Hamburg. Ein Justizhauptsekretär bei der Staatsanwaltschaft soll Frauen unangemessen berührt haben. Er ist sich jedoch keiner Schuld bewusst.

  • Hat ein Ausbilder bei der Staatsanwaltschaft Hamburg junge Frauen sexuell belästigt?
  • „Sie war sehr aufgelöst und hat geweint“, erinnert sich eine Mitarbeiterin der Geschäftsstelle an den Moment, als eine der Betroffenen ihr davon erzählte.
  • Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe.

Eine Berührung am Rücken, ein Kontakt Bein gegen Bein. Oder die Ansprache mit einem Kosenamen. Was im Freundeskreis oder unter guten Bekannten meist unproblematisch sein mag, ist am Arbeitsplatz in der Regel ein No-Go. Insbesondere dann, wenn es sich bei den Beteiligten um Vorgesetzte und Auszubildende handelt.

Hat ein Ausbilder bei der Staatsanwaltschaft diese Grenze überschritten? Um diese Frage geht es in einem Prozess vor dem Amtsgericht, in dem einem 57-Jährigen sexuelle Belästigung vorgeworfen wird. Laut Anklage hat der Justizhauptsekretär im vergangenen Jahr bei der Staatsanwaltschaft in seiner Funktion als Ausbilder mehrere Frauen wiederholt in sexueller Absicht berührt. Dabei habe er gegen beziehungsweise ohne den Willen der Frauen gehandelt, heißt es in der Anklage. Außerdem habe der Mann die Auszubildenden fortwährend mit Kosenamen angesprochen und ihr Äußeres kommentiert, so die Vorwürfe weiter. Insgesamt soll er in 19 Fällen eine sexuelle Belästigung begangen haben.

Prozess Hamburg: Justizhauptsekretär soll Frauen sexuell belästigt haben

So spielten sich die Taten den Ermittlungen zufolge ab: Eine Auszubildende in der Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft habe der Angeklagte mindestens dreimal in dem der Ausbildung dienenden Raum über den Rücken gestreichelt. Während einer Pause soll er sie zudem außerhalb der Diensträume unsittlich berührt haben. Eine weitere Zeugin soll der Ausbilder sechsmal sexuell motiviert über der Kleidung gestreichelt haben, woraufhin sich die Zeugin unwohl fühlte und unter anderem physische Barrieren zum Angeklagten im Dienstzimmer aufbaute.

Zum Prozess ist es gekommen, nachdem gegen den 57-Jährigen im sogenannten Strafbefehlsverfahren, also auf Basis der Aktenlage und ohne Hauptverhandlung und Beweisaufnahme, eine Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen verhängt worden war. Gegen diesen Strafbefehl hatte der Beschuldigte Einspruch eingelegt. Er sei sich keiner Schuld bewusst, sagte der Angeklagte jetzt im Prozess zu den Vorwürfen. Jeder habe ein anderes Empfinden von Nähe, meinte er. So wohl heißen: Was die Frauen als sexuelle Anmache verstanden haben, sei lediglich eine freundlich gemeinte Geste ohne anzüglichen Hintergrund gewesen.

Frauen waren auf gute Bewertung angewiesen. Schwiegen sie deshalb?

Was den Fall besonders prekär macht: Im Rahmen ihrer Ausbildung war es für die Frauen wichtig, eine gute Bewertung zu erhalten. Diese sei entscheidend für die Frage, ob sie im Job übernommen werden und damit zumindest bis auf Weiteres einen sicheren Arbeitsplatz haben. Haben die Frauen deshalb lange darüber geschwiegen, was sie offenbar als sexuelle Belästigung durch Martin K. (Name geändert) wahrgenommen haben? Erst bei einem Treffen in der Teeküche machte eine Auszubildende ihrem Unwohlsein Luft. „Er fasst mich ständig an“, soll sie einer Kollegin erzählt haben. Und diese sagte, sie habe Ähnliches erlebt. Daraufhin entschlossen sich die Frauen, sich an Vorgesetzte zu wenden. Seit die Vorwürfe bekannt wurden, ist Martin K. vom Dienst freigestellt.

„Sie war sehr aufgelöst und hat geweint“, erinnert sich eine Leitende Mitarbeiterin der Geschäftsstellen an den Moment, als eine der Auszubildenden ihr gegenüber von Belästigungen erzählte, die der 57-Jährige begangen habe. Martin K. habe der jungen Frau laut deren Schilderung über den Rücken gestrichen und sie gestreichelt. Auch habe er sich ihr insgesamt zu dicht genähert, als dass sie sich dabei noch hätte wohlfühlen können.

Eine Frau sei aufgelöst gewesen und habe geweint, erzählt eine Zeugin

Eine weitere Auszubildende habe von vergleichbaren Geschehnissen erzählt. Diese habe bei ihren Schilderungen allerdings „tough“ gewirkt und sehr beherrscht dargestellt, was sich ereignet habe. Eine Frau habe zudem erzählt, dass Martin K. sie wiederholt an der Bahn abgepasst habe. Sie sei deshalb bemüht gewesen, ihres Tagesablauf so zu ändern, dass sie die Begegnungen möglichst vermeiden könne.

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Dass sich die Frauen an sie wandten, sei unverhofft geschehen, erzählt die Leitende Mitarbeiterin weiter. Zuvor sei sie im Urlaub gewesen, als die Auszubildenden sie nach ihrer Rückkehr um Gespräche baten. „Da stürzte es auf mich ein.“ Der Prozess wird fortgesetzt.