St. Pauli. SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf fürchtet um das grüne Aussehen des Bunkeraufbaus – und stellt Inbetriebnahme infrage. Bezirk widerspricht
Es ist das wohl spannendste Bauprojekt in Hamburg – und bewegt die Gemüter: der grüne Bunker auf St. Pauli. Seit einigen Monaten liegt er auf der Zielgeraden. Die bereits mehrfach angekündigte Eröffnung des Aufbaus musste mehrmals verschoben werden. Ursprünglich sollte das Hotel Reverb by Hardrock im April an den Start gehen, im März wurde die Eröffnung auf den 28. Mai verschoben.
Seit Donnerstag ist klar, dass auch dieser Termin vom Tisch ist. „Anfang der Woche soll nun ein neues – hoffentlich dann belastbares Datum – kommuniziert werden“, sagte eine Sprecherin des Hotels auf Anfrage. „Die Eröffnung der übrigen Bunker-Outlets sind bislang für die zweite Juni-Hälfte geplant.“ Vorgesehen sind unter anderem ein Bar-Restaurant und das spanische Konzept „La Sala“.
Wie grün wird der Bunker? Politischer Streit um Begrünung
Zugleich erreicht der Streit, ob der Bunker so grün wird, wie frühere Visualisierungen glauben machten, die Politik. SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf sagte dem Abendblatt: „Der Bauherr hat den denkmalgeschützten Bunker von der Stadt mit der Auflage erhalten, das Konzept wie geplant fertigzustellen. Die Baugenehmigung wurde nur mit der entsprechenden Grünbepflanzung erteilt.“
Damit ist der Sozialdemokrat unzufrieden: „Es sieht aktuell so aus, dass der Bauherr die Begrünung nicht wie geplant umsetzt und wesentliche Installationen weglässt.“ Dabei sei die Staffelbegrünung mit aufwachsenden und hängenden Pflanzen gerade das Wegweisende an dem Konzept.
Kienscherf droht, gegebenenfalls die Inbetriebnahme zu untersagen
An die Adresse des Investors schickt Kienscherf eine Warnung: „Weniger als die vollständige Umsetzung der Begrünung wäre aus meiner Sicht nicht akzeptabel. Da wünschen wir uns jetzt ein klares Bekenntnis des Bauherrn und die vollständige Umsetzung. Andernfalls muss die Stadt alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen und die Inbetriebnahme gegebenenfalls untersagen.“
Das Projekt selbst sieht der langjährige Mitte-Politiker positiv. „So wie er geplant wurde, kann der Bunker ein neues grünes Wahrzeichen für Hamburg werden. Die Architekten haben bei der Planung mit der Aufstockung und viel Grün aus meiner Sicht einen sehr guten Job gemacht.“
Investor versteht die Debatte nicht – und verweist auf den Vertrag
Der Investor der Begrünung und des Aufbaus, die Matzen Immobilien GmbH & Co. KG, zeigt sich über die Debatte befremdet. „Es ist sehr ungewöhnlich, das Erscheinungsbild eines Dachgartens in 58 Meter Höhe vor Fertigstellung, vor Ablauf der vereinbarten Entwicklungszeit und dazu aus großer Entfernung von der Straßenebene aus bewerten zu wollen“, sagt Projektsprecher Frank Schulze.
„Der endgültige Gesamteindruck entsteht natürlich erst dann, wenn die Gehölze sowie die Rank- und Kletterpflanzen ihre vorgesehene Größe erreicht haben. Jeder Gärtner weiß: Dazu braucht es einfach etwas Zeit. Und diese ist bekanntlich auch im Vertrag festgehalten.“
Initiator der Begrünung fürchtet um seinen Entwurf
Kritik kommt vom Erfinder der Bunkerbegrünung, Mathias Müller-Using. Er hatte 2013 die Idee eines bewachsenen Aufbaus, entwickelte mit den Architekten seines Interpol+-Studios ein Konzept und stellte es dem Bunkerpächter Thomas Matzen vor, der begeistert war. Doch bald nach Erteilung der Baugenehmigung überwarfen sich der Bauherr Matzen und Müller-Usings Agentur, am Ende kam es vor Gericht 2017 zum Vergleich. Die Agentur bekam 2,5 Millionen Euro für die Architekturleistung, Matzen übernahm die Aufstockung fortan in Eigenregie.
Seitdem schaut Müller-Using mit Argusaugen auf den Bunker: „Es wäre fahrlässig, bei dieser wichtigen Frage nach dem Prinzip Hoffnung zu verfahren und sich auf den städtebaulichen Vertrag zu verlassen“, erklärt er. „Der Verstoß gegen die Planung aus der Baugenehmigung, gegen die laut Begrünungs-Sachverständigen eindeutig verstoßen wird, ist für uns als Urheber und Planer entscheidend. Die bauliche Ausführung ist unvollständig und fehlerhaft: Es fehlen grundlegend wichtige Elemente wie Rankgitter und Bepflanzungen“. So werde laut Sachverständigen das angestrebte Gesamtbild einer aufwachsenden und hängenden Begrünung auch in fünf Jahren nicht erreicht.
