Hamburg. Allein das UKE in Hamburg benötigt 40.000 Blutkonserven im Jahr. Wie soll man an so viel Blut kommen? Alle Informationen rund ums Spenden.
Ein kleiner Piks in der linken Armbeuge und schon läuft die rote Flüssigkeit langsam in den Beutel. Für Katja aus St. Pauli ist das inzwischen Routine. Sie sitzt ganz entspannt in einem der Sessel im Blutspendemobil des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Der umgebaute Reisebus hat auf seiner jährlichen Sommertour durch Norddeutschland auf St. Pauli haltgemacht, damit Menschen unkompliziert Blut spenden können. Denn: Die Blutvorräte sind in diesem Sommer besonders knapp. Es wird dringend Nachschub gebraucht.
Seit dem 12. August tourt das Blutspendemobil durch Hamburg und Schleswig-Holstein und steht fast täglich an belebten Orten wie Einkaufszentren und Stränden – so auch am Freitag vor dem Hornbach in Eidelstedt und am Montagnachmittag vor der Rindermarkthalle in St. Pauli. Man wolle dorthin kommen, wo die Menschen sind, erzählt die Pressesprecherin des DRK-Blutspendedienstes Nord-Ost, Kerstin Schweiger.
Weniger Spenden im Sommer – knappe Vorräte in Hamburger Kliniken
Im Sommer wird weniger gespendet als in anderen Monaten. Die hohen Temperaturen, die vielen Freizeitangebote im Freien, Urlaubszeit und Sommerferien – all diese Faktoren machen sich bei den Blutspenden bemerkbar. Doch Kerstin Schweiger zufolge ist es dieses Jahr besonders schwierig: „Dass in den Ferien weniger gespendet wird, ist erwartbar. Aber wir hatten erst im Mai viele Feiertage, dadurch sind viele reguläre Termine ausgefallen. Dann war im Juni die Fußball-EM. Und nach dem Ende der EM haben direkt die Sommerferien begonnen.“
Aktuell können die Spenden noch den Bedarf der Kliniken abdecken. Die Versorgungslage ist somit zwar „angespannt, aber auf niedrigem Niveau stabil“. Es braucht jeden Tag 550 Blutspenden in Hamburg und Schleswig-Holstein, damit die Krankenhäuser ausreichend versorgt werden können. Aktuell würden jedoch nur 400 bis 450 Menschen täglich Blut spenden. Deswegen appelliert Kerstin Schweiger an die Norddeutschen, alle angeboten Termine in den kommenden Wochen unbedingt zu nutzen.
Wer überhaupt Blut spenden darf – und wer nicht
Die 50-jährige Katja, die auf St. Pauli im DRK-Bus sitzt, ist seit zwei Jahren regelmäßig bei der Blutspende. Normalerweise gehe sie dafür eher zu den Terminen am Dammtor oder im Millerntor-Stadion, erzählt sie, aber heute habe es sich mit dem Spendebus angeboten. Die 50-Jährige lebt im Karolinenviertel.
Zwischen zwei Vollblutspenden müssen bei gesunden Menschen mindestens 56 Tage liegen. Frauen können insgesamt viermal im Jahr gehen, Männer sogar sechsmal. Das DRK empfiehlt eine Terminreservierung – unabhängig davon, ob man wie Katja zum Spendebus kommt oder einen anderen Termin wahrnimmt. Im DRK-Spendemobil stehen auf dieser Tour täglich 40 Termine zur Verfügung. „Natürlich kann man auch spontan vorbeikommen, dann ist nur unter Umständen mit einer gewissen Wartezeit verbunden“, erzählt Alina Nordwald vom DRK, die die beiden Tage in Hamburg organisierte.
45 Minuten: Wie die Blutspende funktioniert
Eine Spende dauert durchschnittlich 45 Minuten. Nach der Anmeldung muss der Spender einen Gesundheitsfragebogen ausfüllen und einen kleinen Gesundheitscheck machen, bei dem die Körpertemperatur, der Blutdruck und der Hämoglobinwert im Blut gemessen werden. Im Gespräch mit einem Arzt wird dann festgestellt, ob man spenden darf. Die eigentliche Blutentnahme dauert am Ende höchstens zehn Minuten. Danach wird empfohlen, sich noch auszuruhen und etwas zu essen.
Auch Katja sitzt nach ihrer Spende vor dem Bus und isst ein Stück Kuchen. Beim Aufräumen fand sie vor einigen Jahren ihren alten Spenderausweis, den sie sich in den 1990ern ausstellen ließ. Für sie ein Anlass, wieder mit dem Blutspenden anzufangen. „Die Spende lässt sich einfach sehr gut in den Arbeitsalltag einbinden“, sagt sie. Ihre Termine bucht sie über die Blutspende-App des DRK, die sie auch darüber informiert, wann sie wieder spenden darf. Und auch ihren Spenderausweis hat sie darin inzwischen digital.
