Hamburg. Rot-grüne Koalition in Mitte will einen Beschluss noch vor der Sommerpause treffen. Große Begeisterung trifft auf radikale Ablehnung.
Bekommt er nun ein grünes Dach oder nicht? Die Entscheidung, ob der Feldstraßenbunker einen Aufbau mit Hotel, Sporthalle und Park bekommt, steht kurz bevor. Möglichst noch vor der Sommerpause wollen sich die regierenden Bezirksfraktionen SPD und Grüne ein abschließendes Urteil bilden. Eventuell könnte schon in der nächsten Bezirksversammlung am 23. Juni über die Pläne von Investor Thomas Matzen abgestimmt werden.
Innerhalb der beiden Parteien gehen die Meinungen auseinander. Für die einen überwiegen die Vorteile, die der Bunker nach seiner Aufstockung böte: die im Stadtteil dringend benötigte Sporthalle, eine weitere Grünanlage mit den lange gewünschten Gemeinschaftsgärten und der Imagegewinn. „Der Bunker wäre ein Vorzeigeobjekt, das es durchaus mit der begrünten U-Bahn-Trasse in New York aufnehmen kann“, sagt ein Abgeordneter. Andere befürchten hingegen, dass die Anpflanzung von Bäumen und Büschen in 40 Meter Höhe nicht gelingt und der Stadtteil durch die Nutzung der Halle für Events noch weiter belastet werde. „Hier leben schließlich unsere Wähler, auf die wir Rücksicht nehmen müssen“, so ein Politiker.
Kommentar: Stadt der eingeschlafenen Füße
Die Antworten des Senats auf eine Anfrage, von der sich die Bezirkskoalition weitreichende Informationen erhofft hatte, fanden viele noch dürftig. „Eigentlich hatten wir danach mehr Fragen als vorher“, sagt ein Koalitionsmitglied. So sei herausgekommen, dass das geplante Hotel zwar insgesamt 154 Zimmer biete, aber nur sechs Zimmer vergünstigt an Künstler gehen. Zudem fehlt noch ein Verkehrskonzept und der erforderliche Nachweis von 280 Parkplätzen sowie eine Verschattungsstudie, ein Pflegekonzept für die Grünanlage und ein Personenzähl- und Sicherheitskonzept. „Die Nachforderungen von Ende Mai werden wir selbstverständlich fristgemäß einreichen“, heißt es im Planungsbüro Bunker.
Die Verschattungsstudie, wonach nur im Winterhalbjahr die Sonneneinstrahlung über wenige Stunden beeinträchtigt wäre, sei im November präsentiert worden und wird nun offiziell eingereicht. Auch das Verkehrs- und Parkkonzept sei in Abstimmung mit dem Bezirksamt. Robin Houcken vom Planungsbüro betont: „Von Beginn an stand fest, dass dort zwei individuelle Gästehaus-Konzepte von verschiedenen lokalen Betreibern in Abstimmung mit der Kulturbehörde sowie der Kultur- und Musikszene entstehen werden“, so Houcken. Insgesamt würden dort pro Nacht 18 Betten sowie ein Artist-in-residence-Apartment subventioniert.
SPD steht kurz vor einer Entscheidung
Nach einer Informationsveranstaltung mit den Staatsräten der beiden verantwortlichen Behörden steht zumindest die SPD kurz vor einer Entscheidung. „Nächste Woche stimmen wir uns in der Koalition über den Zeitplan ab. Mein Ziel wäre, noch vor der Sommerpause eine Entscheidung in der Bezirksversammlung herbeizuführen“, so Arik Willner, Vorsitzender der SPD in Hamburg-Mitte. Er geht von einem knappen Abstimmungsergebnis aus. Das tut auch Michael Osterburg, Vorsitzender der Grünen im Bezirk. „Generell ist ein Park auf dem Bunker keine schlechte Sache, wenn man etwas für das Stadtklima tun möchte“, sagt er. Doch noch wäre Wesentliches nicht geklärt; etwa wie sich die 52 Veranstaltungen, die pro Jahr in der für 2200 Besucher ausgerichteten Mehrzweckhalle stattfinden sollten, mit anderen Events im Bunker und der Umgebung vereinbaren ließen.
