Hamburg. Der 25-Jährige soll mit einem Mittäter einen Mann mit zwei Schüssen getötet haben. Verteidigung kritisiert Staatsanwaltschaft.
Sie sind schnell – und sie handeln zielstrebig: Die beiden maskierten Männer, die an jenem Sommertag in eine Shishabar stürmen, lassen ihrem Opfer keine Zeit zu reagieren oder zu fliehen. Einer richtet eine Waffe auf einen jungen Mann an der Bar, dann fallen mehrere Schüsse. Der 27-Jährige bricht schwer getroffen zusammen. Wenig später stirbt er.
Es spricht viel dafür, dass diese Bluttat vom 27. Juli vergangenen Jahres in Hamburg-Hohenfelde aus einem Streit um Drogen resultierte. Und ebenso geht man in Ermittlerkreisen davon aus, dass die Männer, die in der Shishabar an der Lübecker Straße den Mord an Terry S. verübten, einen Auftraggeber hatten.
Gehörte Okan Ö. zu dem Duo, das dieses Verbrechen kaltblütig vollstreckte? Nein, beteuert der 25-Jährige jetzt im Prozess vor dem Landgericht Hamburg, wo er sich unter anderem wegen Mordes verantworten muss. „Ich habe damit wirklich nichts zu tun.“
Prozess Hamburg: Mord in Shishabar – Angeklagter spricht zu Mutter des Opfers
Mit diesen Worten richtet sich der Angeklagte direkt an die Mutter des Getöteten und schaut ihr dabei ins Gesicht. Die Frau ist Nebenklägerin im Prozess – und sie möchte wissen, wer ihren Sohn auf dem Gewissen hat. Der Verlust, den sie erlitten hat, „tut mir wirklich leid“, erklärt Okan Ö. Aber „ich habe Ihren Sohn nicht getötet“, lässt der 25-Jährige über seine Verteidigerin sagen. „Ich habe die Tat nicht begangen“, er sei auch nicht der Begleiter des Schützen gewesen. „Ich bin kein Unschuldslamm, aber was diese Sache angeht, bin ich unschuldig.“
Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Sie wirft Okan Ö. heimtückischen Mord vor, weil er nach ihrer Überzeugung dabeigewesen ist, als ein bislang nicht ermittelter Schütze die tödlichen Kugeln abfeuerte. Der 25-Jährige habe die Tat „abgesichert“, so die Anklage. Ferner wird dem gebürtigen Hamburger unter anderem Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz vorgeworfen, weil er in der Wohnung eines Freundes neben Schusswaffen auch eine Maschinenpistole aufbewahrt habe.
Tödliche Schüsse in Shishabar – Verteidigerin: „Er ist kein Mörder“
Das Opfer war Stammgast in der Bar, in der die tödlichen Schüsse fielen. Deshalb haben die Täter wohl sicher sein können, dass sie ihn an jenem Abend kurz vor Mitternacht dort antreffen würden. Zwei Projektile trafen den 27 Jahre alten Billstedter im Gesicht beziehungsweise in den Oberkörper. Für ihn kam jede Hilfe zu spät. Die Täter flüchteten. Monatelang wurde ermittelt, wer für das Verbrechen verantwortlich ist, bis am 20. Dezember vergangenen Jahres Okan Ö. verhaftet wurde.
Doch mit ihrem Mandanten sitze der Falsche im Gefängnis und auf der Anklagebank, sagt Verteidigerin Gül Pinar zum Prozessauftakt. Er habe sich zur Tatzeit weit von der Shishabar entfernt in seinem Elternhaus aufgehalten. Der Angeklagte habe „keine reine Weste, er ist bereits wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt“, erklärt die Anwältin. „Er ist aber kein Mörder!“
In ihrem sogenannten Opening Statement kritisiert Pinar die Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft, die sich „nicht dazu bewegen“ lassen habe, „auch entlastende Umstände, die wir vorgetragen haben, zu ermitteln“. Die Ermittlungsbehörden hätten „einen enormen Aufwand betrieben“, um ihre Hypothese, dass Okan Ö. einer der Mörder sei, „zu bestätigen. Die Beweisführung ist ihnen misslungen“, meint die Verteidigerin.
