Hamburg. Opposition sieht Parallelen zu Bauzeit und Kosten der Elbphilharmonie. Hamburger Senat klagt gegen vier Bau-Planer.

„Haus der Erde“ – das klingt nach einer vielversprechenden Einrichtung für eine Exzellenzuniversität wie die in Hamburg. Die Klimaforscher und Geowissenschaftler sollen hier künftig zwischen Uni-Campus und Schlump ein Zuhause haben. Und von diesem Attribut muss das Haus der Erde seit Jahren leben: vielversprechend. Versprochen wurde eine Errichtung bis zum Jahr 2019, ein Kostenrahmen von 177 Millionen Euro. Versprochen wurde nach ersten Kostensteigerungen, dass es dabei bleibe – und versprochen wurde nach Planungsmängeln und juristischen Auseinandersetzungen ein Neuanfang des gesamten Prestigeprojekts.

Nun werden Ausgaben von bis zu 425 Millionen Euro aufgerufen. Einziehen werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mitsamt den Studierenden wohl Anfang 2025. Es ist nicht das einzige Desaster bei neuen Hochschulbauten in Hamburg: Hinzu kommen erhebliche Probleme mit dem neuen MIN-Forum, der Sanierung des Phil-Turms und eine Posse um den mit Naphthalin belasteten „Pferdestall“ am Allendeplatz. Dabei hat womöglich ein komplexes Projektmanagement zwischen Wissenschafts- und Finanzbehörde sowie der Sprinkenhof GmbH sowie dem Gebäudemanagement Hamburg (GMH) einen Anteil an den Ursachen für das Bau-Desaster der öffentlichen Hand.

Universität Hamburg: Haus der Erde kostet bis zu 425 Millionen Euro

Der Bund der Steuerzahler sieht angesichts der Entwicklungen an der Uni und der geplanten U-Bahnlinie U5 sogar das Vertrauen der Bürger in den Senat und seine Zahlen zu den Bauprojekten untergraben. „Die Baukostensteigerung lässt sich nicht verhindern. Mit den steigenden Preisen kämpfen auch private Investoren. Der Unterschied ist nur, dass hier der Steuerzahler die Zeche für die Planungspannen zahlt“, so die Landesvorsitzende Petra Ackmann. „Inzwischen beträgt die Bauzeit des Hauses der Erde die der Elbphilharmonie. Schon das allein klingt nach einem schlechten Witz. Dass die Baukosten inzwischen aber die Hälfte des Konzerthauses erreicht haben, macht deutlich, dass der Senat solche Projekte nicht kann.“

Die Opposition nimmt die Steilvorlage aus den Uni-Großprojekten gerne auf. Von einem „massiven Kostendesaster zu Lasten der Hamburger Steuerzahler“ spricht der CDU-Abgeordnete Thilo Kleibauer. Die zusätzlichen Mehrkosten in der Endphase des Vorhabens seien „nicht nachvollziehbar und ein Totalversagen des Senats in der Steuerung großer Bauprojekte“, sagt er. „Im Bau-Monitoring vor einigen Monaten war die Kostenampel bei diesem Neubau noch auf Grün gesetzt. Dass der Finanzsenator nun kurz danach Kostensteigerungen in dieser Größe beiläufig als Randnotiz schönreden will, ist unfassbar.“ Das Controlling bei großen Bauvorhaben müsse „endlich schnell und wirksam verbessert werden“.

Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg als Ausrede?

Norbert Hackbusch (Linke) sagte, beim Haus der Erde sei wegen der Kostensteigerungen schon im Jahr 2020 den Bürgerschaftsabgeordneten ein sorgfältiger Planungsprozess und vorausschauendes Handeln versprochen worden. „Jetzt ist klar: Das waren beides nur hohle Sprechblasen.“ Finanzsenator Andreas Dressel und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank müssten Rechenschaft ablegen. „Denn schon damals wurde deutlich, dass es wesentliche Planungsfehler in der Wissenschaftsbehörde gegeben hat, die der Finanzsenator durch entsprechende Planungskapazitäten in der GMH ausgleichen wollte“, sagt Hackbusch. Das sei offensichtlich nicht passiert.

Der AfD-Abgeordnete Alexander Wolf erklärte, mangelhafte Planung habe zu den Mehrkosten beim Haus der Erde geführt. „Und als Ausrede muss dann einmal mehr der Ukraine-Krieg herhalten. Grün-Rot kann es einfach nicht.“

Haus der Erde: Schon erster Auftragnehmer mit Planungsfehlern

Vom sogenannten kostenstabilen Bauen spreche Rot-Grün seit Jahren, sagte die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein. Aber: „Die traurige Realität prägt das Gegenteil: Vom Köhlbrandtunnel über das CCH bis jetzt zum Haus der Erde explodieren immer wieder die Kosten, werden Planungs- und Bau-Zeitpläne gerissen.“ Es sei eine Ausrede, das auf allgemein gestiegene Baukosten und schwer verfügbare Fachkräfte zu schieben.

Das Haus der Erde für die international angesehene Klima- und Erdsystemforschung sollte 2019 an die Universität übergeben werden. Doch schon der erste für die Lüftungs- und Klimatechnik verantwortliche Auftragnehmer machte nach Darstellung der Stadt massive Fehler.