Osterburg und Willner betonen ausdrücklich, ihre Abgeordneten bei deren Entscheidungsfindung nicht beeinflussen zu wollen. Nicht so der SPD-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Hamburg-Mitte, Johannes Kahrs. Er versucht offenbar, seine Bezirksgenossen gegen die Pläne zu mobilisieren. Dass er mit vielen in diesem Sinne gesprochen habe, will Kahrs nicht bestätigen, streitet es aber auch nicht ab. Bei seiner Kritik an dem Vorhaben bleibt er vage: „Wenn die Stadt den Erbpachtvertrag mit dem Investor auf 99 Jahre verlängert, ist das faktisch eine Privatisierung.“ 1993 war der Bunker für 60 Jahre an Matzen verpachtet worden. Kahrs missfällt zudem, dass die Stadt wegen der Schaffung einer Grünanlage auf 2,5 Millionen Euro Nutzungsgebühr verzichtet. „Es ist ein zweifelhaftes Gesamtkonzept“, so Kahrs. „Ich sehe nicht den Nutzen für die Stadt, dass ein Vier-Sterne-Hotel auf dem Bunker entsteht.“
Börries von Notz, Alleinvorstand der Stiftung Historische Museen Hamburg, sieht das anders. „Einen besseren Umgang mit einer solchen Scheußlichkeit kann man kaum finden“, sagt er. „Ihre bestialische Monumentalität wird eingefangen und in einen modernen Stadtkontext überführt.“
Mit dieser Einstellung vertritt von Notz eine ganz andere Position als etwa der Hamburger Denkmalrat. Dieser hatte betont, „das Projekt einer Aufstockung und Begrünung würde den Mahnmalcharakter des Denkmals nicht nur beeinträchtigen, sondern vollkommen unkenntlich machen.“ Auch Kristina Sassenscheidt, die Vorsitzende des Denkmalvereins, lehnt die von der Kulturbehörde bereits genehmigte Aufstockung vehement ab. „Tatsächlich geht es beim genauen Hinsehen nur um einen fünfstöckigen Hotelaufbau, auf dessen zugigen Dächern sich höchstens Moose und Flechten halten werden“, sagt sie. Die Zerstörung eines bedeutenden Hamburger Baudenkmals sei nicht zu rechtfertigen. „Dieser Bunker ist in seiner Art europaweit einmalig und prägt Hamburgs Stadtbild wie kein anderer.“ Bunker seien kollektive Erinnerungsorte und wirkten gerade in ihrer Brutalität besonders eindrücklich. „Diesen wichtigsten aller Hamburger Bunker durch Rampe und Aufstockung unkenntlich zu machen und mit einem grünen Hut zu verniedlichen, wäre in höchstem Maße geschichtsfeindlich.“
Historische Relikte unterlägen der Interpretation der nachfolgenden Generationen – deshalb wären immer auch andere Interpretationen möglich, sagt hingegen Börries von Notz. „Der Bunker steht nicht vorrangig für den Nationalsozialismus, sondern für Wehrtechnik im Stadtraum“. Viele Bunker in Hamburg seien erhalten geblieben, alle seien hässlich. „Der Bau an der Feldstraße ist der größte und hässlichste“, so von Notz. „Ihn künstlich in seiner Menschenfeindlichkeit zu erhalten, ist für mich nicht nachvollziehbar.“
Die Pläne des Stadtteilprojekts Hilldegarden e.V., eine Gedenkstätte in den Aufbau auf dem Feldbunker zu integrieren, begrüßt der frühere Geschäftsführende Direktor des Jüdischen Museums Berlin ausdrücklich. „Wir sind im Rahmen dieser Planungen bereits angesprochen worden“, so Notz. So ist vorgesehen, in der Gedenkstätte die am Bau beteiligten Zwangsarbeiter, die Flakhelfer sowie die Menschen zu würdigen, die im Bunker Schutz suchten.
Notz hofft auf die Umsetzung der Idee, die derzeit von den Behörden geprüft und noch im Juni genehmigt werden könnte. „Die Symbolik des Überwucherns ist genial: Die Natur erobert sich ein Monument des Krieges in einem zivilisatorischen Prozess zurück.“