Hamburg. Künstliche Intelligenz soll Hamburger Mediziner entlasten. Neues System an Patientenfällen getestet – so funktioniert es.
Klinikärztinnen und -ärzte sind notorisch überlastet, und die Anforderungen der Bürokratie beanspruchen immer mehr Zeit. Deshalb soll die künstliche Intelligenz (KI) die Mediziner am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) jetzt bei der Erstellung von Arztbriefen unterstützen, die Patienten am Ende ihrer Krankenhausbehandlung erhalten. Der Einsatz des KI-Sprachmodells „Argo“ soll die Patientenversorgung im UKE weiter verbessern und die Mitarbeitenden im klinischen Alltag entlasten, teilte die Klinik am Dienstag mit.
„Künstliche Intelligenz kann die medizinische Versorgung durch Ärztinnen, Ärzte und Pflegende keineswegs ersetzen, aber bestmöglich ergänzen“, sagte Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne). Der Start des neuen KI-Sprachmodells zeige das große innovative Potenzial digital unterstützter Medizin. „Das UKE leistet hiermit einen wichtigen Beitrag zum Ausbau einer modernen medizinischen Infrastruktur, von der langfristig auch andere Einrichtungen weit über den Hamburger Standort hinaus profitieren werden.“
UKE lässt jetzt Arztbriefe mithilfe von KI erstellt
Aber wie funktioniert das Ganze? Im Fokus des neu entwickelten Large Language Models (LLM) steht die KI-generierte Unterstützung bei der Erstellung der sogenannten Epikrise in Arztbriefen, in der neben dem Aufnahmegrund auch Behandlungsverlauf und -entscheidungen erläutert werden. Auf Basis der gebündelten Informationen, die „Argo“ gelernt habe und aus dem aktuellen Patientenfall erhält, könne das Modell den Entwurf dieser Epikrise erstellen.
Die Epikrise schildert üblicherweise Krankheitsverlauf, Diagnose, Behandlung und weitere Therapievorschläge. Die behandelnde Ärztin oder der Arzt passen diesen Entwurf dann weiter an, bevor er den vorgeschriebenen stationären Freigabeprozess durchläuft. Mit anderen Worten: KI hilft, schreibt aber den Arztbrief nicht allein. Das neue KI-Sprachmodell ist nach einer Testphase im Live-Betrieb und wird jetzt sukzessive den Kliniken im UKE zur Verfügung gestellt.
Grundlage für die Entwicklung des Sprachmodells ist die 2009 eingeführte digitale Patientenakte des UKE, die mit sieben Millionen Fällen eine der größten deutschsprachigen multidimensionalen Sammlungen medizinischer Datensätze bereithält, wie die Klinik mitteilt. UKE-Chef Christian Gerloff nannte die Entwicklung des KI-Sprachmodells zur Erstellung von Arztbriefen „ein wunderbares Beispiel für den Facettenreichtum von Universitätsmedizin“.
UKE: KI wurde an echten Patientenfällen trainiert
Das Sprachmodell wurde an Patientenfällen aus dem UKE trainiert. „Der jeweilige Krankheitsverlauf der Patientinnen und Patienten wird umfassend und gleichzeitig individualisiert abgebildet und mit gelerntem klinischen Wissen verbunden“, erläuterte Nils Schweingruber, Geschäftsführer der gemeinnützigen UKE-Tochtergesellschaft „Innovative Digitale Medizin“ (IDM gGmbH), die „Argo“ entwickelt hat. „Unsere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zeigen, dass ,Argo‘ Behandlungsverläufe von Patientinnen und Patienten verstehen und im Modell repräsentieren kann. Dadurch kann ,Argo nicht nur Entlassbriefe schreiben. Diese Technologie gibt uns die Möglichkeit, verschiedenste Aufgaben in ,Argo‘ einzubauen, die für unsere Patientinnen und Patienten sowie die behandelnden Kolleginnen und Kollegen einen echten Mehrwert bieten“, ergänzte Julius Obergassel, ebenfalls Geschäftsführer der IDM gGmbH.
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Schwerpunkt der neu gegründeten IDM ist die Entwicklung von KI-Anwendungen für den klinischen Alltag, die künftig auch anderen Kliniken und Forschungseinrichtungen deutschlandweit zur Verfügung gestellt werden sollen. Das UKE hat kürzlich mitgeteilt, dass es im Jahr 2024 voraussichtlich ein Defizit von 60,4 Millionen Euro aufweisen wird.