Sachverständiger sieht Planungsziel in Gefahr
Müller-Using stützt sich dabei auf den Vermerk des von ihm beauftragten Sachverständigen Bernd W. Krupka und zitiert aus dessen Mail. Dieser fürchte, dass durch die festgestellten Abweichungen von der genehmigten Planung, die der Baugenehmigung vom 6.4.2017 zugrunde liegt, das Planungsziel verfehlt werden könne. Demnach kritisiert er fehlende Begrünungselemente, unvollständige Installation von Rankgittern und -spiralen sowie Bepflanzungen. Krupka selbst äußerte sich auf Abendblatt-Anfrage zunächst nicht. Dann teilte er mit, dass er seine gutachterliche Stellungnahme „mit sofortiger Wirkung“ zurückgezogen hat.
Investor: „Der Bunker St. Pauli wird so grün wie geplant“
„Jeder sieht die grün eingefärbten Betonstreifen und fragt sich, ob da noch was fehlt“, kritisiert Müller-Using. „Das Werk ist unvollständig und das angestrebte grüne Gesamtbild gefährdet: Die bis ins Detail geplante und genehmigte Staffelbegrünung mit vier sich überlagernden Bepflanzungen mit Bäumen, Büschen, Rankpflanzen und hängender Begrünung würde für das angestrebte und in den Visualisierungen gezeigte Gesamtbild sorgen.“
Beim Bauherrn stößt er damit auf Unverständnis. Bis auf verpflichtende Anpassungen aufgrund neuer Brandschutz- und Rettungswegauflagen werde der Bunker entsprechend des Bauantrags und der Baugenehmigung umgesetzt. „Der Bunker St. Pauli wird so grün wie geplant“, sagt Schulze. „Und ausnahmslos jeder, der den Stadtgarten bereits aus der Nähe sehen konnte – dazu zählen auch Sozialdemokraten –, war begeistert.“
Der Bezirksamtsleiter Mitte versteht die Aufregung nicht
Im Bezirk Mitte sieht man derzeit keinen Anlass, an der verabredeten Fertigstellung zu zweifeln. „Wir kennen das Gutachten seit Kurzem, es ist offenbar ein von Herrn Müller-Using in Auftrag gegebenes Privatgutachten“, sagt Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer (SPD). „Wir können die aktuelle Aufregung nicht recht nachvollziehen und haben auch wenig Neigung, uns hier für zivilrechtliche Auseinandersetzungen vor den Karren spannen zu lassen.“
Mehrfach stritten Müller-Using und Matzen vor Gericht. „Wir streben nun ein Beweissicherungsverfahren an, das die relevanten Abweichungen und Verstöße zwischen urheberrechtlich geschützter und genehmigter Planung und dem gebauten IST-Zustand feststellt“, sagt Müller-Using dem Abendblatt. Der Sprecher des Bunkerprojekts verweist hingegen darauf, dass das Hanseatische Oberlandesgericht die Anträge des Kreativunternehmers mit Beschlüssen vom 6. November 2023 zurückgewiesen hat.
Bezirksamt: „Es ist zu früh für eine Bewertung“
Bezirksamtschef Neubauer kann die Aufregung nicht nachvollziehen und betont, dass das Projekt ständig in Bewegung sei. „Der Bunker kann und wird nachbegrünt werden, sollte dies tatsächlich notwendig werden.“ Er beruft sich auf den städtebaulichen Vertrag, der eine Begrünung von 75 Prozent vorsieht. Dabei geht es darum, dass drei Viertel der Aufbauflächen aus der Ferne begrünt sein müssen.
„Es ist noch deutlich zu früh, das zu bewerten. Der vertraglich zugebilligte Anwuchszeitraum beträgt fünf Jahre.“ Diese fünf Jahre laufen erst ab Innutzungnahme des Bunkers. Und diese ist noch nicht erfolgt. Neubauer warnt auch davor, den Ist-Zustand zu sehr mit der Computervisualisierung zu vergleichen. „Dabei sollte man immer vorsichtig sein. Ich bin mir gleichwohl sicher, dass der Bunker gelingen wird.“
Der Vertrag besagt, dass zum Ablauf der Entwicklungszeit die Matzen KG auf ihre Kosten der Stadt die Einhaltung der vorstehend genannten Vorgaben durch Vorlage einer gutachterlichen Stellungnahme eines Sachverständigen nachweisen muss. „Etwaige Mängel sind von der Matzen KG unverzüglich zu beseitigen“, heißt es darin.
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Und weiter: „Die Matzen KG verpflichtet sich für den Fall, dass die Bepflanzung nicht das in der Baugenehmigung festgeschriebene Erscheinungsbild erzeugt oder das Pflegekonzept sich als nicht geeignet erweisen sollte, die Grünsubstanz in Abstimmung mit dem Bezirksamt auf ihre Kosten auszutauschen bzw. eine angemessene Veränderung ... vorzunehmen.“
Zumindest in einem Punkt sind sich alle einig
Zumindest in einem Punkt sind Erfinder und Umsetzer des Bunkersgrüns einig: „Wir sind überzeugt, dass dieses einzigartige Pionierprojekt weit über Hamburg hinaus strahlen wird und der grüne Bunker St. Pauli mit seinen öffentlichen Flächen die Menschen begeistert“, sagt Frank Schulze. Und Müller-Using betont: „Es kann ein Vorbild für die grüne Transformation eines wichtigen Erinnerungsortes werden.“