländer bei Gewalttaten gegen Polizisten. Obwohl sie nur einen geringen Anteil an der Gesamtbevölkerung haben, der im vergangenen Jahr bei unter 20 Prozent lag, betrug ihr Anteil an den Widerstandshandlungen in Hamburg vergangenes Jahr 47,8 Prozent. Ging es um den Versuch der Gefangenenbefreiung, die in der Regel mit Gewalt gegen Einsatzkräfte verbunden ist, lag der Anteil sogar bei 57,1 Prozent.
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„Die Entwicklung entsetzt mich einerseits. Andererseits bin ich nicht überrascht“, sagt Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft in Hamburg. „Es wird über viel zu viel hinweggesehen.“ Das macht er auch an Zahlen fest. In Hamburg wurden wegen Delikten gegen Polizisten im vergangenen Jahr 1044 Strafbefehle erlassen. 843 Verfahren stellte die Justiz wegen der geringen Schuld des Täters ein, und 477 Einstellungen erfolgten mangels hinreichenden Tatverdachts.
„Ein weiterer Punkt für die steigende Gewalt gegen Polizisten, die ja in der Regel Gewalt gegen den Beamten als Repräsentanten des Staates ist, dürfte auch das immer weiter sinkende Bildungsniveau mit allen seinen Nebenwirkungen sein, wie etwa der völlig falschen Einschätzung von Situationen und eigenen Möglichkeiten.“ Jungfer macht auch der Politik Vorwürfe: „Sie hat bei Gewalttaten gegen Polizeibeamte immer viele Erklärungen parat, aber wenig Empathie für die Opfer.“