Hamburg. Ein 32-Jähriger muss sich wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz vor Gericht verantworten. Was die Hintergründe sind.
Schüsse peitschen durch die Luft. 22-mal wird ein Audi Q8 getroffen, der Fahrer lebensgefährlich verletzt. Den Beifahrer streift eine Kugel, und der Mann feuert etliche Male zurück. Bei dieser spektakulären Schießerei vom 10. Januar vergangenen Jahres in Tonndorf vermuteten Ermittler einen Hintergrund im Drogenmilieu. Und womöglich gibt es auch einen Zusammenhang mit dem Verbrechen, bei dem ein Mann in einer Shishabar an der Lübecker Straße von zwei Kugeln tödlich getroffen wurde. Auch hier scheinen Konflikte im Rauschgiftmilieu eine entscheidende Rolle zu spielen. Diese Tat vom 27. Juli 2022 ist bis heute nicht aufgeklärt.
Jetzt hat zumindest die Schießerei von Tonndorf ein juristisches Nachspiel. Wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz muss sich seit Dienstag ein 32 Jahre alter Mann im Prozess vor dem Landgericht in Hamburg verantworten. Ihm wird vorgeworfen, eine mit 15 scharfen Patronen geladene Pistole Smith & Wesson bei sich gehabt und alle Patronen abgefeuert zu haben, heißt es in der Anklage. Dies habe er getan, nachdem er in eine Schießerei geraten war. Er saß laut Anklage in dem Audi, auf den zuvor jemand geschossen hatte.
Prozess in Hamburg: Angeklagter soll mit Schusswaffe in Einkaufszentrum gewesen sein
Und auch weitere zwei Male soll der 32-Jährige gegen das Waffengesetz verstoßen haben. Dabei habe er am 31. Januar 2024 eine durchgeladene Pistole mit sich geführt. Und am 27. März dieses Jahres soll der Angeklagte in einem Einkaufszentrum im Stadtteil St. Pauli in einer Umhängetasche eine scharfe Schusswaffe in einer Umhängetasche bei sich getragen haben. Dabei, so die Staatsanwaltschaft, sei dem 32-Jährigen bereits im Dezember 2018 von der Waffenbehörde untersagt worden, Waffen bei sich zu führen.
Über seinen Verteidiger räumt der Angeklagte, ein junger Mann im blütenweißen Hemd, die Vorwürfe im Wesentlichen ein. Doch laut dieser Darstellung ist Mehmet K. (Name geändert) kein unverbesserlicher Waffennarr – sondern ein Gejagter. Er sei immer wieder bedroht worden und habe sich in Lebensgefahr befunden, so der Angeklagte. „Ich habe verzweifelt versucht zu überleben“, heißt es weiter in seiner Schilderung. Die Waffen habe er „ausschließlich zu Verteidigungszwecken“ bei sich gehabt.
Prozess in Hamburg: Angeklagter sagt, er sei „in Angst und Schrecken versetzt worden“
Seit 2022 gebe es Vorfälle, die ihn „in Angst und Schrecken versetzen“, stellt Mehmet K. seine Situation dar. Dazu gehöre die Schießerei in Tonndorf, bei der er als Beifahrer angeschossen und der Fahrer lebensgefährlich verletzt wurde. Man habe immer wieder versucht, ihn zu töten, und auch seine Familie bedroht. Also habe er sich „eine Waffe angeschafft, weil ich keine andere Möglichkeit sah, mein Leben zu schützen“. Die Gefährdung habe stetig zugenommen.
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So hätten auch die Ermittlungen, die im Zusammenhang mit dem Mord in der Shishabar geführt wurden, aufs Drogenmilieu hingewiesen und bei ihm „zu Ängsten“ geführt. Es habe eine zunehmende Lebensgefahr für ihn gegeben. „Ich konnte auch nicht zur Polizei“, weil ihm gegenüber klargemacht worden sei, dass auch seine Familie gefährdet sei. „Ich war der Bedrohung hilflos ausgeliefert.“
Und die Gefahr habe sich noch verstärkt, ganz konkret nach der Schießerei in Tonndorf. Da habe man ihm mitgeteilt, dass man „die Tat zu Ende bringen“ werde. „Beim nächsten Mal machen wir es richtig“, habe es geheißen.
Zeuge spricht im Prozess von möglichen „Abstrafungsaktionen“
Ein Beamter der Kriminalpolizei berichtet im Prozess als Zeuge, dass ein Informant nach den tödlichen Schüssen in der Shishabar von einer Gefährdung für Mehmet K. berichtet habe. Es sei möglich, dass im Drogenmilieu „Abstrafungsaktionen“ in Auftrag gegeben worden seien.
Als Mann, der im Hintergrund die Fäden zieht, kommt offenbar jemand in Betracht, nach dem schon länger gefahndet wird: Mansour Ismail. Der mutmaßliche Drogenboss zählt zu den meistgesuchten Verbrechern Europas. Der Prozess wird fortgesetzt.