Bergedorf. Christdemokraten stellen stärkste Fraktion der neuen Bezirksversammlung. Doch Mehrheiten ohne die SPD zu finden ist dennoch schwierig.
Knapp eine Woche nach der Bezirkswahl herrscht bei Bergedorfs Parteien geschäftiges Treiben. Überall geht darum zu sondieren, wie die Politik im Bezirk künftig gestaltet, wie mit den neuen Mehrheiten umgegangen werden soll. Vor allem die CDU als jetzt stärkste Kraft muss die Frage beantworten, wie sie Bergedorf in den kommenden fünf Jahren regieren und wie sie ihr erklärtes Ziel realisieren will, den Neubaustadtteil Oberbillwerder doch noch zu verhindern.
Klar ist bereits, dass die Christdemokraten den neuen Präsidenten der Bezirksversammlung stellen, vielleicht sogar ihre erste Präsidentin: Neben dem Fünfhausener Bernd Capeletti (74) gilt die bisherige Vizepräsidentin Stephanie Pelch (46) aus Kirchwerder als aussichtsreiche Kandidatin. Die beiden Stellvertreter werden von SPD und Grünen benannt, die in der Gunst der Wähler auf Platz zwei und drei gelandet sind – die Grünen mit 14,6 Prozent der Stimmen aber nur hauchdünn vor der AfD (14,4 Prozent).
CDU will keine Koalition eingehen – doch die Parteienlandschaft der neuen Bezirksversammlung ist zerfasert
Hinter den Kulissen gibt es aber noch viel mehr zu tun bis zur konstituierenden Sitzung der neuen Bezirksversammlung am Donnerstag, 11. Juli, um 18 Uhr im Großen Sitzungssaal des Rathauses an der Wentorfer Straße. Die CDU will Sondierungsgespräche mit allen hier vertretenen demokratischen Parteien führen. Zwar werde ein festes Bündnis abgelehnt, heißt es von den Christdemokraten mit Blick auf die Ende 2019 gebildete, jetzt abgewählte Koalition aus SPD, Grünen und FDP: „Wir sind angetreten, damit sich wieder die besten Argumente und Lösungen für Bergdorf durchsetzen. Und nicht der kleinste gemeinsame Nenner der alten Ampel-Koalition“, sagt Fraktionschef Julian Emrich.
Das sind die Gesichter der neuen Bezirksversammlung
Allerdings sind Mehrheiten jetzt sehr schwer zu organisieren, vor allem wenn sie von Thema zu Thema neu zu bilden sind. Denn die Bezirksversammlung ist mit sechs vertreten Parteien sehr zerfasert: Von ihren 45 Mitgliedern stellen die CDU 13, die SPD zwölf, die Grünen und die AfD je sieben, die Linke vier und die FDP nur noch zwei Abgeordnete, womit die Liberalen sogar ihren Fraktionsstatus verlieren. Damit büßen sie ihr Stimmrecht in den Ausschüssen der Bezirksversammlung ein und dürfen dort auch keinen Vorsitzenden mehr stellen.
SPD als einzig verlässliche Mehrheit, wenn die AfD nicht Steigbügelhalter werden soll
In der Bezirksversammlung selbst sind mit Ausnahme von schwarz-rot kaum Mehrheiten auszumachen. Soll die AfD nicht zum Steigbügelhalter einer Mehrheit werden, bleibt der CDU als Alternative zur SPD nur ein Abstimmen mit FDP, Grünen und Linken. Wobei dieses Trio der kleinen Parteien auch der SPD zu Abstimmungserfolgen verhelfen könnte.
Ob das drohende Patt, also eine entscheidungsunfähige Bezirksversammlung, Bergedorfs Entwicklung für die kommenden fünf Jahre weitgehend zum Stillstand bringt, bleibt abzuwarten. Vieles hängt davon ab, ob sich CDU und SPD doch zusammenraufen.
„Im Senat muss ankommen, dass es in Bergedorf für Oberbillwerder keine Mehrheit mehr gibt“
Und hier setzen die Christdemokraten in einer ersten Stellungnahme zwar auf „entsprechende Gespräche“. Doch beim Bau von Oberbillwerder, das Bergedorfs SPD ebenso wie Hamburgs rot-grüner Senat mit Nachdruck forciert, tritt die CDU laut und deutlich auf die Bremse: „Für uns steht fest, dass wir alles dafür tun werden, die Pläne für diese Großbausiedlung zu stoppen. Auch im Senat muss ankommen, dass es in Bergedorf für Oberbillwerder keine Mehrheit mehr gibt. Sie wurde am vergangenen Wochenende abgewählt.“
Hier steht mit der erneuten Auslegung des Bebauungsplans vom 1. Juli bis 2. September nach der Behördenpanne vom Frühjahr tatsächlich ein spürbares Druckmittel zur Verfügung. Denn durch die Verschiebung steht der Startschuss für die Bauarbeiten durch die finale Entscheidung der Bezirksversammlung erst zum neuen Jahr an – dann mitten in der heißen Phase des Wahlkampfs für Hamburgs Bürgerschaftswahl am 2. März 2025. Ob die CDU diese Konstellation nutzt, um in Bergedorf auch am Stuhl von Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann (SPD) zu sägen, bleibt vorerst offen: Dazu gab es am Freitag auch auf Nachfrage unserer Redaktion keine Antwort.
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Möglich ist derweil, dass die neue CDU-Fraktion in der Bezirksversammlung noch an einer Stelle verändert werden muss: Anstelle der Vierländerin Bärbel Lüdeke könnte der Neuallermöher Parmod Kumar einziehen. Denn von einem der Wahllokale in der Adolph-Diesterweg-Schule wurde durch einen Übertragungsfehler keine einzige der abgegebenen Personenstimmen in die Software des Statistikamtes Nord eingegeben. Bisher steht der 13. Sitz der CDU in der Bezirksversammlung noch Bärbel Lüdeke zu.
Sobald der Fehler korrigiert ist, könnte Parmod Kumar einziehen und Lüdeke zur ersten Nachrückerin von der Bezirksliste werden, wenn ein Christdemokrat während der Legislaturperiode ausscheidet. Ob es zum Tausch kommt, steht spätestens am 26. Juni fest, wenn das amtliche Endergebnis der Bezirkswahl verkündet wird.