Bergedorf. Wer im Verkehrsunterricht durchfällt, hat oft kein eigenes Fahrrad. Bezirk Bergedorf ringt um eine Lösung des Problems.

Was gut ist, kann noch besser werden: Im vergangenen Jahr bestanden 84 Prozent von fast 300 Kindern an fünf Bergedorfer Grundschulen den sogenannten „Radführerschein“. Bei denen, die durchfielen, kristallisierte sich neben nicht straßenverkehrssicheren Fahrkünsten vor allem eines als Hauptproblem heraus: Sie haben kein Fahrrad. Und ohne eigenes Rad lässt sich Radfahren schwerer lernen. Das Vorhaben, diesen sozial bedingten Missstand zu beheben und genug Fahrräder für alle Grundschulkinder zu organisieren, kommt politisch allerdings nur schleppend voran. Immerhin gab es zuletzt im Ausschuss für Sport und Bildung neue Ideen.

Bergedorfs CDU beantragte im vergangenen Winter, dass Bergedorfs Verwaltung 15 Räder anschaffen solle, die dann im steten Wechsel allen Grundschulen im Bezirk für den Verkehrsunterricht zur Verfügung stehen sollen. Hinzu käme die Investition in Schutzhelme und einen Anhänger für den Transport, den die Verkehrserzieher der Polizei dann von Grundschule zu Grundschule fahren. Die Antragsschreiber sprachen beim sicheren Radfahren, das spätestens nach Klasse vier erlernt sein sollte, von einer „Kulturtechnik“ gleich dem Lesen, Rechnen, Schreiben und Schwimmen.

Fahrradprüfung in Bergedorf: Sozial benachteiligte Kinder im Nachteil?

Doch diese Idee kommt dort, wo sie vermeintlich am meisten helfen könnte, am sozialen Brennpunkt, gar nicht mal so gut an, wie es in einem von der CDU zusammenfassenden Bericht („Steigerung der Radfahrfähigkeit von Grundschulkindern unterstützen“) aus dem Hauptausschuss heißt: Demnach hatte sich die Leitung der Schule Friedrich-Frank-Bogen mit Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann ausgetauscht. Darin erachtet die Schulleitung den Ansatz, ein bestimmtes Räderkontingent anzuschaffen und per Anhänger für den Verkehrsunterricht heranzukarren, als „nicht zielführend“.

Stattdessen kommt aus der Grundschule mit Unterstützung der „Verkehrslehrenden“ dieser Einwurf: Nachhaltiger sei es, wenn die Räder auch „über den Verkehrsunterricht hinaus“ von Schülern genutzt werden könnten. Schüler sollen also auch im Privaten verkehrsgerechtes Radfahren üben. Und der Vorschlag geht noch weiter: „Die betreffende Schule hat eine gute Lösung dergestalt herbeigeführt, die Finanzierung über eine Stiftung zu gewährleisten.“

Fahrräder für sozial benachteiligte Kinder: Stiftungsgeld möglich – aber auch jährlich?

Das scheint, was die Verwaltung angeht, durchaus ein gangbarer Weg zu sein. Die Bezirksamtschefin soll laut Bericht den Vorschlag aufgegriffen haben. Entsprechend soll bei der Sozialbehörde auf Grundlage des CDU-Antrags eine „Empfehlung“ formuliert werden, „die Grundschulen – jene mit dem Sozialindex 1 bis 3 – entsprechend auszustatten“. Gleichzeitig sprach Bergedorfs Sozialdezernentin Anke Jungblut bereits mit den weiteren Grundschulen ebenfalls über die Idee der „beispielgebenden Grundschule“ mit der Finanzierung aus Stiftungsgeldern.

Es besteht aber weiterer Klärungsbedarf für die Politik. Es sei grundsätzlich bei der entsprechenden Stiftung nachzufragen, ob sie denn als jährlicher Geldgeber zur Verfügung stehe, sagt Lars Dietrich, der für die CDU den Antrag seinerzeit für die Bezirksversammlung verantwortete: „Sonst wäre das für den ersten Jahrgang schön, für nachfolgende Jahrgänge bliebe das Problem, weil die Räder vergeben wären.“ Derweilen überraschte Sven Kuvecke, Vorsitzender des Bergedorfer Kreiselternrats, mit der Aussage, dass Anzahl und Ausstattung mit Fährrädern in seinen Gesprächen „nie als grundsätzliches Problem“ wahrgenommen wurde. Bekannt sei indes die Problematik an der Schule Friedrich-Frank-Bogen.

Fahrräder für sozial benachteiligte Kinder: Fahrradretter könnten Abhilfe leisten

Im Ausschuss brachte Hans-Robert Gruber von den Linken den Vorschlag ein, die „Fahrradretter“ als Unterstützung hinzuzuholen. „Fahrradretter“, ein Projekt des Hauses SerrahnEins mit Sitz und Werkstatt Am Beckerkamp, hat in der Vergangenheit satte 500 Drahtesel wieder auf Vordermann gebracht. Diese wurden aufbereitet und an Flüchtlinge verteilt, um ihnen nicht nur Radfahren beizubringen, sondern sie generell mobil zu machen. Grubers Standpunkt ist klar: Vom Guten, also möglichst vielen Fahrräder für weniger betuchte Kinder, kann es nicht genug geben: „Hauptsache, wir kriegen die Fahrräder.“

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Ob das klappt, muss nun eine weitere Ehrenrunde im Fachausschuss ergeben, denn es bleiben zu viele Fragezeichen nicht zuletzt bei der Finanzierung. Der Ausschuss für Sport und Bildung verabredete deswegen einstimmig, in die kommende Sitzung am 4. November Sozialdezernentin Jungblut, Verkehrslehrer Frank Rieper vom P 43 sowie die Schulleitung Friedrich-Frank-Bogen als Referenten einzuladen.