Hamburg. Neue Impfung schützt vor schweren Verläufen. Doch Kinderärzte sollen dafür kein Honorar bekommen. Schlimme Welle befürchtet.

Große Wellen von RSV-Erkrankungen haben Hamburgs Kinder in den vergangenen Wintern erfasst. Die schiere Zahl der Infektionen, die zu schweren Atemwegsproblemen führen können, brachte das Gesundheitssystem fast an den Rand seiner Kapazitäten. Nun gibt es eine gute Nachricht – an sich: Eine passive Immunisierung der Kinder mit Antikörpern nur einmal zu Beginn einer Saison kann sie vor schweren Verläufen einer tief sitzenden Bronchitis mit Sauerstoffbedarf oder sogar Lungenentzündung schützen, die sie bisher häufig ins Krankenhaus führten.

Doch zwischen Kinderärzten und Krankenkassen gibt es Streit: Die Mediziner sollen für die Immunisierung nicht bezahlt werden. So ist der flächendeckende Schutz in Gefahr.

Kinderärzte Hamburg: RS-Virus bei Kindern – scheitert Impfung am Geld?

Besonders junge Säuglinge und vorerkrankte Kinder sind durch das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) gefährdet. Entsprechend empfahl die Stiko kürzlich, Kinder zu Beginn ihrer ersten RSV-Saison – oder wenn sie zwischen September und März zur Welt kommen, sofort nach der Geburt – zu immunisieren. „Es ist ein großer Fortschritt, dass wir die Möglichkeit haben, besonders vulnerable Kinder vor schweren Verläufen zu schützen“, sagt Claudia Haupt, Vorsitzende des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte Hamburg.

Das Problem: Die Verabreichung wird als Medikamentengabe eingestuft, nicht als Impfung, obwohl der Wirkstoff mit dem monoklonalen Antikörper Nirsevimab per Spritze injiziert wird. Dieser feine Unterschied hat Folgen, denn für die Verabreichung von Medikamenten bekommen die Medizinerinnen und Mediziner kein Honorar. „Die Kinderärzte müssen eine ganze Geburtenkohorte in einem eng begrenzten Zeitfenster in die Praxen bekommen; sie müssen den Wirkstoff lagern, die Eltern beraten, die Spritzen aufziehen, die Kinder impfen und das Ganze dann dreifach dokumentieren“, sagt Charlotte Schulz, Sprecherin des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte Hamburg. Das betrifft rund 22.000 Kinder, die im Jahr in Hamburg geboren werden. Für Schulz ist die Unterscheidung zwischen Medikamentengabe und Impfung an dieser Stelle „eine Haarspalterei“.

Hamburger Kinderärztin befürchtet schlimme Saison: „Ich bin in Sorge“

Die Aufgabe sei zeitaufwendig, könne aber nicht geleistet werden, wenn die Praxen dafür keinerlei Geld bekämen. „Ich bin sehr in Sorge, dass wir das nicht hinbekommen und viele der Kinder, für die eine Immunisierung wichtig wäre, nicht erreichen und sie wieder in eine schlimme Saison rutschen“, sagt Kinderärztin Haupt. Viele schwere Verläufe wären vermeidbar.

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Der Gemeinsame Bundesausschuss sieht sich nicht in der Verantwortung. Und aus dem Bundesgesundheitsministerium verlautet, die RSV-Impfung sei in der Versichertenpauschale der Patienten enthalten. Dies ist schwer nachvollziehbar, da diese Pauschale von rund 25 Euro pro Quartal für kurative Leistungen, also die Versorgung von Krankheiten bezahlt wird. Vorsorge- und Präventionsleistungen hingegen sind darin nicht enthalten. Es ist aus Sicht der Kinder- und Jugendärzte unstrittig, dass es sich bei der vorbeugenden Immunisierung gesunder Säuglinge um eine präventive Maßnahme handelt.

Kinderärzte Hamburg: S-Virusinfektion erwischt Kinder nach Corona mit Macht

Zwei Monate vor der Saison sei die Situation in der Schwebe, weil weder die Ärzte in den Krankenhäusern noch in den Praxen wissen, wie es weitergeht. Aber, so Kinderärztin Haupt: „Ohne Vergütung werden wir das nicht leisten können.“ Das betrifft nicht nur die 220 niedergelassenen Kinderärzte in 75 Praxen in Hamburg, sondern auch die Geburtsstationen, die ebenso tätig werden sollen.

Nach der Corona-Pandemie hatten die RS-Virusinfektionen viele Kinder in den vergangenen zwei Jahren in einer Art Nachholeffekt mit großer Macht erwischt. Das Immunsystem gerade kleinerer Kinder hatte wegen der Kontaktbeschränkungen noch keine Bekanntschaft mit dem Virus machen können. Überproportional viele stationäre Behandlungen waren nötig. Im vergangenen Jahr traf die RSV- dann auf die Grippewelle. Manche pädiatrische Praxen, Kinder-Notaufnahmen und -kliniken standen vor dem Kollaps.