110.500 Blutspenden in Hamburg und Schleswig-Holstein
Etwa 2000 Termine bot das DRK im vergangenen Jahr in Hamburg und Schleswig-Holstein an. Männer nahmen dieses Angebot öfter wahr als Frauen. Das liegt zunächst daran, dass Männer öfter spenden dürfen. Insgesamt sammelte das DRK 2023 rund 110.500 Blutspenden.
Katjas Blutpräparat wird zusammen mit den anderen Spenden, die auf der Blutspendetour gesammelt werden, im Institut für Transfusionsmedizin in Lütjensee aufbereitet, auf Infektionskrankheiten getestet und in seine Bestandteile aufgeteilt: Blutplasma, rote Blutkörperchen und Blutplättchen. Danach können Kliniken die Präparate gegen eine Kostenvergütung vom DRK kaufen. „Kostenvergütung heißt, dass das DRK als gemeinnützige Organisation keinen Gewinn machen darf. Mit dem Geld, das wir durch die Präparate einnehmen, decken wir die Kosten, die durch die Entnahme, die Tests und die Aufbereitung entstanden sind“, erklärt Kerstin Schweiger.
Auch am UKE in Hamburg wird zu wenig Blut gespendet – was das bedeutet
Ein großer Abnehmer der Blutpräparate ist das Uniklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Im Jahr benötigt das Krankenhaus 40.000 Blutkonserven. Der Leiter des Instituts für Transfusionsmedizin am UKE, Sven Peine, begründet das mit der Größe und den Behandlungsschwerpunkten des Krankenhauses: „Wir haben eine große Notaufnahme, wir transplantieren Organe, führen zahlreiche Operationen durch und behandeln Menschen, die an Krebs erkrankt sind.“ Das seien alles Gebiete, die viele Konserven erforderten.
Um diesen Bedarf zu decken, hat das UKE eigene Blutspendedienste. 500 Spender kommen jede Woche, doch es wären 700 bis 750 nötig. Das ist nicht ungewöhnlich, kommentiert Sven Peine die aktuelle Lage. Ein Drittel der benötigten Konserven fehle dauerhaft. Aktuell würden Konserven für die nächsten drei bis fünf Tage im Voraus bereitstehen. „Sieben Tage wären deutlich besser“, sagt Peine. Alles, was die eigenen Blutspenden nicht abdecken können, kauft das UKE größtenteils vom DRK ein. Etwa 120 Euro kostet eine Blutkonserve im Sommer, der Preis variiere jedoch je nach Region und Jahreszeit.
80 Prozent der Deutschen brauchen irgendwann Blutkonserven
Blutspenden sind nur begrenzt haltbar. Das ist das Hauptproblem, darin sind sich Kerstin Schweiger und Sven Peine einig. Ein Vollblutpräparat hält etwa fünf Wochen, die Blutplättchen, auch Thrombozyten genannt, aber nur wenige Tage. „Wenn also diese Woche weniger Menschen spenden, haben wir in der nächsten Woche schon ein Problem“, sagt Kerstin Schweiger vom DRK. Mit einer Spende könne man schon drei Menschen helfen, da das Blut in seine Bestandteile aufgeteilt wird. „Aber unser Knackpunkt ist die Kontinuität.“
Das bestätigt auch Sven Peine: „Das System sieht vor, dass täglich gespendet wird.“ Aktuell machen das aber nur 3 Prozent der deutschen Bevölkerung regelmäßig. Die Wahrscheinlichkeit, dass man selbst im Laufe des Lebens einmal auf gespendetes Blut angewiesen ist, liegt allerdings bei bis zu 80 Prozent.
Blut wird knapp – was das mit dem demografischen Wandel zu tun hat
Ein akuter Blutmangel kann dazu führen, dass Krankenhäuser wie das UKE gezwungen sind, ihre Leistungen einzuschränken. Bestimmte Behandlungen würden Peine zufolge davon abhängen, dass über Wochen konstant Blut von außen vorrätig ist. Der Institutsleiter fasst es so zusammen: „Blut ist alternativlos. Es gibt kein künstliches Blut oder eine andere Flüssigkeit, die Blut ersetzen kann. Deswegen muss dauerhaft gespendet werden.“
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Zwar kommen die Kliniken derzeit mit ihren Vorräten noch über die Runden. Das könnte sich in den kommenden Jahren jedoch schnell ändern. Der Grund dafür liegt im demografischen Wandel: Ein Großteil der Spender ist über 50 Jahre alt und nähert sich dem Rentenalter. Die Wahrscheinlichkeit, im steigenden Alter selbst Blutspenden zu benötigen, wächst. Die Generation, die also gerade die Blutspendeversorgung trägt, wird demnächst selbst zu Empfängern. Um die Versorgung aufrechtzuerhalten, müssten eine kleinere Anzahl an Menschen deutlich mehr spenden. „Es ist wichtig, dass wir nachhaltig junge Menschen für die Blutspende gewinnen. Vor allem in Hamburg, wo so viele junge Leute hinziehen“, fordert Sven Peine vom UKE.
