Hamburg. Schock für die Grünen: Exklusiv im Abendblatt erklärt der konfliktfreudige Politiker, warum er zum Ende der Wahlperiode nicht wieder antritt.

Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) wird bei der Bürgerschaftswahl im März 2025 nicht wieder antreten und auch danach nicht wieder als Senator zur Verfügung stehen. Das hat er dem Abendblatt exklusiv vorab mitgeteilt. Am Montagnachmittag informierte Kerstan auch die grüne Bürgerschaftsfraktion über seine Entscheidung.

„Nach langer und gründlicher Überlegung habe ich mich entschieden, zur nächsten Bürgerschaftswahl im März 2025 nicht wieder anzutreten und nach dem Ende dieser Legislaturperiode nicht mehr für das Amt als Umweltsenator zur Verfügung zu stehen“, sagte Kerstan dem Abendblatt. „Diese Entscheidung ist mir nicht leichtgefallen.“

Jens Kerstan: Die Gründe für den Abschied des Hamburger Umweltsenators

Grund für seinen Entschluss seien gesundheitliche Probleme. „Meine Krebserkrankung vor knapp drei Jahren, die ich Gott sei Dank überwunden habe, hat viel Kraft gekostet und mich in den vergangenen Monaten mehr und mehr darüber nachdenken lassen, wo ich stehe, was ich bisher erreicht habe und ob und wie ich weitermachen will“, sagte Kerstan.

„Ich habe vieles erreicht und umgesetzt von den Themen und Projekten, deretwegen ich vor über 25 Jahren in die Politik gegangen bin. Und ich habe jetzt das Privileg, noch in dieser Legislatur weitere Früchte harter politischer Arbeit zu ernten“, so der 58-Jährige. „Vor diesem Hintergrund würde eine weitere Legislatur es erfordern, noch einmal neue Ziele zu setzen und mit voller Kraft zu verfolgen. Die Frage, ob ich für die nächsten fünf Jahre eine solche Weiterentwicklung und Neuausrichtung mit der gleichen Leidenschaft, Kraft und dem erforderlichen unbedingten Willen verfolgen kann, muss ich realistischer- und ehrlicherweise mit Nein beantworten.“

Grüne Hamburg: Kaum einer prägte die Politik so intensiv wie Kerstan

Zwar habe er den Krebs besiegt und die anderen gesundheitlichen Rückschläge überwunden, so Kerstan weiter. „Aber ich bin nicht ganz ohne gesundheitliche Sorgen. Und die langen Jahre der Verantwortung, insbesondere die zehn Jahre im Senat, haben Spuren hinterlassen. Und wir wissen alle: Die Zipperlein werden im Alter nicht weniger.“

Kerstan kündigte an, bis zum Ende der Wahlperiode mit voller Kraft weiterzuarbeiten und die Grünen auch energisch im anstehenden Bürgerschaftswahlkampf zu unterstützen. Der Bergedorfer hatte die Grünen-Politik in Hamburg geprägt wie kaum ein anderer. Nach seinem Parteieintritt 1998 wurde er 2001 stellvertretender Landesvorsitzender der Hamburger Grünen und 2008 einer der Architekten des ersten schwarz-grünen Bündnisses auf Landesebene.

Jens Kerstan: Dienstältester Senator und Rekord-Umweltsenator

Bis 2015 führte Kerstan danach die Bürgerschaftsfraktionen, seit 2015 ist er Umweltsenator und damit am Ende seiner Amtsperiode länger als alle seine Vorgänger. Zugleich ist Kerstan zusammen mit seiner Parteifreundin Katharina Fegebank dienstältester Senator, nur SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher gehört dem Hamburger Senat länger an.

Zu seinen größten Erfolgen zählt Kerstan den 2013 im Volksentscheid beschlossenen Rückkauf der Energienetze für Strom, Gas und Fernwärme, die er als Senator von 2015 an umsetzte. Unter seiner Führung würden die unter Naturschutz stehenden Gebiete so ausgeweitet, dass sie künftig bereits zehn Prozent der Hamburger Landesfläche ausmachen. Zählt man auch Landschaftsschutzgebiete und Biotopverbund dazu, haben bereits 23 Prozent der Flächen einen hohen Schutzstatus. Zu den Meilensteinen seiner Arbeit rechnet Kerstan auch die Deckel über die A7, die Ausweitung von Planten un Blomen oder die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße.

Niemals konfliktscheu: 2018 führte Kerstan bundesweit erste Dieselfahrverbote ein

2018 führte er aufgrund der hohen Luftbelastung die bundesweit ersten Durchfahrtsbeschränkungen für ältere Dieselfahrzeuge in Hamburg ein. Auch das zeigt, dass Kerstan, wenn es um die grüne Sache ging, keiner Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen ist. Das gilt auch für Konflikte mit dem Koalitionspartner SPD.

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