Hamburg. Ausgewählte Schulen mit besonderem Bedarf erhalten zehn Jahre lang Millionen-Förderung. Welche Schüler davon profitieren – und wie.

Das Geld schnell an die Schulen zu bringen, das ist das Ziel von Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD). Im Februar hatte sie von der Hamburgischen Bürgerschaft ordentlich Rückenwind für das Startchancen-Programm zur gezielten Lernförderung von sozial benachteiligten Schülerinnen und Schülern bekommen.

Am Dienstag nun ist die Bund-Länder-Vereinbarung offiziell in Kraft getreten. Und Bekeris verkündete, wie das in Hamburg 430 Millionen Euro umfassende Programm schon nach den Sommerferien rund 42.000 Schülerinnen und Schülern an 90 Hamburger Bildungseinrichtungen zugutekommen soll.

Bekeris erhofft sich, dass mit dem Startchancen-Programm verbesserte Lernbedingungen und neue pädagogische Konzepte entstehen sowie Personal aufgestockt wird. So soll ein Ausgleich geschaffen werden, damit Schülerinnen und Schüler mit schlechteren Ausgangsbedingungen künftig bessere Chancen auf gute Noten und Schulabschlüsse haben. Der Grundgedanke: Durch gezielte Förderung die soziale Herkunft der Schülerinnen und Schüler stärker von ihren Lernerfolgen entkoppeln. Deshalb werden in erster Linie Schülerinnen und Schüler aus bildungsfernen Familien unterstützt.

Startchancen-Programm: Geldregen für 90 Hamburger Schulen

In Hamburg liegt der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die nur die Mindeststandards im Lesen, Schreiben und Rechnen erreichen, jeweils bei mindestens 17 Prozent. „Diese sogenannten Risiko-Schülerinnen und -Schüler haben in der Folge signifikant schlechtere Teilhabeperspektiven“, so Senatorin Bekeris am Dienstag.

Ksenija Bekeris (SPD) hat im Januar als Nachfolgerin von Ties Rabe das Amt der Hamburger Schulsenatorin übernommen.
Ksenija Bekeris (SPD) hat im Januar als Nachfolgerin von Ties Rabe das Amt der Hamburger Schulsenatorin übernommen. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Hamburgs Staatsrat Rainer Schulz, der sich in den Verhandlungen hartnäckig für das Bund-Länder-Programm einsetzte, betont, dass Hamburg es im Vergleich zu früher mit einer „deutlich veränderten Schülerschaft“ zu tun habe. Kinder und Jugendliche migrantischer Herkunft lernten teils erst in der Schule die deutsche Sprache oder müssten verspätet alphabetisiert werden. „Das sind alles Faktoren, die auf den Bildungserfolg einzahlen“, so Schulz. Das hehre Ziel ist es nun, mithilfe des Startchancen-Programms den Anteil der Schülerinnen und Schüler, die die Mindeststandards nicht erreichen, zu halbieren. „Das ist sehr ambitioniert“, gesteht Schulz ein.

Hamburg investiert 215 Millionen Euro in Bildungsgerechtigkeit

In Hamburg profitieren 57 Grundschulen, 24 Stadtteilschulen, vier Gymnasien und neun berufsbildende Schulen vom zehnjährigen Startchancen-Programm. Die Finanzierung stemmen mit jeweils 215 Millionen Euro zu gleichen Teilen der Bund und das Land. Bundesweit gehen 20 Milliarden Euro an rund 4000 Schulen.

Ein Teil der Hamburger Aufwendungen würde durch Investitionen in bereits bestehende Programme wie etwa „d23 Starke Schulen“, „BiSS-Lesetraining“ oder „Mathe sicher können“ abgedeckt, heißt es aus der Schulbehörde. Ein weiterer Teil sind zusätzliche Mittel, die entweder aus dem Haushalt finanziert oder im kommenden Jahr eingeworben werden. „Da der Senat unsere Senatorin aber bereits ermächtigt hat, die Verwaltungsvereinbarung mit dem Bund zu unterzeichnen, ist eine Finanzierung grundsätzlich gesichert“, teilt ein Sprecher mit.

Schulen in sozial schwieriger Lage bekommen Millionen-Unterstützung

Damit das Geld bei den richtigen Kindern und Jugendlichen ankommt, werden die Mittel nicht mit der Gießkanne, sondern möglichst gezielt verteilt. Bei den 90 Hamburger Schulen, die davon profitieren, handelt es sich daher fast ausschließlich um Schulen in sozial schwieriger Lage, das heißt mit einem niedrigen Sozialindex.

Das Startchancen-Programm umfasst drei Bereiche, in die nun investiert wird. 40 Prozent der Mittel fließen in die Lernumgebung, also bauliche Maßnahmen oder die Ausstattung der Schulen. Jeweils 30 Prozent des Geldes würden für die Unterrichtsentwicklung sowie Personal, etwa Schulsozialarbeiter, aufgewendet.

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Zudem erhalten die Schulen ein Chancenbudget, über das sie eigenverantwortlich verfügen können. Dass für bauliche Veränderungen und die Ausstattung der Schulen das meiste Geld reserviert ist, „hätten wir uns auch nicht so vorgestellt“, so Staatsrat Schulz. Es handele sich dabei um eine Bundesvorgabe.

Startchancen-Programm: Aufschlag im Schuljahr 2024/25 wenig konkret

Das Startchancen-Programm soll dazu beitragen, dass möglichst alle Kinder und Jugendlichen an den teilnehmenden Schulen ihre Talente und Potenziale entfalten können. Das bedeutet nicht allein, die Schülerinnen und Schüler stärker in den Bereichen Deutsch und Mathematik zu fördern. Auch sozial-emotionale Kompetenzen wie die Berufswahlreife, Ausbildungsfähigkeit und demokratische Teilhabe möchte die Schulbehörde dank der finanziellen Mittel gestärkt sehen.

Wofür das Geld im Starterjahr, das heißt von August an, ausgegeben wird, ist bislang noch wenig konkret. Zunächst sei geplant, mit den ausgewählten Schulen „ein gemeinsames Zielverständnis zu entwickeln und – auf dieser Grundlage – die Maßnahmen in den einzelnen Programmsäulen zu konkretisieren“, teilt die Behörde mit.

FDP sieht in dem Bildungspaket „Paradigmenwechsel“, Die Linke eine vertane Chance

Für die Hamburger FDP-Bundestagsabgeordnete Ria Schröder ist das Startchancen-Programm ein „echter Paradigmenwechsel“, gar das „größte Bildungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik“ und „eine Kampfansage an den Hamburger Bildungsnotstand“. Mit weniger Erfolg des Programms rechnet hingegen Sabine Boeddinghaus, die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke in der Bürgerschaft. „215 Millionen Euro des Bundes auf zehn Jahre und 90 Schulen verteilt sind gerade mal 239.000 Euro für jede Startchancen-Schule pro Jahr“, klagt sie.

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