Hamburg. Der 37-Jährige steht wegen des Verdachts des sexuellen Übergriffs auf zwei Frauen vor Gericht. Sein Verteidiger kündigt eine Aussage an.

Es ist ein Albtraum: Jemand begibt sich zu einem Masseur und erwartet eine wohltuende Behandlung. Doch dann kommt das Unerwartete, Schockierende: ein sexueller Übergriff. So soll es zwei Frauen widerfahren sein, die in einer Wellnesseinrichtung im Hamburger Stadtteil Billstedt eine Massage hatten genießen wollen.

„Ich hatte Angst. Ich war ganz allein in einem Keller mit einem Mann“, erzählt nun im Prozess vor dem Schöffengericht eine der beiden Frauen. „Es gab drei Situationen, wo ich ernsthafte Sorge hatte, dass er mich vergewaltigen würde.“ Zwischendurch habe sie sogar überlegt, ob der Mann etwa „verrückt“ sei. „Ich dachte, vielleicht bringt er mich um.“

Prozess in Hamburg: Masseur soll in Wellnesscenter Kundinnen missbraucht haben

„Er“, damit ist Masseur Marik M. (alle Namen geändert) gemeint, der sich seit Montag wegen sexuellen Übergriffs sowie Körperverletzung vor Gericht verantworten muss. Der 37-Jährige ist angeklagt, jeweils im Dezember 2018 und im Januar 2020 zwei Frauen bei einer Massage gegen ihren Willen im Intimbereich berührt zu haben. Dabei habe er einen Überraschungsmoment ausgenutzt und in einem der Fälle eine besonders erniedrigende Handlung ausgeführt, heißt es in der Anklage.

Im Einzelnen wirft die Staatsanwaltschaft dem Mann vor, in einem Spa als Masseur bei einer Kundin ohne Vorwarnung zweimal seinen Finger in den Intimbereich eingeführt zu haben. Dieses „völlig unerwartete Vorgehen“, so die Anklage, habe sie nicht verhindern können. Durch die Tat habe die Frau Verletzungen erlitten und noch mehrere Tage lang Schmerzen verspürt.

Marik M. soll der Frau die Unterhose heruntergezogen haben

Bei der zweiten Tat ist die Kundin laut Ermittlungen für eine Massage des Nackens und der Schulter zu dem Angeklagten gekommen. Plötzlich habe er die Frau gefragt, warum sie trotz ihrer Schönheit keinen Mann habe? Dann soll Marik M. der Frau die Unterhose heruntergezogen und seine Hand mehrfach auf ihren Schambereich gelegt haben. Das Opfer sei „geschockt und verängstigt“ gewesen, so die Anklage weiter.

Der Angeklagte, ein Mann mit Brille und zum Zopf gebändigtem schwarzem Haar, wird unter anderem von seiner Partnerin zum Prozess begleitet. Sein Mandant werde sich zu den Vorwürfen äußern, sich dabei aber „bestreitend einlassen“, kündigt der Verteidiger an. Er beantragt, für die Dauer der Aussage die Öffentlichkeit auszuschließen. Auch die Anwältin eines der beiden mutmaßlichen Opfer beantragt den Ausschluss der Öffentlichkeit.

Masseur lässt „bestreitende Einlassung“ ankündigen

Der privateste Bereich von Betroffenen, ihre Intimsphäre zumal, ist im Strafprozess ein hohes Gut. Im Gerichtsverfassungsgesetz ist geregelt, dass der Schutz des persönlichen Lebensbereichs meist Vorrang hat vor dem Interesse der Öffentlichkeit.

Entsprechend entscheidet auch hier das Gericht: Zwar sei es sicherlich von Interesse, dass die Menschen erfahren, dass eine geplante Massage im Einzelfall auch eine ungute Wendung nehmen könne. Dass also die Möglichkeit und die Gefahr bestehe, dass jemand unter Umständen plötzlich Opfer eines sexualisierten Übergriffs werden könne, erläutert die Vorsitzende. Allerdings werde dies bereits unter anderem durch die Anklageverlesung erreicht. Vor allem sei zu beachten, dass bei einer Aussage des Angeklagten beziehungsweise der Frauen Umstände aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich zur Sprache kommen würden.

Zweite Zeugin ist mit Zuhörern im Gerichtssaal einverstanden

Doch die zweite Zeugin, Nadja P., ist einverstanden, dass Zuhörer im Gerichtssaal bleiben. Die 52-Jährige berichtet von einem Übergriff, der sich für sie fremd und schockierend angefühlt habe. Sie erzählt von ihrer Starre während der Prozedur und dass sie nicht gewagt habe, sich zu widersetzen, als sie eine Hand des Mannes an ihrem Schritt gespürt habe und die andere an ihrem Po. Es sei ja niemand sonst in ihrer Nähe gewesen, an den sie sich hätte wenden können. Deshalb habe sie auch hinterher, nach dem schlimmen Erlebnis, auf seine Frage hin zunächst behauptet, sie wolle wiederkommen. „Ich wollte nicht auffallen, allein im Keller. Ich wollte sein Misstrauen nicht wecken.“

Masseur soll in Wellnesscenter Kundinnen missbraucht haben

Wegen Rücken- und Schulterproblemen gehe sie öfter zur Massage, erzählt Nadja P., und dann ausschließlich zu weiblichen Kräften. Hier habe sie zu spät gesehen, dass sie von einem Mann massiert werden sollte, und nicht gewusst, wie sie die Buchung hätte stornieren können. Eine Bekannte habe sie noch ermutigt, dass Männer „stärker“ und damit „besser“ seien.

Dem Masseur habe sie von ihren Rückenschmerzen berichtet. „Ich lag auf der Seite.“ Etwa nach zehn Minuten habe sie gespürt, wie der Mann sie unter anderem am Po berührt habe. „Ich dachte, vielleicht weiß er nicht, dass das die falsche Stelle ist, dass er das versehentlich macht. Dann lag wieder die Hand im Schritt, die zweite Hand wieder am Po.“

Kundin googelte Namen des Masseurs im Internet

Sie habe ihn darauf hingewiesen, dass ihre Schmerzen den oberen Rücken betreffen. Doch das habe ihn nicht beeindruckt. „Er hat weiter massiert, irgendwann die Unterhose vom Po runtergezogen und meinen Po massiert.“ Beim Aufstehen habe sie ein Schild wahrgenommen, auf dem aufgefordert wurde, man solle „immer die Unterhose anlassen“. Da sie ihr endgültig klargeworden: Hier ist etwas ganz und gar verkehrt. Sie habe sich „schlecht und ausgenutzt“ gefühlt — und beschlossen, Anzeige zu erstatten. Über Google, als sie seinen Namen eingab, habe sie gesehen: „Da war eine Frau, der war das Gleiche widerfahren, nur noch schlimmer. Ich dachte, wenn er das bei anderen macht, dann muss etwas passieren.“

Der Prozess wird fortgesetzt.