Strenge Regeln: Wer kein Blut spenden darf
Zudem würden immer mehr Gründe hinzukommen, warum jemand vorübergehend nicht spenden darf. Reisen in Malariagebiete können dazu führen, dass man mehrere Monate als Spender nicht mehr infrage kommt. 10 bis 20 Prozent der potenziellen Spender muss die Transfusionsmedizin am UKE im Jahr wegschicken. Neben Reisekrankheiten spielen auch Infektionskrankheiten in jüngster Vergangenheit eine Rolle, neue Tätowierungen oder bestimmte Vorerkrankungen. Jüngere Frauen haben zudem oft zu niedrige Eisenwerte. Doch wer einmal abgelehnt wurde, kommt meist nicht mehr wieder.
Trotzdem sollte man es versuchen, findet Katrin Schweiger. „Eine Blutspende nimmt wenig Zeit in Anspruch, und man kann mit jeder Spende bis zu drei Leben retten. Wo geht das sonst so einfach?“ Zudem sei die Spende auch eine Form der kostenlosen Gesundheitskontrolle. Seit letztem Jahr gibt es auch keine Beschränkung mehr für ältere Menschen. „Wer 18 Jahre alt und gesund ist, soll spenden“, appelliert sie an die Öffentlichkeit.
Und dann brennt es: Blutspende-Sommertour in Hamburg endet jäh
Ursprünglich hätte das Blutspendemobil des DRK bis zum 30. August noch in Süssau und in Pelzerhaken haltmachen sollen. Doch während des Aufenthalts in St. Pauli gab es einen Brand im Inneren des Busses. Das Fahrzeug ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht mehr einsatzfähig, sodass der Termin sowie die Tour vorzeitig abgebrochen werden mussten. Auch die Brandursache steht noch nicht fest. Bei dem Vorfall kam niemand zu Schaden.
Immerhin: Bei den beiden Terminen in Hamburg haben mehr als 60 Menschen Blut gespendet. Insgesamt zählt die DRK 350 Spenden für die gesamte Tour durch Norddeutschland. „Die Sommertour ist eine gute Ergänzung, um weitere Blutspenden zu sammeln und die Menschen auch in ihren Urlauben zu erreichen“, erzählt Kerstin Schweiger. Sie bedauert, die Tour abbrechen zu müssen und hofft, dass diejenigen, die ihre gebuchten Termine nun nicht wahrnehmen können, auf Alternativen ausweichen werden.
Wer helfen möchte: Hier können Sie Blut spenden
Das Wacken Open Air ruft zusammen mit dem UKE derzeit zur Blutspende auf. Die Aktion findet am 7. September von 10 bis 16 Uhr mit dem „Bikers Blood for Help Day“ mit Livemusik, Grillwürstchen und Tombola am UKE statt, wie die Organisatoren des Wacken Open Airs mitteilten. Eine Terminbuchung für den 7. September ist online unter www.terminland.de/BBFH erwünscht.
Auch an allen anderen Tagen kann am UKE Blut gespendet werden. Das UKE bietet seinen Blutspendeservice an drei Standorten an: direkt im UKE (Haus Ost 38, Martinistraße 52), im Albertinen-Haus (Sellhopsweg 18–22) und an der Universität (Von-Melle-Park 5). Je nach Standort und Wochentag kann hier zwischen 7 und 19 Uhr gespendet werden.
Der Blutspendedienst Hamburg hat vier Spendezentren an verschiedenen Stadtteilen: im Einkaufszentrum Mercado (Ottenser Hauptstraße 10) in Altona, in der Fußgängerzone (Eingang Bremer Straße, Lüneburger Straße 25) in Harburg, am Langenhorner Markt 5 in Hamburg-Nord und im Einkaufszentrum Quarree in Wandsbek (Quarree II, 3. Obergeschoss, Quarree 8-10). Von Montag bis Freitag kann man hier in der Regel ab 10.30 Uhr Termine ausmachen. In Wandsbek ist die Blutspende auch am Sonnabend möglich.
Das DRK organisiert fast täglich Termine in ganz Hamburg, die auf der Website der DRK Blutspende aufgelistet sind. Hier ein Überblick über die kommenden Termine:
- Donnerstag, 29. August: Alisea Domizil zum Appelbütteler Tal, Binnenfeld 60, 14–18 Uhr
- Freitag, 30. August: Epiphaniengemeinde, Gemeindesaal Wiesendamm 125, 15.30–19.30 Uhr
- Montag, 2. September: DRK HH-Nordost-Barmbek, 1. OG Steilshooper Straße 2, 15–19 Uhr
- Mittwoch, 4. September: Schön Klinik, Dehnheide 120, 15–19 Uhr
- Freitag, 6. September: DRK-Kreisverband, Allermöher Deich 437, 15–19 Uhr