Hamburg. 4487 Euro pro Quadratmeter: Baupreise sind seit 2016 extrem gestiegen. Was das für Hamburgs zweitgrößtes Bauvorhaben bedeutet.

Es ist eines der größten Hamburger Stadtentwicklungsprojekte: In Oberbillwerder im Bezirk Bergedorf soll auf der grünen Wiese bis in die 2040er-Jahre ein ganz neuer Stadtteil entstehen, mit rund 7000 neuen Wohnungen, bis zu 5000 neuen Arbeitsplätzen und gut 15.000 Einwohnern. So jedenfalls lautet der Plan des Senats bisher. Nun aber sind die Baukosten seit Start des Projekts im Jahr 2016 drastisch gestiegen, das musste der Senat jetzt in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage des Linken-Bürgerschaftsabgeordneten Stephan Jersch mitteilen, die dem Abendblatt exklusiv vorliegt.

Demnach hatte die Stadt 2016 noch mit Herstellungskosten von durchschnittlich 2727,87 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche für Bauvorhaben gerechnet. Nach den jüngsten Schätzungen aus dem dritten Quartal 2023 aber geht der Senat mittlerweile von 4487,45 Euro aus. Das entspricht einem Anstieg von fast 65 Prozent bei den Baukosten. Hinzu kommt, dass die Kosten aufgrund der allgemeinen Entwicklung wohl seit Herbst 2023 weitergestiegen sein dürften.

Immobilien Hamburg: Gestiegene Baukosten verteuern auch das Wohnen deutlich

Dabei bewegt sich auch dieses Hamburger Vorzeigeprojekt innerhalb der zuletzt so schwierigen Entwicklung am Baumarkt. Die Folge der gestiegenen Baupreise: Auch die Quadratmeterpreise bei Kauf oder Miete explodieren durch die Baukosten. „Der massive Anstieg des Quadratmeterpreises in Oberbillwerder ist die Folge der Verteuerung der Baumaterialien und der Zinsen“, sagte Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), dem Abendblatt. „Hochgerechnet auf eine Miete muss der Bauherr, wenn die Wohnung nicht öffentlich gefördert wird, eine monatliche Nettokaltmiete von 18 bis 20 Euro pro Quadratmeter kalkulieren, um wenigstens eine schwarze Null zu schreiben.“

Wenn die Stadt das Projekt öffentlich fördere, würden „bis zu zehn Euro pro Quadratmeter notwendig“, so Breitner. „Das ist eine sehr große Fördersumme, die auf viele Jahrzehnte den öffentlichen Haushalt der Stadt belasten wird. Um die Auswirkungen der massiven Baupreissteigerungen in Oberbillwerder zu begrenzen, muss hier einfach, kostengünstig, am besten mit in serieller Fertigung erstellten Modulen gebaut werden“, fordert der Verbandschef und fragt: „18 Euro netto kalt: Wer kann sich das leisten?“

Immobilien Hamburg: Linke fordert Stopp des Projekts Oberbillwerder

CDU, Linke und Naturschützer hatten das Projekt zuletzt immer wieder kritisiert, auch wegen der damit einhergehenden Versiegelung bisheriger Grünflächen. Die Linke fordert angesichts der extrem stark gestiegenen Baukosten nun erneut den Stopp des Vorhabens.

„Wie auf diese Weise bezahlbarer Wohnraum entstehen kann, ist nicht erklärbar“, sagte der Bergedorfer Linken-Bürgerschaftsabgeordnete und Umweltpolitiker Stephan Jersch dem Abendblatt. „An der A1 Neuland kann man sehen, was vorauseilende Umweltvernichtung anrichtet: Genauso wie jetzt für Oberbillwerder geplant, wurde dort vor sechs Jahren eine Gewerbefläche mit Sand aufgeschüttet und dabei ein Landschaftsschutzgebiet vernichtet – und zwar ohne belastbare Vereinbarungen für die Nutzung des Grundstücks. Genau nach diesem Schema arbeiten Senat und Bezirksamt nun erneut, sie sind lernunwillig.“

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Nach mindestens acht Jahren Planung werde jetzt deutlich, „dass die Pläne ganz weit weg sind von der Wirklichkeit“, so Jersch. „Für uns steht fest: Das Projekt Oberbillwerder muss gestoppt werden – besser heute als morgen.“

Immobilien Hamburg: Stadtentwicklungsbehörde sieht Vorhaben nicht in Gefahr

Die bei dem Projekt für die Stadt federführende IBA Hamburg GmbH räumt zwar ein, dass auch das bundesweite Vorzeigeprojekt von der Kostenentwicklung im Baubereich nicht verschont bleibe. „Die Projektentwicklung von Oberbillwerder wird von den allgemeinen Kostensteigerungen im Bausektor beeinflusst. Dies betrifft insbesondere die Preisentwicklung bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, Energiekosten sowie den steigenden Löhnen“, sagte IBA-Sprecher Arne von Maydell dem Abendblatt. „Ebenso ergibt sich aus den gestiegenen Finanzierungskosten das Risiko von zukünftigen Mehrkosten. Darüber hinaus können Verzögerungen im Realisierungsprozess zu weiteren Kostensteigerungen führen.“

Diese externen Faktoren hätten aber „keine Auswirkung auf die Umsetzung des Gesamtvorhabens“, so der IBA-Sprecher. Denn Hamburg brauche ja „weiterhin dringend bezahlbaren Wohnraum“. Zusagen von Unternehmen für den Bau von Wohnungen in Oberbillwerder gibt es laut der Senatsantwort an die Linksfraktion zwar noch nicht. Aber das liege allein daran, dass „bislang noch keine Grundstücke für den Wohnungsbau ausgeschrieben wurden“.

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