St. Pauli. Der Feldstraßenbunker soll Ende des Jahres fertig sein und zum Stadtgarten werden – doch um das Großprojekt gibt es wieder Streit.

An der Feldstraße ergrünt ein Bunker. Seit November bekommt das aufgestockte Gebäude mit 4700 Pflanzen ein anderes Gesicht. Ende des Jahres soll Hamburgs wohl ambitioniertestes Bauprojekt mit Hotel und Veranstaltungshalle fertig sein.

Aber wenn Michael Kuhn, der Architekt des grünen Bunkers, auf den Koloss schaut, beschleichen ihn mehr und mehr Zweifel. „Der Baustand zeigt klar, dass der Entwurf offensichtlich nicht so umgesetzt wird wie verabredet.“ Dabei sei der Bauherr verpflichtet, seinen Entwurf zu realisieren, sagt Kuhn. Der Berliner hatte damals als freier Architekt für die Hamburger Agentur Interpol die Planung des Projektes über drei Jahre bis zur Baugenehmigung geleitet.

St. Pauli: Grüner Bunker – großartige Idee endete im Streit

Dort war zuvor die Idee eines Stadtgartens entwickelt worden. Doch bald nach Erteilung der Baugenehmigung überwarfen sich der Bauherr Thomas Matzen und Interpol, am Ende kam es vor Gericht 2017 zum Vergleich. Die Agentur bekam 2,5 Millionen Euro für die Architekturleistung, Matzen übernahm die Aufstockung fortan in Eigenregie. Interpol und Kuhn waren fortan aus dem Projekt raus, 2019 meldete die Agentur Insolvenz an.

„Bei der Beanspruchung der Rechte, die ich als verantwortlicher Architekt für den Entwurf habe, geht es mir nicht um Geld, sondern darum, dass die Abweichungen korrigiert werden“, betont Kuhn. Inzwischen hat er sich mit einem anwaltlichen Schreiben an Thomas Matzen gewandt. „Ich empfinde es als meine Verantwortung, den Entwurf, wie wir ihn der Öffentlichkeit vorgestellt haben, und wie er verabschiedet wurde, bis zu Ende einzufordern“, betont der Architekt.

Arbeiten gehen auf die Zielgerade, Bergpfad im Herbst fertig

Die Arbeiten gehen nun auf die Zielgerade: 80 Prozent der geplanten Begrünung sind gepflanzt, es fehlen ergänzende Stauden und die Bepflanzung der unteren Rampe. Dieser sogenannte Bergpfad soll im Herbst fertiggestellt werden, der Stadtteilpark auf dem Bunkerdach in 58 Meter Höhe schon etwas früher. Wer sich heute auf dem Bunker umschaut, nimmt zwei unterschiedliche Eindrücke mit. Oben wächst überall das Grün, aus der Ferne aber wirkt der Betonbau noch immer als grauer Klotz. Dabei sollte laut städtebaulichem Vertrag 75 Prozent hinter einem grünen Dschungel verschwinden.

Auf dem Bunker am Heiligengeistfeld grünt es längst
Auf dem Bunker am Heiligengeistfeld grünt es längst © Matthias Iken (FMG) | Matthias Iken

Kuhn vermisst die dichte Begrünung, die die einzelnen Terrassen der Aufstockung verschwimmen lassen sollte, um den Eindruck eines grünen Berges zu erreichen. „Uns ging es darum, ein Kriegsbauwerk zu befrieden, es organisch zu überformen.“

Dieser Eindruck stelle sich bislang nicht ein. „Natürlich muss man den Pflanzen Zeit geben.“ Er kritisiert aber die „Abweichungen“ und die mangelnde Dichte der Begrünung. Es sei Teil seiner Planung gewesen, weitestgehend vorgezogene Pflanzen auch für die Berankungen vorzusehen.

Landschaftsgärtner wehrt sich gegen Vorwürfe

Felix Holzapfel-Herziger, Gründer des Landschaftsarchitekturbüro L+, und verantwortlich für die Bunker-Bepflanzung, kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen: „Die Begrünung wurde bis auf verpflichtende Anpassungen aufgrund neuer Brandschutz- und Rettungswegauflagen oder noch nicht vorliegender Informationen wie Windgutachten im Vergleich zum Bauantrag nicht verändert.“

Die durch die Baugenehmigung vorgeschriebenen Pflanzqualitäten, ob in Höhe, Breite, Stammumfang, Anzahl der Verpflanzungen oder Zuchtform würden selbstverständlich durchgehend eingehalten. „Bei Rankpflanzen und Stauden empfehlen sich aus gärtnerischer Sicht generell Jungpflanzen.“ Sie wüchsen besser an und entwickelten sich vorteilhafter.

Pflanzen bekommen mehrere Jahre Zeit, den Bunker zu überwuchern

Jeder Gärtner benötigt Geduld. Auch im städtebaulichen Vertrag hat die Stadt dem Investor Matzen fünf Jahre Zeit für das grüne Bunkerkleid gegeben. Aber wird der Bunker 2028 so aussehen, wie es die beeindruckenden Visualisierungen einst glauben machten? Die Bilder des zugewachsenen Bunkers halfen, politische Vorbehalte zu überwinden. Kuhn bangt: „In dieser Form würde der Bunker, der eine herausragende und prägende Rolle im Stadtbild hat, leider eine ganz andere Wirkung haben.“

Michael Kuhn hat drei Jahre am Entwurf des Grünen Bunkers an der Feldstraße gearbeitet.
Michael Kuhn hat drei Jahre am Entwurf des Grünen Bunkers an der Feldstraße gearbeitet. © Michael Kuhn | Michael Kuhn

