Hamburg. Rieser Tank im Untergeschoss lief aus. Die Folgen für die exzellente Klimaforschung an der Universität und warum die Stadt klagen will.
Es gilt längst als „Elbphilharmonie von Eimsbüttel“, doch bisher gibt es für das neu entstehende Haus der Erde für Hamburgs Spitzenforscher kein Happy End. Nach jahrelangen Bauverzögerungen muss die Inbetriebnahme des Gebäudes an Bundesstraße und Beim Schlump erneut deutlich nach hinten verschoben werden. Der Grund: Ein millionenteurer Wasserschaden im zweiten Untergeschoss, über den das Abendblatt bereits berichtete. „Das ist ein bitterer Rückschlag“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) am Freitagvormittag auf der Baustelle.
Der durchweichte Boden – rund 700 Kubikmeter – muss vollständig ausgekoffert und neuer eingebaut werden. Die Übergabe an die Universität Hamburg werde sich „um mindestens ein Semester“ verzögern, so Dressel. Die Stadt werde alles daran setzen, die Mehrkosten in einer zweistelligen Millionenhöhe von den ausführenden Baufirmen zurückzubekommen.
Universität Hamburg: Haus der Erde noch einmal deutlich später fertig
Das Atrium im Kern des Gebäudes ist lichtdurchflutet. Manche Flächen sind zum Schutz noch abgeklebt, doch die umliegenden Büros im sechsten Stock sehen bereits bezugsfertig aus. Eigentlich. 400 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sowie rund 2000 Studierende aus dem Exzellenz-Cluster der Klima- und Erdsystemforschung warten ungeduldig darauf, die Büros, Seminarräume und rund 300 Laborräume in Besitz zu nehmen. Doch das Haus der Erde hat eine ähnlich lange Geschichte von Rückschlägen beim Bau wie die Elbphilharmonie. Und die Kosten, ursprünglich mit 177 Millionen Euro beziffert, stiegen im Laufe der Zeit auf 340 Millionen Euro zuzüglich eines Puffers. Am Freitag gab Finanzsenator Dressel die Kosten nun mit 425 Millionen Euro an – und das ohne die Folgen des Wasserschadens.
Es war im April dieses Jahres, die Arbeiten zur Vorbereitung der Inbetriebnahme liefen bereits, als im zweiten Untergeschoss ein riesiger Tank der Sprinkleranlage befüllt wurde. Er fasst 200.000 Liter Wasser. Nach zwei Tagen fiel auf, dass Wasser auslief – nicht von außen sichtbar, doch der Untergrund war durchfeuchtet. Die Stadt macht dafür eine „fehlerhafte Bauausführung“ verantwortlich. Nach Schätzungen liefen mindestens 40.000 Liter Wasser aus. „Diese Nachricht war ein ziemlicher Schock für uns alle“, sagte Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne).
Haus der Erde: Boden muss bis zu 2000 Quadratmetern wieder rausgerissen werden
Schnell habe das Gebäudemanagement Hamburg (GMH), das das Haus der Erde für die Stadt baut, Maßnahmen getroffen, um das weitere Auslaufen zu verhindern, habe mit der Beweissicherung begonnen, einen Gutachter beauftragt, um festzustellen, ob der Boden getrocknet werden kann. Doch das ist nicht möglich. Der Rückbau und komplette Neuaufbau des Bodens ist auf einer Fläche von 1500 bis 2000 Quadratmetern erforderlich.
Mit dem Bau des Hauses der Erde war 2015 begonnen worden, es sollte ursprünglich bereits im Jahr 2019 an die Universität für die international angesehene Klima- und Erdsystemforschung übergeben werden. Doch schon der erste für die Lüftungs- und Klimatechnik verantwortliche Auftragnehmer machte nach Darstellung der Stadt massive Fehler. Der Eröffnungstermin verzögerte sich immer weiter. Zuletzt war die Übergabe für Anfang 2025 vorgesehen; die Spitzenwissenschaftler sollten das Sommersemester im April 2025 im neuen Gebäude starten. Nun wird es mindestens Herbst. „Aber final garantieren können wir das nicht“, so Dressel. Man hoffe, dass man beim Aufreißen des Bodens keine weiteren Schäden finde.
Allein Betrieb der Baustelle kostet eine Million Euro – im Monat
Warum der Wasserschaden im Keller die Inbetriebnahme des ganzen Gebäudes verzögert, lässt sich auch an den Bauplänen sehen. Die massiv durchfeuchtete Sprinklerzentrale liegt direkt neben der technischen Betriebszentrale, die den sicheren Betrieb des ganzen Hauses gewährleisten muss. Zudem ist ohne Sprinklerzentrale keine Brandschutzsicherheit gegeben – und ohne diese kann das Haus nicht in Betrieb gehen, wie GMH-Geschäftsführer Jens Kerkhoff erläuterte.
Welche Mehrkosten fällig werden, lasse sich noch nicht beziffern, da das Ausmaß des Schadens letztlich erst deutlich wird, wenn man den Boden großflächig aufgemacht habe. Aber allein der Betrieb der Baustelle koste für jeden Monat eine Million Euro, so Dressel. Sicher ist, dass die Gesamtsumme auf einen zweistelligen Millionenbetrag hinauslaufe.
Gegen die bauausführende bzw. -planende Firma will die Stadt nun juristische Schritte einleiten. Vermutet wird „eine fehlerhafte Bauausführung des Tanks“; es gebe „erste Anhaltspunkte für Verschulden“ von am Bau Beteiligten. Parallel zur Beweissicherung wolle man aber nicht weitere Gutachten abwarten, sondern das Gebäude so schnell wie möglich fertigstellen. Die Vorbereitung und sogar Einrichtung der Räume für den Betrieb geht, wo möglich, indes weiter.
Hamburgs exzellente Klimaforscher: „Wir wollen hier rein“
„Wir wollen hier rein“, sagte denn auch Prof. Norbert Ritter, Dekan der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften. Bisher sind die Forscher nicht nur im benachbarten Geomatikum („Rahmenbedingungen werden immer moderater“), sondern an zahlreichen weiteren Standorten in der Stadt untergebracht. An der Exzellenz dieses Forschungsbereichs änderten die Bauprobleme aber nichts. „Die Exzellenz ist nicht in Gefahr“, versicherte auch Katharina Fegebank. Da gehe es um Köpfe, nicht um Gebäude.
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Die Stadt will aus der Pannenserie ihre Lehren ziehen. „Das Gebäude ist durch mehrere perfekte Stürme gegangen“, sagte Dressel. Erst gab es fehlerhafte Planungen, dann kam Corona, schließlich der Ukrainekrieg, der die Baukosten erheblich steigen ließ. Gegen die Planer klagt die Stadt ebenfalls in vier Fällen, in einem Verfahren hat sie bereits recht bekommen.
Haus der Erde: Bauzeit so lang wie bei der Elbphilharmonie
Der Bund der Steuerzahler hatte schon im vergangenen Jahr von einem „schlechten Witz“ gesprochen. „Inzwischen beträgt die Bauzeit des Hauses der Erde die der Elbphilharmonie“, so die damalige Landesvorsitzende Petra Ackmann. „Dass die Baukosten inzwischen aber die Hälfte des Konzerthauses erreicht haben, macht deutlich, dass der Senat solche Projekte nicht kann.“
Dressel kündigte an: „Für den weiteren Hochschulbau haben wir schon Lehren gezogen und werden weitere ziehen: Das große Bauvolumen der nächsten Jahre und Jahrzehnte werden wir nur mit deutlich weniger Komplexität und deutlich mehr Standardisierung und Modularisierung bewältigen können.“