Hamburg. Anhänger keiner anderen Partei so stark vertreten. Befragung zeigt auch, welchen Plattformen und Medien am meisten vertraut wird.
„Ohne Facebook gäbe es uns gar nicht“, sagte schon 2016 ein damaliger AfD-Nachwuchspolitiker und heutiger Hamburger Bürgerschaftsabgeordneter dem Abendblatt. Tatsächlich haben das Wachstum und die Wahlerfolge der AfD viel mit den sozialen Medien zu tun. Weil die Rechtspopulisten oft den klassischen Medien nicht trauen, tummeln sie und ihre Anhänger sich schon seit rund zehn Jahren mehr als alle anderen auf Plattformen wie Facebook, YouTube, Instagram, X (vormals Twitter), TikTok oder Telegram.
Das hat nun auch eine Untersuchung aus Hamburg bestätigt: Die Anhänger keiner anderen Partei sind so stark in den sozialen Medien unterwegs (und damit wohl auch: so präsent) wie die der AfD. 86 Prozent aller AfD-Wähler nutzen die einschlägigen sozialen Medien, das sind mehr als alle anderen. Dort erreichen sie auch und gerade viele junge Menschen.
Facebook und Co: Wie die AfD das Internet dominiert
So steht es im „Social-Media-Atlas 2024“, für den die Hamburger Faktenkontor-Gruppe nach eigenen Angaben im Januar und Februar 2024 insgesamt 3500 Deutsche aus allen Bundesländern in einer repräsentativen Erhebung befragte. Am zweithäufigsten sind demnach FDP-Anhänger auf Facebook und Co unterwegs (83 Prozent), es folgen die Linke und Freie Wähler (beide 82 Prozent), BSW (79), SPD, CDU/CSU und Grüne (alle 77 Prozent).
Am häufigsten genutzt werden von allen politischen Lagern WhatsApp und YouTube, es folgen Facebook, Instagram, TikTok und Pinterest. Erst danach kommen Foren, Snapchat, X (früher Twitter), LinkedIn, Telegram, Xing, Blogs, Twitsch, Discor, Signal und BeReal.
Mediennutzung: Rechte misstrauen klassischen Medien und setzen auf Internetforen
Die Ergebnisse belegen auch das Misstrauen der Menschen, die dem rechten Lager zugeordnet werden, gegenüber den klassischen Medien. Zu ihnen zählen die Verfasser der Studie Anhänger von AfD und Freien Wählern. Nur 47 Prozent von ihnen halten das Radio für eine verlässliche Quelle, beim Fernsehen sind es nur 43 und bei Zeitungen und Zeitschriften sogar nur 41 Prozent. Deutlich mehr Vertrauen haben Menschen, die im Social-Media-Atlas aufgrund ihrer Wahlpräferenzen der Rechten zugeordnet werden, in Internetforen (66 Prozent), WhatsApp (65 Prozent), BeReal (60) Telegram (59).
Auch Menschen, die dem linken Lager zuneigen (laut Studie: Anhänger von Linken und BSW), sind etwas skeptischer gegenüber klassischen Medien als diejenigen, die von den Autoren der Untersuchung zur Mitte gezählt werden. Die Abneigung der Linken gegenüber Radio, TV und klassischen Print-/und Online-Medien ist aber deutlich weniger ausgeprägt als bei den Rechten. 64 Prozent der als links charakterisierten Befragten vertrauen dem Radio, 60 Prozent dem Fernsehen und ebenfalls 60 Prozent den Print-/Online-Medienmarken.
Social-Media-Atlas: Radio, TV und Zeitungen genießen bei Wählern der Mitte das größte Vetrauen
Bei den Wählern der Mitte (laut Studie: SPD, FDP, Union, Grüne) ist das Vertrauen in die klassischen Medien am größten. 75 Prozent vertrauen dem Fernsehen, 72 Prozent dem Radio und 66 Prozent den Zeitschriften und Zeitungen. Unter den sozialen Medien genießt die Job-Plattform LinkedIn das größte Vertrauen.
„Wähler von SPD und CDU/CSU halten TV, aber auch berufliche Netzwerke für vergleichsweise vertrauenswürdig“, heißt es in der Zusammenfassung der Untersuchung. „Wähler der AfD hingegen vertrauen vor allem Informationen aus Foren, WhatsApp, Telegram und Blogs.“ Sie bevorzugten „authentische, informelle Inhalte aus nicht traditionellen Quellen“. SPD- und CDU/CSU-Wähler dagegen setzen auf „seriöse, gut recherchierte Informationen“. Auch Wähler der Grünen bevorzugten „traditionelle und gut recherchierte Quellen“.
TikTok statt Zeitung: „Spaltung der Gesellschaft zeigt sich auch in Medienlandschaft“
Die „zunehmende Spaltung unserer Gesellschaft“ zeige sich „deutlich auch in der Medienlandschaft“, sagte der geschäftsführende Gesellschafter der Hamburger Faktenkontor-Gruppe, Roland Heintze, dem Abendblatt. „So haben klassische Medien beispielsweise bei potenziellen Wählern rechts der CDU keinen guten Ruf.“
Auf diese Entwicklung müssten die Parteien mit ihren jeweiligen Wahlkampf-Strategien reagieren, sagte Heintze, der selbst in der Hamburger CDU aktiv ist, für die er bei der Bundestagswahl 2025 als Direktkandidat in Eimsbüttel antritt. „Wer Wähler aus dem populistischen Spektrum zurückgewinnen will, muss sich verstärkt Medien wie TikTok oder Foren zuwenden“, so Heintze.
Instagram, Facebook und TikTok: „Soziale Medien sind für Politik auch kein Allheilmittel“
„Die Mobilisierung der politischen Mitte hingegen erfolgt nach wie vor am besten über die klassischen Medien. Der Einsatz von Social Media ist in der politischen Kommunikation zwar populär, aber kein Allheilmittel und muss wohldurchdacht sein. Ansonsten erreicht man schnell die Falschen.“ Auch bei den Inhalten zeigten sich klare Präferenzen, völlig unabhängig vom Medium, so Heintze. „Alle Wählergruppen interessieren sich mehr für das, was ist, und das, was kommt. Und weniger für Erfolge der Vergangenheit.“
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Für die aktuelle Bundesregierung fällt die Befragung übrigens nicht gut aus. Nur 22 Prozent der Befragten waren bei der Erhebung mit ihrer Arbeit sehr oder eher zufrieden. 72 Prozent waren eher oder sehr unzufrieden mit der Ampel.