Hamburg. Nur in Hamburg können Sozialdemokraten und Grüne noch auf eine Mehrheit hoffen: Ist der Senat so gut oder die Opposition so schwach?
Jeder, der jemals ein Asterix-Heft gelesen hat, erinnert sich an die berühmten ersten Sätze: „Ganz Gallien ist von den Römern besetzt. Ganz Gallien? Nein!“ Denn da gibt es ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf … Nun ist Hamburg kein Dorf, werden stolze Hanseaten einwenden, und Peter Tschentscher und Katharina Fegebank sind weder Asterix noch Obelix. Aber das Gefühl, dass bald ganz Gallien besetzt ist, könnte Sozialdemokraten und Grünen beim Blick auf die Umfragezahlen und Wahlergebnisse durchaus beschleichen.
In Thüringen kamen die beiden Parteien noch auf 9,3 Prozent – zusammen wohlgemerkt, in Sachsen waren es 12,4 Prozent. In Brandenburg dürfte das Ergebnis zumindest für die SPD besser ausfallen. Aber von rot-grünen Mehrheiten sind die beiden Parteien derzeit so weit entfernt wie Troubadix vom Gewinn des Eurovision Song Contest.
Selbst die alte SPD-Hochburg Bremen ist geschleift
Nur im Saarland kommen beide zusammen in allerdings nicht taufrischen Umfragen mit 46 Prozent noch in Schlagweite parlamentarischer Mehrheit. Selbst im dauerroten Bremen, wo die SPD einst im Besitz eines Zaubertranks schien, reichte es bei der Wahl im Mai 2023 nur noch zu 41,7 Prozent. Auch andere Hochburgen sind längst geschleift: In Berlin liegen die beiden bei 33 Prozent, in Nordrhein-Westfalen bei 30 Prozent und in Hessen nur bei 26 Prozent.
Da stellt sich die Frage, was in Hamburg – wo letzte Umfragen die SPD bei 30 Prozent und die Grünen bei 21 Prozent auswiesen – so anders läuft. Die Großstadt mit ihren urbanen Milieus mag ein Aspekt sein, warum die Linke tendenzieller stärker ist als die Rechte. Aber das gilt eben auch für viele andere Metropolen, die derzeit mehr und mehr nach rechts kippen.
Sonderfall Hamburg: Warum wählen die Hanseaten weiterhin grün oder rot?
Es muss also spezifische Hamburger Gründe geben. Einer ist sicherlich der Wohlstand der Hansestadt, der den Senat stabilisiert und die Wut der Wähler kühlt.
Wer dieser Tage durch Deutschland reist, sieht Anzeichen eines politischen und wirtschaftlichen Niedergangs: Brücken, die zusammenfallen, Schulen, in die es hineinregnet, oder Straßenzüge, die verwahrlosen, sind keine Erfindung böser Populisten, sondern das Ergebnis einer kurzsichtigen Politik und einäugiger Medien. Nachdem in Karlsdorf in Thüringen 72 Prozent der Menschen AfD gewählt hatten, fielen sämtliche Sender und Schreiber in den südöstlichen Zipfel des Saale-Holzland-Kreises ein, eine Art Besuch im Extremisten-Zoo. Vielleicht hätte man dort mal vor der Wahl vorbeischauen sollen.
Hamburg steht besser da als viele andere Regionen der Republik
Die Spaltung, die den Populisten das Leben leicht macht und der Mitte das Regieren schwer, ist in dieser Stadt zwar auch spürbar, aber längst nicht so weit gediehen. Den schönen Wahlslogan, die „ganze Stadt im Blick“ zu haben, war geniale PR der Hamburger Sozialdemokraten, aber auch nicht falsch: Sie könnten vielen Berliner Parteifreunden, die in der Blase davonschweben, Nachhilfe im echten Leben geben. Den Kurswechsel bei der Migration etwa forderten sie schon 2023.
Wahrscheinlich liegen die Sozialdemokraten in Hamburg deshalb besser im Rennen: Sie sind näher an den Menschen. Und dank gefüllter Kassen geht es Hamburg gut – die Schulen sind besser, die Parks sauberer, die Stadt ist schöner. Während sich die SPD als „CSU des Nordens“ fühlt, sind auch die Grünen in der Stadt weniger ideologisch unterwegs als viele Parteifreunde. Innere Sicherheit, Kontinuität in der Schulpolitik, Wissenschaftsförderung als Themen – Katharina Fegebank nennt dieses Programm „bodenständig“. Anderswo würden die Grünen es spießig finden, landen dann eben auch bei fünf Prozent. In Hamburg regiert Rot-Grün mittiger als die Ampel in Berlin – was alle drei Parteien im Bund zum Nachdenken anregen sollte. Vor allem die FDP.
Hamburger Kritiken: Themen für die Opposition gibt es durchaus
Eine Denksportaufgabe liegt darin auch für die Opposition. Den Liberalen dürfte es schwerfallen, Rote und Grüne anzugreifen, mit denen sie in Berlin so medioker regieren. Die CDU wiederum scheint noch zu suchen, wie und womit sie den Senat angreifen will. Oft liegt sie bei den Themen knapp daneben: Statt bei der inneren Sicherheit den Bahnhof in den Mittelpunkt zu stellen, wäre der Jungfernstieg klüger – wo in der Welt ist eine Sehenswürdigkeit so entgleist?
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Statt Oberbillwerder zu bekämpfen, wäre vielleicht der Elbtower ein dankbares Wahlkampfthema. Und wie man die Gendergegner erst eifrig unterstützen kann, um sie dann in der entscheidenden Phase des Volksbegehrens im Regen stehen zu lassen, wird das Geheimnis der Union bleiben.
So jedenfalls bleibt das gallische Dorf rot-grün.