Verteidigung: Beschreibung der Mörder passten nicht zum Mandanten
Die Staatsanwaltschaft stütze die Anklage auf eine DNA-Spur an einer von zwei ballistischen Schusswesten, die keine 100 Meter vom Tatort entfernt gefunden wurden, ferner auf eine Zeugenaussage sowie „insgesamt die Involvierung in Drogengeschäfte“ ihres Mandanten, „die Szene und sein Umgang mit Waffen“. Allerdings seien Okan Ö. und das spätere Opfer „in der Betäubungsmittelszene in getrennten Kreisen unterwegs“ gewesen.
Letztendlich sei für die Ermittlungsbehörden entscheidend gewesen, dass Okan Ö. als jemand, der mit Betäubungsmitteln handelt, „Kontakte im Milieu hat und vor allem dem bereits vorgefertigten Ermittlungsbild des Auftragsmörders zu entsprechen“ habe, zählt Pinar auf – um dann immer weitere Argumente aufzulisten, die dagegensprächen, dass Okan Ö. der Täter ist.
So hätten „sämtliche Tatzeugen“, die eine Beschreibung der Mörder abgegeben haben, von „Schwarzafrikanern oder Afrikanern“ gesprochen beziehungsweise von dunkelhäutigen Tätern. Dieses Merkmal treffe auf ihren Mandanten eindeutig nicht zu.
Prozess Hamburg: Aussage der Ex-Freundin des Angeklagten „unglaubhaft“
Darüber hinaus gebe es keinerlei Beweis, dass der Angeklagte sich am Tatort oder nur im Tatortbereich befunden habe. Daten aus seinem Mobiltelefon belegten, dass er ganz woanders gewesen sei. Auch eine DNA-Spur ihres Mandanten, die an der in Tatortnähe gefundenen ballistischen Schussweste gesichert wurde, spreche nicht dafür, dass Okan Ö. an dem Mord beteiligt sei.
Denn auf einem Überwachungsvideo aus der Shishabar, das die Tat zeige, sei eindeutig zu erkennen, dass die Schusswesten nicht bei dem Verbrechen getragen wurden. „Was ist also der Zusammenhang mit der Tat?“, fragt Pinar. „Die Antwort bleibt die Anklage schuldig.“
Eine belastende Aussage der Ex-Freundin des Angeklagten nennt die Verteidigerin „von vornherein in sich unschlüssig und unglaubhaft“. Besagte Ex-Freundin habe zwar gegenüber der Polizei angegeben, Okan Ö. habe ihr gegenüber eine Tatbeteiligung an dem Mord eingeräumt. Doch in keinem Gespräch, das im Rahmen einer Wohnraumüberwachung aufgezeichnet wurde, sei ein Geständnis des 25-Jährigen zu hören.
Mord in Shishabar – Untersuchungshaft sei für Mandanten extrem belastend
Bezeichnend sei, dass sich die Ex-Freundin nach der von der Polizei ausgeschriebenen Belohnungssumme erkundigt habe. Zudem habe die frühere Partnerin Okan Ö. erst dann belastet, nachdem er sich von ihr getrennt und sich mit einer anderen Frau verlobt habe.
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Und schließlich, argumentiert die Anwältin, deute keines von etlichen abhörten Telefonaten „auch nur im Entferntesten“ auf ihren Mandanten als Täter hin. „Ganz im Gegenteil. Hört man sich die aufgezeichneten Telefonate an, dann ist das Bild sehr deutlich“, was Terry S. „das Leben gekostet hat“ und dass das nichts mit dem Angeklagten zu tun habe.
Es könnte indes lange dauern, bis ein Urteil über Schuld oder Unschuld von Okan Ö. gesprochen wird. Die Kammer hat allein bis zum Jahresende 19 Hauptverhandlungstage anberaumt, auch für das nächste Jahr sind bereits Termine abgestimmt. Die Untersuchungshaft, in der ihr Mandant ist, sei für den 25-Jährigen extrem belastend, erzählt seine Verteidigerin in einer Verhandlungspause. „Es geht ihm sehr, sehr schlecht.“