Hamburg. CDU-Frau spricht von Heimreise-Skandal. Sie fordert: Personen sollen nicht wieder einreisen dürfen. Reisen werden am Steindamm organisiert.
Wenn Asylbewerber, die in Deutschland Schutz vor Verfolgung in ihrem Heimatland suchen, ausgerechnet wieder nach Hause reisen, um dort Verwandte zu besuchen oder Urlaub zu machen, dann löst das nicht erst seit der neu aufgeflammten Asyldebatte in der Folge der Bluttat von Solingen Empörung aus. In Hamburg sollen Reisebüros am Steindamm angeblich für Menschen aus Afghanistan Reisen an den Hindukusch organisieren, wie eine Recherche von RTL ergab.
Mehr als jeder dritte der insgesamt gut 16.000 Afghanen, die aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen über eine Aufenthaltserlaubnis in Hamburg verfügen, hat einen sogenannten Reiseausweis. So seien 5867 Reiseausweise im Umlauf, wie die Senatsantwort auf eine Kleine Schriftliche Anfrage des AfD-Fraktionsvorsitzenden in der Bürgerschaft, Dirk Nockemann, ergeben hatte.
Afghanische Asylbewerber reisen in Heimat – meist ohne Folgen
Mit dem deutschen Passersatz können anerkannte Schutzsuchende in alle Länder reisen, die die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet haben. Doch dürfen afghanische Geflüchtete laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nur im Ausnahmefall in ihr Heimatland fahren. Für Reisen zum Beispiel in den Iran oder nach Afghanistan wird ein Visum benötigt. Erkenntnisse, wie viele afghanische Asylbewerber in die Heimat reisen, habe der Senat nicht, hatte er erklärt.
Jetzt hat die frühere FDP-Frau Anna von Treuenfels-Frowein, die neuerdings für die CDU in der Bürgerschaft sitzt, nachgelegt. Sie wollte vom Senat wissen, ob die Heimat-Urlaubsreisen von afghanischen Flüchtlingen, die in Hamburg leben, irgendwelche Konsequenzen haben. „Bisher offenbar nicht“, so liest sie die Antwort des Senats und nennt das ein erschreckendes Ergebnis.
CDU: Heimaturlaubende Afghanen sollen nicht wieder einreisen dürfen
„Wenn über 5000 afghanische Flüchtlinge in Hamburg über blaue Pässe mit Heimatreise-Erlaubnis verfügen, dann wird man davon ausgehen können, dass diese Möglichkeit umfangreich genutzt wird. Dass der Senat nicht willens oder in der Lage ist, zu sagen, wie viele Menschen solche Trips unternommen haben, ist schon ein Unding für sich“, sagt die Bürgerschaftsabgeordnete. Sie fordert, nach Solingen müsse jetzt zügig sichergestellt werden, dass heimgereiste Afghanen nicht wieder einreisen können.
„Dazu muss klar sein, dass Hamburgs Ausländerbehörden solche Reisetätigkeit regelmäßig erfassen und an das BAMF melden, damit der Schutzstatus aberkannt werden kann, was natürlich auch in die Hansestadt zurückgemeldet werden muss, damit die nötigen Maßnahmen ergriffen werden“ so Treuenfels. „Ich erwarte vom Innensenator, dass er hier nicht nur nebulös von Gesprächen mit dem Bund und den Innenministerkollegen erzählt, sondern dass er umgehend den Stopp dieses Heimreise-Skandals sicherstellt.“
Theoretisch war das Prozedere bisher Folgendes: Wie der Senat mitgeteilt hatte, meldet die Bundespolizei Reisen ins Heimatland an die Ausländerbehörde. Diese Behörde leite die Information an das dafür zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) weiter, das einen möglichen Widerruf des Schutzstatus prüft. Wie oft das in Hamburg vorkommt, konnte der Senat nicht sagen.
„Die Berichte und Hinweise aus der erwähnten Dokumentation nimmt die für Migration zuständige Behörde ernst“, hatte der Senat auf Anfrage von Nockemann erklärt. Man befinde sich mit dem Bundesinnenministerium im Austausch und prüfe zusätzliche Maßnahmen, um einem möglichen Missbrauch des Flüchtlingsstatus vorzubeugen und entsprechende Fälle bestmöglich erkennen und gegebenenfalls sanktionieren zu können. Zu den Prüfkriterien des BAMF gehörten laut Smat unter anderem die Dauer der Reise, der Anlass, die Art der Einreise sowie der Ort des Aufenthaltes.
Hamburger Senat weiß nicht, wie viele Afghanen in Heimat reisen
Die Bundesregierung will jetzt als Teil des von ihr vorgestellten Maßnahmenpakets zur Verschärfung des Asylrechts hier eine Änderung vornehmen: Flüchtlinge sollen künftig ihren Schutzstatus verlieren, wenn sie in ihr Heimatland reisen. Ausnahme dafür sollen wichtige Gründe sein, etwa die Beerdigung eines Familienmitglieds.
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Allerdings hat der Senat nach eigenem Bekunden keine Kenntnis darüber, wie viele Reisen von Hamburg aus nach Afghanistan unternommen wurden. Innensenator Andy Grote sagte kürzlich der Deutschen Presse-Agentur, Reisen in das angebliche Verfolgungsland stellten natürlich auch den Schutzstatus infrage. Am Dienstag warb der SPD-Politiker dafür, abgelehnte Asylbewerber künftig nach Afghanistan und Syrien abzuschieben.
Die Reisetätigkeit afghanischer Asylbewerber von Hamburg ihre Heimat bestätigt ihn in dieser Auffassung. „Das Bestehen von sicheren Reiseverbindungen unterstützt die zuständige Behörde in ihrer Position, dass auch nach Afghanistan Rückführungen durchgeführt werden sollten, und hatte sich zuletzt auch auf Bundesebene dafür eingesetzt“, schreibt der Senat in seiner Antwort auf Treuenfels-Frowein.