Ihn stören die lineare Bepflanzung, aber auch unzureichende Rankhilfen, die dazu führen könnten, dass die auffallend hellgrünen Attiken weithin sichtbar bleiben. Auch Fenster und Türen sollten laut Kuhn überwuchern. „Die Überformung des Gebäudes wird so nicht funktionieren. Prägendes Element ist eine auf allen Etagen durchlaufende Rankspirale, die die Gebäudekonturen auflöst und die Form der Bepflanzung voluminös und organisch erscheinen lässt.“

„Die Kraft des Entwurfs geht verloren“

Diese sei in der Umsetzung gestrichen worden. „Die Etagen werden ablesbar bleiben. Für unseren Entwurf ist es aber elementar, dass alle gebäudetypischen Elemente, Fenster, Türen und Brüstungen weitestgehend überwuchert sind.“ Seine Befürchtung: „Die Kraft des Entwurfs geht verloren. Die Aufstockung wirkt wie ein begrünter Terrassenbau, aber nicht wie ein grüner Berg.“

Holzapfel-Herziger hält dagegen: Die Hecken zwischen den Gehölzen und die Rankpflanzen dahinter seien von unten schwer erkennbar, auf dem Bunker hingegen deutlich sichtbar. „Wie alle Pflanzungen haben sie ihre angestrebte Zielgröße noch nicht erreicht.“ Der Landschaftsgärtner verspricht: „Die Attiken werden zukünftig überwiegend überwachsen und nur in vereinzelten Teilbereichen sichtbar sein, in denen aus Gründen des Brandschutzes oder der Pflege eine Begrünung nicht möglich war.“

St. Pauli: Grüner Bunker? In Norddeutschland dauert Wachstum länger

Er betont, dass sich die Begrünung über die Zeit verändern und dichter werden wird. „Angesichts unserer intensiven Pflege ist voraussichtlich schon nach etwa fünf Jahren ein gut eingewachsenes Bild zu erwarten.“ Manche Stellen würden länger brauchen wie etwa die Aufzugstürme. Das Pflanzenwachstum hänge von sehr vielen Einzelfaktoren ab, vom Klima, dem Wetter, den Temperaturen, den Niederschlägen. „Im norddeutschen Klima wachsen Pflanzen langsamer als in wärmeren Gefilden.“ Aber Holzapfel-Herziger betont: „Das Gute: Auch hier ist es nur eine Frage der Zeit.“

Eine Frage der Zeit bleibt, ob die vielen Impulsgeber, die das spektakuläre Projekt erst möglich gemacht haben, in den kommenden Wochen und Monaten zusammenfinden oder aus den unterschiedlichen Sichtweisen ein Fall für die Gerichte wird. Im Streit um die Begrünung wächst ein weiterer Disput hinein, wer sich am Ende Urheber nennen kann. Der Erfolg mag viele Väter haben, aber viele Väter reklamieren auch den Erfolg für sich.

Mathias Müller-Using, der frühere Leiter des Büros Interpol und Ideengeber, lobt, dass die Begrünung des Bunkers schon sehr weit fortgeschritten ist. „Die Kraft des grün bewachsenen Bauwerks ist spürbar.“ Er vermisst noch „einige wenige Maßnahmen, die jedoch eine große Wirkung für das spätere Erscheinungsbild haben. „Als Urheber tragen wir dafür Sorge, dass Bauherr und Grünplaner die baulichen Voraussetzungen schaffen, damit die Pflanzen wie in unserem Konzept vorgesehen, aufstrebend und hängend wachsen können“, sagt Müller-Using. „Dann wird über die nächsten drei Jahre die Natur das Werk vollenden und einen grünen, dicht bewachsenen Hügel entstehen lassen.“

Bei dem Wort Urheber dürfte Holzapfel-Herziger aufhorchen: „Wir sind Urheber des Begrünungskonzeptes für den Bunker.“ Alle Pläne und Unterlagen des Bauantragsverfahrens zur Begrünung stammten aus seinem Büro.

St. Pauli: Streit um Bunker – Investor Matzen gibt sich gelassen

Kuhn wiederum hat seinerseits Anwälte beauftragt, weil er seinen Entwurf in Gefahr sieht: „Wo und warum im Prozess diese schwerwiegenden Abweichungen entstanden sind, muss der Bauherr beantworten“, sagt er. „Nichtsdestotrotz hoffe ich bis zum Schluss noch auf eine gemeinsame Lösung, denn die Korrekturen müssen unbedingt vorgenommen werden.“

Frank Schulze, Projektsprecher, sieht die Sache entspannt: „Es ist sehr ungewöhnlich, das Erscheinungsbild eines Gartens noch vor seiner Fertigstellung bewerten zu wollen. Bis auf verpflichtende Anpassungen aufgrund neuer Brandschutz- und Rettungswegauflagen oder durch Fehl- oder Nichtplanungen von Interpol wird der Bunker entsprechend des Begrünungskonzeptes der Urheber Felix Holzapfel-Herziger und dessen Landschaftsarchitekturbüro L+ umgesetzt“, sagt er. Die Bauarbeiten kämen sehr gut voran: „Der Bunker wird so grün wie geplant. Und die Pflanzen sehen schon jetzt prächtig aus. Jeder, der den Dachgarten aus der Nähe sehen konnte, ist begeistert über das Erscheinungsbild. Der endgültige Gesamteindruck entsteht erst dann, wenn die Gehölze sowie die Rank- und Kletterpflanzen ihre vorgesehene Größe erreicht haben. Dazu braucht es einfach etwas Zeit. Jeder Gärtner weiß: Geduld lohnt sich.“