So seien die hohen Anforderungen an die Temperaturkonstanz der Forschungsräume nicht ausreichend berücksichtigt worden, ebenso wie der notwendige Weiterbetrieb der Laborlüftung im Brandfall, eine Sprinkleranlage fehlte, und es habe „gravierende“ Planungsmängel bei der Gasversorgung der Labore gegeben, erklärte der rot-grüne Senat im Herbst 2020 in einer Drucksache an die Bürgerschaft. Die Projektkosten stiegen von 177 auf 303 Millionen Euro. Und statt 2019, wie ursprünglich mal geplant, sollten Studierende und Lehrende erst 2024 in den Neubau einziehen.

Hamburger Senat: Noch vier Klagen vor dem Landgericht

Einem 2017 mit der Überarbeitung der Planung beauftragten Unternehmen hatte die Stadt wegen Leistungsverweigerung gekündigt und die Firma auf Schadenersatz verklagt. Vor dem Landgericht bekam die Stadt im Juli 2020 recht. „Die hiergegen von dem Planungs- und Baubeteiligten eingelegten Rechtsmittel beim Oberlandesgericht Hamburg und dem Bundesgerichtshof waren erfolglos“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) am Mittwoch. Zurzeit führe die Stadt beim Landgericht vier weitere Klagen gegen ehemalige Planungs- und Baubeteiligte, „um feststellen zu lassen, dass diese uns wegen Planungsmängeln und wegen der verzögerten Fertigstellung des Gebäudes Schadensersatz schulden“, so Dressel.

„Wir werden um jeden Euro zugunsten der Steuerzahler kämpfen, den wir zurückholen können.“ Wie hoch die Schadensersatzansprüche seien, könne in allen Fällen aber erst nach Fertigstellung des Gebäudes gesagt werden.

Die jüngste, am Dienstag bekannt gegebene Verteuerung und Verzögerung führen Dressel (SPD) und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) auf Folgen der Corona-Pandemie und des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zurück. Ausgewirkt habe sich dies insbesondere auf die Zulieferung von Komponenten für die Elektroinstallation und auf die geplante Laborausstattung des Gebäudes.

Katharina Fegebank weist Vorwurf der Planungsfehler zurück

Die von den Auswirkungen des Krieges besonders stark betroffene Baubranche leide unter so extremen Preissteigerungen, dass beim Haus der Erde mit Mehrkosten von 55 bis 85 Millionen Euro zu rechnen sei. Zusätzlich sei davon auszugehen, dass die Zinswende zu erheblich gestiegenen Finanzierungskosten führen werde.

„Die zusätzlich eingebauten Finanzierungspuffer können das leider nicht abdecken“, erklärten Dressel und Fegebank. „Das ist bitter, aber leider nicht vermeidbar. Wir werden jetzt, wie im Vertrag vorgesehen, zwischen den Projektbeteiligten einen einvernehmlichen Weg der Kostentragung ausloten.“ Die Inbetriebnahme sei nun für Dezember 2024 geplant, also noch einmal sechs Monate später.

Die Kritik des Linken-Abgeordneten Norbert Hackbusch, es habe „wesentliche Planungsfehler in der Wissenschaftsbehörde“ gegeben, wies Fegebanks Behörde zurück. Für die Verzögerungen bis 2020 seien Planungsmängel privater Firmen verantwortlich, für die gestern mitgeteilten Verzögerungen und Verteuerungen Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs. Andreas Dressel sieht das genauso.

Universität Hamburg: Exzellenzstrategie geht weiter

Nach Darstellung der Universität Hamburg haben die Verzögerungen beim Haus der Erde „keine Auswirkungen auf die Planungen für Forschung und Lehre“. Mit Blick auf die kommende Runde des Förderprogramms Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder sei die Hochschule auf einem „sehr guten Weg“. Die Gutachter beurteilten „vorrangig wissenschaftliche Spitzenleistungen“. Die vier bestehenden Exzellenzcluster – darunter das Cluster für die Klimaforschenden – haben laut Uni Hamburg „alle Infrastrukturen, die sie brauchen“.

Das Desaster beim Haus der Erde ist nicht das einzige bei neuen Hochschulbauten in Hamburg. Wie Fegebank im September 2022 mitgeteilt hatte, wird das MIN-Forum, die neue Heimat der Fachbereiche Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften unweit des Hauses der Erde, mit knapp 270 Millionen Euro gut 100 Millionen Euro teurer und drei Jahre später übergeben als geplant – nämlich 2026 statt 2023. Dabei handelt es sich nur um die reinen Baukosten. Wie die Finanzbehörde auf Nachfrage bestätigte, steigen die Gesamtprojektkosten, also inklusive Finanzierung, von 182 auf 285 Millionen Euro.

Zur Begründung erklärte das städtische Unternehmen GMH, das mit der Realisierung beauftragt ist, ist der Großteil der Mehrkosten von gut 90 Millionen Euro sei darauf zurückzuführen, dass der Bau sich „in ein Zeitfenster mit unerwartet hohen Preissteigerungsraten und einer hoch ausgelasteten Bauwirtschaft“ verschoben habe.