Hamburg. Versorgung im Kinder-UKE aber sichergestellt, sagt Intensivmediziner. Kinderärzte sehen so viele spezielle Lungenentzündungen wie nie.
- Die Influenza grassiert in Hamburg
- Welle von Erkrankungen mit RS-Viren bereits abgeflaut
- Erhöhtes Risiko für Neugeborene, Kleinkinder und Kinder mit Vorerkrankungen
Eine Grippewelle hat Hamburgs Kinder erfasst. In diesen Wochen grassiere die Influenza in der Hansestadt, berichten die beiden Kinderärztinnen Claudia Haupt und Charlotte Schulz. „Wir sehen derzeit viele Fälle. Vielfach haben die Kinder fünf bis sieben Tage Fieber, sie sind wirklich sehr krank“, so Charlotte Schulz. Dazu kämen nicht selten ein schmerzhafter, trockener Reizhusten, teilweise mit Beteiligung des Kehlkopfes und Krupp-Anfällen und bisweilen mit einer Mittelohr- oder einer Lungenentzündung, so Claudia Haupt. Die Welle von Erkrankungen mit RS-Viren sei dagegen bereits abgeflaut.
„Im Kinder-UKE des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) haben wir im Laufe der Wintersaison einige wenige schwerer verlaufende RSV-Infektionen von kleinen Kindern behandelt“, sagt Prof. Dr. Dominique Singer, Leiter der Sektion Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin des UKE, jetzt auf Abendblatt-Anfrage. „Wir konnten allerdings eine auffällige Häufung von Influenza-Infektionen, die zum Teil mit schweren Verläufen einhergingen, verzeichnen. Diese teilweise auch bei nicht vorerkrankten Kindern“, berichtet Singer, der jedoch versichert: „Die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit akuten Atemwegsinfektionen ist im Kinder-UKE derzeit sichergestellt.“
UKE-Kinderärzte raten zur Impfung besonders in diesen Fällen
Vor allem Neugeborene, Kleinkinder und Kinder mit Vorerkrankungen der Lunge oder mit anderen chronischen Erkrankungen hätten ein erhöhtes Risiko, schwer zu erkranken. Eine Immunisierung gegen das RS-Virus wie auch eine Grippe-Impfung sei daher in diesen Fällen dringend empfehlenswert. Eltern sollten bei Anzeichen einer Infektion der oberen Luftwege frühzeitig einen Kinderarzt beziehungsweise eine Kinderärztin aufsuchen, um überprüfen zu lassen, ob eine RSV-Infektion oder Influenza vorliege, lautet die Empfehlung aus dem UKE. Vor allem Familien mit Früh- und Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern sollten die bisher geltenden Hygienemaßnahmen weiter einhalten, um eine Ansteckung zu vermeiden.
Zudem gab es zuletzt bei Kindern in der Hansestadt noch ein anderes Krankheitsphänomen: „Wir sehen derzeit in ganz Hamburg eine nie da gewesene Häufung von Mykoplasmen“, sagte Kinderärztin Haupt. Das sind Erreger, die biologisch zwischen Bakterien und Viren rangieren. Sie können eine atypische Lungenentzündung verursachen, wenn sie die unteren Atemwege erreichen. „Es ist wie eine Epidemie. So viele Mykoplasmen-Lungenentzündungen habe ich so noch nie erlebt.“
Gesundheit in Hamburg: Erkrankung schwer zu diagnostizieren
Das Problem: Es handelt sich um eine sich über viele Tage anschleichende Lungenentzündung, die schwer und erst spät zu diagnostizieren ist. Zunächst sind die Bronchien betroffen, was oft mit Bronchialverengungen einhergeht, dann legen sich die Erreger allmählich auf die Lunge. „Man hört beim Abhorchen zunächst nur, dass das Atmen etwas unsauber oder abgeschwächt ist. Erst so um den sechsten Tag können wir hören, dass in den Lungenbläschen Flüssigkeit ist“, sagte Charlotte Schulz.
Mykoplasmen machen gewöhnlich gar nicht so hohes Fieber. „In diesem Jahr haben viele der erkrankten Kinder hohes Fieber“, so Schulz. Auch seien vermehrt jüngere Kinder von drei oder vier Jahren betroffen. Auch Schulen warnen die Eltern vor der „Mycoplasma pneumoniae“. Die Kinderärztinnen stellten fest, dass es in diesem Jahr eine Häufung von Mykoplasmen gebe, so, wie es im vergangenen Jahr eine Häufung von Streptokokken-Infekten gab. „Insofern erleben wir immer noch die Folgen der Corona-Pandemie“, sagt Claudia Haupt. Es handle sich um Nachhol-Infekte, da viele Kinder – wie auch die Erwachsenen – durch den Schutz vor Coronaviren auch andere Erreger seltener bekamen.
Grippe, Mykoplasmen, RSV: Was Kinderärztinnen raten
Antibiotika seien – anders als in den Vorjahren – noch ausreichend da. Allerdings eigneten sich für die Behandlung von Mykoplasmen nur wenige bestimmte Antibiotika, und da müssten die Kinderärztinnen schon häufiger viel herumtelefonieren, um sicherzustellen, dass diese für ihre kleinen Patienten zur Verfügung stünden.
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Die RSV-Infektionswelle erreichte deutschlandweit Ende Januar mit knapp 4500 gemeldeten Fällen pro Woche ihren aktuellen Höchststand für die laufende RSV-Saison. In Hamburg kam anders als im Vorjahr, als der Höhepunkt von RSV gleichzeitig mit dem Höhepunkt der Grippewelle erreicht wurde, die Influenza in diesem Jahr erst, als RSV bereits seltener auftrat. Darüber hinaus gebe es neben Grippe noch immer viele Corona-Fälle bei Kindern, allerdings nicht mit schweren Verläufen.
Bei anhaltendem Fieber und sehr hartnäckigem Husten oder Atembeschwerden raten die Medizinerinnen Eltern, ihre Kinder beim Kinderarzt vorzustellen. Für dieses Jahr ist eine Grippeschutz-Impfung etwas zu spät, sie ist aber für das kommende Jahr – bei gesunden Kindern – unbedingt zu empfehlen, sagen Claudia Haupt und Charlotte Schulz.