Hamburg. Veranstalter um Hamburger „Bildungswende jetzt“-Gruppe hatte 1500 Teilnehmende angemeldet – es kam anders. Was das Bündnis fordert.
Lag es am sonnigen Wetter, das viele Hamburger am Sonnabend für andere Aktivitäten nutzten, etwa zum Besuch des Wissenschaftsfestivals „Science City Day“ in Bahrenfeld, oder gab es schlicht nur ein geringes Interesse an der Kundgebung, die ein Bündnis um die Hamburger Gruppe des bundesweiten Bündnisses„Bildungswende jetzt“ von 14 Uhr an am Gänsemarkt durchführte? Die Organisatoren hatten 1500 Teilnehmende bei der Versammlungsbehörde angemeldet – doch dem Aufruf folgten nur knapp 300 Menschen, so schätzte es die Polizei.
Eine der Rednerinnen, die Hamburger Lehrerin Gloria Boateng, griff die Lage auf: „Dass wir so wenig sind, zeigt, wo wir stehen – wir haben als Gesellschaft immer noch nicht begriffen, wie wichtig Bildung ist“, rief die Gründerin des Fördervereins Schlaufox unter dem Beifall der Teilnehmer. Vor der Bühne am Gänsemarkt hatten sich viele Schüler, aber auch Eltern und ältere Menschen versammelt. Sie recken selbst gebastelte Schilder und Plakate mit Aufschriften wie „Mehr Mittel für moderne Bildung“ und „Anschluss statt Ausschluss“ in die Höhe, wippten und hüpften, als die Kinder-Rockband Radau sang: „Dir gehört die große weite Welt.“
Schule Hamburg: Auch die Schüler- und die Elternkammer hatten zur Kundgebung aufgerufen
Mit Aufmunterung versuchte es Sven Quiring, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung: Die Teilnehmer der Kundgebung setzten ein „starkes Zeichen“, rief er. Dann kam er auf ein zentrales Anliegen der Organisatoren zu sprechen. „Viel zu oft entscheiden soziale Herkunft und finanzielle Mittel der Eltern über den Bildungserfolg der Kinder.“ Das müsse sich ändern.
Neben der GEW und der Hamburger „Bildungswende jetzt“-Gruppe hatten das Kitanetzwerk Hamburg, die Schüler- und die Elternkammer, die Gewerkschaften Ver.di, der Verband für Stadtteilschulen/GGG, der Türkische Elternbund sowie Greenpeace und der Nabu zu der Kundgebung aufgerufen. Nach der Kundgebung am Gänsemarkt zogen die Demonstrierenden über die Dammtorstraße und die Lombardsbrücke bis kurz hinter den Hauptbahnhof.
„Bildungswende jetzt“ fordert Ausbildungsoffensive für Erzieher und Lehrkräfte
„Bildungswende jetzt“ hat eine Onlinepetition mit dem Ziel gestartet, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Absprache mit den Ministerpräsidenten der Länder aufzufordern, bis Ende dieses Jahres „einen nationalen Bildungsgipfel auf Augenhöhe, bei dem wir als Bildungsbetroffene zu Wort kommen“, einzuberufen. Bis zum Sonnabend hatten mehr als 87.000 Menschen die Petition unterzeichnet; das Ziel des Bündnisses sind mindestens 100.000 Unterschriften.
In der Petition fordert das Bündnis „eine sofortige Ausbildungsoffensive für Erzieher, Erzieherinnen und Lehrkräfte, die attraktive Ausbildungsbedingungen schafft, moderne Bildungsinhalte vermittelt, inklusive Bildung ermöglicht und gut auf die Realität im Arbeitsalltag vorbereitet“. Auf gemeinsame Lösungen durch die Kultusministerkonferenz sei kein Verlass. „Deswegen muss Bildung Chefsache werden“, heißt es in der Petition, in der die Initiatoren daran erinnern, dass die Ampel-Parteien in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hatten, einen solchen „nationalen Bildungsgipfel mit Zivilgesellschaft“ einzuberufen, dies aber bislang nicht umgesetzt haben.
Hamburger Gruppe schreibt Brief an Schulsenatorin Ksenija Bekeris
Das Bündnis fordert auch mehr Mitbestimmungsrechte. „Demokratie lernen heißt Demokratie leben“, so Lina Diedrichsen, Vorsitzende der Schülerkammer Hamburg. „Schülerinnen und Schüler müssen endlich bei bildungspolitischen Entscheidungen beteiligt werden. Es reicht nicht, uns nach einer Stellungnahme zu fragen, wenn schon alle wichtigen Entscheidungen getroffen worden sind.“ Simone Kohl, Vorsitzende der Elternkammer Hamburg, erklärte: „Wir müssen die Bildung in die Hände derer legen, die sie am besten verstehen: die Lehrkräfte und die Kinder selbst.“
Wie berichtet, hatten die Mitglieder der Hamburger „Bildungswende jetzt“-Gruppe im Januar dieses Jahres in einem offenen Brief an Hamburgs Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD) erklärt, was sie in der Hansestadt fordern: ein inklusives Schulsystem und eine Schule für alle. „Die soziale Spaltung der Gesellschaft nehme ihren Anfang in der Bildung. Kinder streben danach, ,aufs Gymnasium‘ zu gehen, weil da die ,guten Kinder‘ sind. Sie sind traurig, wenn sie nicht die Gymnasialempfehlung erhalten“, heißt es in dem Brief.
Schule Hamburg: Lehrer ein wenig zerknischt wegen geringer Teilnehmerzahl
Eltern versuchten, „notfalls mit einem Bürgerentscheid, die Bedingungen an Gymnasien nach ihren Vorstellungen zu verändern“, so die Hamburger Gruppe in Anspielung auf die Initiative „G9 Hamburg – mehr Zeit zum Lernen“, die sich für eine Verlängerung der Schulzeit am Gymnasium von acht auf neun Jahre starkmacht. Dabei gebe es mehr Zeit zum Lernen, wie bereits an der Stadtteilschule.
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Heiko Wagner, Lehrer an einer Hamburger Stadtteilschule und Mitglied der Hamburger „Bildungswende jetzt“-Gruppe, zeigte sich am Sonnabend einerseits gerührt von der, wie er fand, „tollen Stimmung“ bei der Kundgebung am Gänsemarkt. Doch er war auch ein wenig zerknirscht wegen der geringen Teilnehmerzahl: „Wir müssen überlegen, wie wir eine bessere Mobilisierung hinbekommen.“
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