Hamburg. 23-Jähriger machte Notbremsung und stürzte, als Hamburger die Rennstrecke überquerte. Welche Rolle Kopfhörer bei dem Fall spielten.
Eben war er noch tief über den Lenker seines Rennrads gebeugt und darauf konzentriert, beim Ironman eine möglichst gute Zeit zu fahren. Doch im nächsten Moment lag der Teilnehmer des Triathlons auf dem Asphalt, schwer verletzt und nicht in der Lage, das Rennen fortzusetzen. Wenn Niko D. (alle Namen geändert) schildert, wie er damals die Geschehnisse erlebte, erzählt der 23-Jährige von einem Mann, „der wie aus dem Nichts kam“.
Was da so plötzlich an jenem Frühsommertag 2023 bei der Triathlon-Europameisterschaft in Hamburg geschah, war am Mittwoch Thema in einem Prozess vor dem Amtsgericht. Dort musste sich ein Hamburger verantworten, weil er für den Sturz und die Verletzungen eines Triathleten verantwortlich sein soll. Der Vorwurf gegen den Angeklagten lautete auf fahrlässige Körperverletzung.
Prozess Hamburg: Triathlet erlitt nach Notbremsung und Sturz Verletzungen
Laut Staatsanwaltschaft hat Ali R. als Fußgänger unachtsam die für das Radrennen abgesperrte Strecke an der Kurt-Schumacher-Allee überquert. Dabei habe der 24-Jährige einen Wettkampfteilnehmer übersehen. Den Ermittlungen zufolge leitete der 23-jährige Sportler daraufhin mit seinem Rennrad eine Vollbremsung ein, um einen Zusammenstoß mit dem Zuschauer zu vermeiden. Die Folge: Bei einem Sturz erlitt der Triathlet unter anderem eine Verletzung im Schultergelenk, Prellungen und eine Gehirnerschütterung. Die Staatsanwaltschaft geht in der Anklage davon aus, dass mehrere Streckenposten versuchten, den Fußgänger, als er auf die Fahrbahn trat, durch Warnrufe auf die Gefahrensituation aufmerksam zu machen. Die Rufe habe der 24-Jährige aber nicht gehört, weil er beim Überqueren der Rennstrecke Kopfhörer trug.
Nachdem der Mann „aus dem Nichts“ aufgetaucht sei, habe er noch laute Stoppschreie gehört, erzählt Triathlet Niko D. als Zeuge. Das Nächste, woran er sich erinnere, sei, „dass ich auf dem Boden auf einer Rettungsweste lag“. Der 23-Jährige kam ins Krankenhaus und war wegen seiner Verletzungen mehrere Monate lang arbeitsunfähig.
Angeklagter sagt, ihm sei signalisiert worden, „dass man laufen kann“
Der Angeklagte indes schildert, dass er den eigentlichen Unfall selber gar nicht wirklich mitbekommen habe. Er sei an jenem Tag wie so oft joggen gewesen und habe an mehreren Stellen in der City auch Wege überquert, die für die Sport-Großveranstaltung extra gesichert gewesen seien. „Die waren mit richtigen Sperrungen“, sagt Ali R. Es habe außerdem Ordner gegeben, die die Sperrungen für Fußgänger und andere Verkehrsteilnehmer jeweils dann geöffnet hätten, wenn man die Rennstrecke habe überqueren dürfen.
An jenem Punkt an der Kurt-Schumacher-Allee habe er eine Weile warten müssen und sei auf der Stelle gejoggt, so Ali R. weiter. Dann habe sich ein Ordner vor die Autos gestellt und den Fußgängern mit ausgebreiteten Armen signalisiert, „dass man laufen kann“. Also habe er die Straße überquert und plötzlich ein lautes „Stopp“ gehört. Es tue ihm sehr leid, was passiert ist, kommentiert der Angeklagte die folgenden Geschehnisse. „Es ist deprimierend, wenn man keinen Sport machen kann.“
Zeuge: „Er ist einfach auf die Fahrbahn gelaufen“
Ein Mann, der damals als Ordner bei dem Triathlon eingesetzt war, schildert als Zeuge, er habe sich noch bemüht, Ali R. festzuhalten, damit dieser eben nicht auf die Straße tritt. „Er ist einfach auf die Fahrbahn gelaufen“, sagt der Zeuge. Ein Anwohner, der die Szenerie beobachtet hat, erzählt dagegen, es habe auf ihn gewirkt, als wäre der Fußgänger „durchgewunken worden“.
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Die Verteidigerin von Ali R. verweist darauf, dass es nach ihrer Überzeugung in der Verantwortung des Veranstalters von Sportveranstaltungen liege, für die Verkehrssicherheit zu sorgen. Dies gelte insbesondere für Fußgängerüberwege, sagt die Anwältin. Eigentlich hätte sie erwartet, dass sich wegen des Vorfalls vom 4. Juni vergangenen Jahres eher ein Ordner vor Gericht verantworten müsse. Ein Ordner könne sich nicht einfach hinstellen und „Stopp“ rufen“. Deshalb sei ihrem Mandanten keinerlei Fahrlässigkeit vorzuwerfen.
Das sieht das Gericht am Ende des Verhandlungstags anders und verurteilt Ali R. schließlich wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20 Euro, also 1200 Euro. Bei dem Strafmaß sei unter anderem zu berücksichtigen, dass der Geschädigte schwere gesundheitliche Folgen davongetragen hatte. Unter anderem musste der 23-Jährige an beiden Schultern operiert werden, und es steht zu befürchten, dass Langzeitschäden bleiben. Der Angeklagte hätte, auch wenn er von Ordnungskräften durchgewunken worden wäre, links und rechts gucken müssen, bevor er auf die Straße tritt, betont die Richterin in der Urteilsbegründung. Das gelte insbesondere dann, wenn er Kopfhörer trug.