Hamburg. Hamburger Gruppe fordert eine „Schule für alle“ und bessere Bedingungen für Kinder mit Behinderungen. Heute Aktion an der Uni geplant.

Die Hamburger Gruppe des bundesweiten Bündnisses „Bildungswende jetzt“ appelliert an Hamburgs neue Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD), sich gegen das Anliegen zu wenden, dass alle Gymnasien der Hansestadt wieder in neun Jahren zum Abitur führen statt wie derzeit in acht Jahren. „Bitte verhindern Sie G9 an den Gymnasien, damit die Stadtteilschulen nicht dadurch geschwächt werden, dass die Vielfalt dort abnimmt, weil Familien dem sozialen Sog einer vermeintlich homogenen, leistungsstarken und ,sozialverträglichen‘ Lerngruppe nicht mehr standhalten können“, erklären die Hamburger „Bildungswende jetzt“-Vertreter in einem Brief an Bekeris, der dem Abendblatt vorliegt.

Mitinititator Heiko Wagner ist Lehrer an einer Stadtteilschule in Bergedorf; ihm zufolge besteht die 15-köpfige Gruppe aus Schülern, Studierenden, Eltern und Lehrern. Sie hatten, unterstützt von den Gewerkschaften Ver.di und Erziehung und Wissenschaft Hamburg, wie berichtet im vergangenen September eine Demonstration in Hamburg mitorganisiert. Nun schreiben sie an Ksenija Bekeris: Die soziale Spaltung der Gesellschaft nehme ihren Anfang in der Bildung. „Kinder streben danach, ,aufs Gymnasium‘ zu gehen, weil da die ,guten Kinder‘ sind. Sie sind traurig, wenn sie nicht die Gymnasialempfehlung erhalten“, heißt es in dem Brief.

Schule Hamburg: Stadtteilschulen stärker belastet als Gymnasien?

Eltern versuchten, „notfalls mit einem Bürgerentscheid, die Bedingungen an Gymnasien nach ihren Vorstellungen zu verändern“, schreiben sie in Anspielung auf die Initiative „G9 Hamburg – mehr Zeit zum Lernen“. Dabei gebe es mehr Zeit zum Lernen bereits an der Stadtteilschule.

Das Hamburger Zwei-Säulen-System aus Gymnasien und Stadtteilschulen stelle eine „soziale Selektion“ dar, „denn Sprachprobleme, Lernschwierigkeiten, herausforderndes Verhalten und prekäre Lebenssituationen schultern die Stadtteilschulen in deutlich größerem Maße als die Gymnasien“. Die Gruppe fordert „eine Schule für alle“. Nur so könne es eine gerechte Bildung geben, unabhängig von Herkunft, Elternhaus oder Geschlecht.

„Bildungswende jetzt“-Gruppe: Alle Hamburger Schulen müssen barrierefrei sein

Die Gruppe fordert zudem ein „inklusives Bildungssystem, in dem Eltern von Kindern mit Behinderung nicht zwischen sozialer Teilhabe und bestmöglicher Förderung wählen müssen, sondern beides am selben Ort, dem Ort ihrer Wahl, erhalten“. Bisher seien in der Hansestadt selbst Schwerpunktschulen oft nicht komplett barrierefrei. Dabei sollten alle Hamburger Schulen den Bedürfnissen von Kindern mit Behinderung gerecht werden.

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Die Hamburger Bildungspläne seien vor allem darauf ausgelegt, fachliche Kompetenzen zu vermitteln und eine Standardisierung und Vergleichbarkeit zu gewährleisten; es mangele an Freiräumen für projektartiges, überfachliches Lernen, sagt Heiko Wagner.

Der Lehrer und seine Mitstreitenden fordern in dem Brief an Hamburgs neue Schulsenatorin ein „vernetztes, partizipatives Lernen statt kanonischer Wissensansammlung“. Für den heutigen Mittwoch hat die Gruppe eine „Kreidebild-Aktion“ an der Universität Hamburg angekündigt, die von 14 bis 17 Uhr stattfinden soll.

Behörde für Verlängerung des Schulfriedens in Hamburg über 2025 hinaus

Hamburgs neue Schulsenatorin Ksenija Bekeris verweist darauf, dass bis 2025 der sogenannte Schulfrieden gilt. Mindestens bis dahin wird sich an dem Hamburger Zwei-Säulen-Modell aus Gymnasien und Stadtteilschulen und damit auch an G8 an Gymnasien und G9 an Stadtteilschulen nichts ändern, und es wird mindestens bis dahin auch keine „Schule für alle“ geben. „Wir setzen uns dafür ein, dass der Schulfrieden auch über 2025 hinaus verlängert wird, sodass die Schulen sich auch weiterhin um die wirklich entscheidende Unterrichtsentwicklung konzentrieren können“, sagt Bekeris.

Die vor Kurzem zustande gekommene Volksinitiative für G9 an Gymnasien befinde sich nun im parlamentarischen Verfahren. „Sie wird also im Schulausschuss ihre Argumente vortragen können, und die Parlamentarier beraten dann.“