Hamburg. Erst seit einem Jahr bei Volt: Hamburgerin Nela Riehl zieht nach Brüssel. Wer ist die Frau, die Europas erste Außenministerin werden will?
- Bundesweites Volt-Wahlergebnis von 2,6 Prozent laut Nela Riehl „großer Vertrauensvorschuss“.
- Herzensthema der Deutschlehrerin sei feministische Außenpolitik.
- Berlin, Hamburg, Brüssel: Auch nach der Europawahl bleibt der Hamburgerin keine Zeit, sich auszuruhen.
Sie hat es geschafft: Nela Riehl (Volt) geht nach Brüssel. Ein Wahlergebnis von deutschlandweit 2,6 Prozent für Volt reicht aus, damit die an Listenplatz zwei gesetzte Lehrerin in das Europaparlament einzieht. Sie ist neben Svenja Hahn (FDP) und Fabio De Masi (BSW) eine von drei Hamburgerinnen und Hamburgern, die den Sprung nach Brüssel geschafft haben. Sie hat große Ziele, will Europas erste Außenministerin werden – eine bislang Unbekannte, die jetzt keine mehr ist.
„Ich bin völlig überwältigt und sprachlos“, sagt Nela Riehl am Montagvormittag. Das Wahlergebnis sei ein großer Vertrauensvorschuss und fühle sich gut an. „Ich glaube, Donnerstag kamen wir das erste Mal in den Umfragen vor, da wurde es greifbare Realität. Ganz klar wurde es mir heute Morgen.“ Nicht nur für sie, sondern auch für die Partei Volt sei das Wahlergebnis ein Erfolg und habe gezeigt, dass der europäische Kerngedanke für die Leute relevant ist. „Ich glaube, jetzt hat auch der Rest von Deutschland verstanden, dass wir das ernst meinen.“ Einziger Wermutstropfen sei das Wahlergebnis der AfD von 15,9 Prozent.
Volt-Erfolg: Hamburger Lehrerin zieht ins Europaparlament ein
Nela Riehl ist die Senkrechtstarterin der Partei Volt. Erst seit gut einem Jahr ist sie Mitglied der Partei, bei der Europawahl kandidierte sie als einzige schwarze Spitzenkandidatin Deutschlands. Bei einer Kleinpartei wie Volt heißt Wahlkampf auch für die Spitzenkandidaten: selbst anpacken. Bis vor Kurzem zog die Deutschlehrerin, die an einer Hamburger Stadtteilschule unterrichtete, noch mit Kabelbindern und Wahlplakaten durch die Straßen Nienstedtens – und bald nach Brüssel.
Bereits als Jugendliche habe sie sich bei verschiedenen Parteien umgeschaut, ohne aber eine politische Heimat zu finden, sagte Riehl kürzlich dem Abendblatt. Während eines Austauschjahres in Schweden habe sie von Schülern aus der ganzen Welt gehört, wie toll es ist, in Europa zu leben – mit kultureller Vielfalt und trotzdem offenen Grenzen. „Vor eineinhalb Jahren mit Corona, dem Krieg und all diesen Krisen saß ich abends am Bett meines schlafenden Sohnes und dachte, dass dieses Generationenversprechen ‚Ihr sollt es mal besser haben als wir‘ nicht mehr gilt.“ Seit März 2023 ist sie bei Volt. „Europa ist und bleibt das größte Friedensprojekt aller Zeiten, und wir müssen dafür sorgen, dass es weiter funktioniert.“
Deutschlehrerin Nela Riehl will Europas erste Außenministerin werden
Ihr „Herzensthema“ sei vor allem feministische Außenpolitik, sagte die zweifache Mutter dem Abendblatt. In Brüssel würde sie gerne in den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und den Unterausschuss für Menschenrechte. Ihr Ziel: Europas erste Außenministerin zu werden. „Ich möchte als Lehrerin natürlich auch in den Bildungsausschuss und in den Ausschuss für Frauenrechte und Geschlechtergerechtigkeit.“ Das Erste, was sie im Europaparlament angehen würde, sei die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie, die bisher nur von Männern und Frauen spricht. Diese Geschlechterbinarität würde sie gerne aufheben.
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Am Montagvormittag befindet sich die Hamburgerin in einem Berliner Hotel, ungefähr 120 Menschen seien aus ganz Deutschland zur Wahlparty angereist. „Die Leute haben es mal richtig verdient, zu feiern“, sagt die Hamburgerin. „Gegen 18 Uhr ging mit den ersten Hochrechnungen die Party los. Da wussten wir, Damian bleibt drin und ich komme rein.“ Damian Boeselager an Listenplatz eins und Nela Riehl an Platz zwei haben ihre Sitze im Europaparlament früh sicher. Auch Kai Tegethoff an Platz drei schafft den Sprung nach Europa.
Nach der Europawahl beginnen die Verhandlungen: Wer kommt in welchen Ausschuss?
Am Morgen nach der Wahl habe sie das Telefon erstmal bei Seite gelegt. „Da melden sich jetzt unheimlich viele Menschen, und das ist total schön.“ Viel Zeit zum Feiern bleibt jedoch nicht, denn der Umzug nach Brüssel steht vor der Tür. „Die Wohnungssuche müssen wir jetzt ganz schnell angehen. Los geht es Anfang September, das heißt, wir werden mit der Familie im August in Ruhe umziehen.“ Bereits am Montag gehe es für sie zurück nach Hamburg, am Dienstag nach Brüssel. Dann beginnen die Verhandlungen darüber, welcher Abgeordnete in welchen Ausschuss kommt.