Hamburg. Ein Ferienhaus an der See oder doch lieber eine Fernreise? Bahn, Auto oder Kreuzfahrt? „Die KinderDocs“ geben wertvolle Tipps.

Ich packe meinen Koffer und nehme meine Kinder mit – ganz so einfach ist das Reisen mit dem Nachwuchs nicht. Denn es gilt einiges zu beachten, vom Reiseziel über die Unterkunft bis hin zum Programm, wenn der Urlaub auch wirklich für alle Familienmitglieder erholsam sein soll. Worauf es ankommt und was Eltern bei der Planung bedenken sollten, erklären „Die KinderDocs“, die beiden Hamburger Kinder- und Jugendärztinnen Claudia Haupt und Charlotte Schulz, im neuen Podcast des Abendblatts.

Wenn eine Familie mit fünf kleinen Kindern, die alle Nichtschwimmer sind, auf Wunsch des Vaters zu einem dreimonatigen Segeltörn aufbrechen, ist das schon mal nicht so eine gelungene Idee, finden die Kinderärztinnen. Ein solcher Fall ist ihnen tatsächlich begegnet. Die Mutter hat dann drei Monate mit fünf Kindern unter Deck verbracht.

Kinder Hamburg – „Die KinderDocs“ haben Tipps zum Reisen

Generell ist Urlaub mit der Familie – ob man mit dem Baby die Großeltern besucht oder mit größeren Kindern Fernreisen plant – aber eine tolle Erfahrung. Der erster Tipp der Kinderärztinnen: „Bei der Planung einer Reise sollte man sich zu einem Teil an den Bedürfnissen des kleinsten Familienmitglieds orientieren“, sagt Claudia Haupt, Vorsitzende des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte Hamburg. Denn: „Wenn es den Kindern gut geht, geht es den Eltern auch gut.“

Reisen kann man mit Kindern jedes Alters. Wenn es um ferne Ziele geht, sollte man auch die Zeitverschiebung und das Klima miteinkalkulieren. „Es ist für ein kleines Kind viel schwieriger, sich zu akklimatisieren, sich anzupassen an veränderte Tages- und Nachtzeiten und das Klima“, sagt Charlotte Schulz, Sprecherin des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte Hamburg.

Reisen mit Kindern: Faustregel zur Fernreise mit dem Flugzeug

Zweiter Tipp daher: „Als Faustregel gilt – je weiter du dich wegbewegst mit einem Kind, desto länger muss dort auch der Aufenthalt sein, damit das Kind keinen Stress bekommt, weil es einfach viel länger braucht, um sich anzupassen.“ Eine Flugreise nach Südafrika also ohne Zeitverschiebung ist problemloser als ein Urlaub in Thailand. Auch die Frage, wie gut die medizinische Versorgung vor Ort ist, muss mitbedacht sein sowie ob die erforderlichen Impfungen auch für Kinder möglich sind.

Am Ende sei zu überlegen, ob ein Ferienhaus in Dänemark oder an der Ostsee nicht einen viel höheren Erholungswert für die ganze Familie bietet, wenn die Kinder den ganzen Tag draußen herumflitzen könnten, meinen die „KinderDocs“. Weder für An- noch für Abreise gehe hier ein ganzer Urlaubstag verloren. Das sei unter Umständen einem Urlaub an einem sehr fernen Ort vorzuziehen, wo man von Land und Leuten eigentlich gar nichts sieht, weil man in irgendeiner Ferienanlage festhängt.

Was man beim Reisen mit dem Auto beachten sollte

Bei Reisen mit dem Auto sollte man auf ausreichend Pausen achten, insbesondere wenn die Kinder noch klein sind. Alle zwei, drei Stunden seien Auszeiten sinnvoll, meinen die Medizinerinnen – Babys sollte man dann unbedingt auch aus ihrer Sitzschale herausholen. Wer von Hamburg nach Sizilien fahren will, sollte eine Übernachtung einplanen. Nachts zu fahren, wenn die Kinder schlafen, bietet sich an.

Für Kinder, die zu Reiseübelkeit neigen, haben Haupt und Schulz einen weiteren Tipp: „Auf keinen Fall seitlich zum Fenster hinausschauen, sondern nach vorn.“ Der Seitenblick verursacht ein Wahrnehmungsproblem im Gehirn, das dieses verarbeiten muss. Bei schwerer Reiseübelkeit kann auch kleineren Kindern ein Medikament verschrieben werden. Ab sechs Jahren ist der Wirkstoff rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. „Das ist natürlich nicht für den ständigen Einsatz, aber doch für weitere Fahrten durchaus geeignet“, sagt Charlotte Schulz.

Flugzeugluft in großer Höhe für Babys wenig geeignet

Fluggesellschaften nehmen Kinder schon ab einem Alter von zwei Wochen mit. Aber ein kurzer Flug auf niedriger Flughöhe nach München ist etwas anderes als ein weiterer nach Mallorca oder ein Langstreckenflug auf einen anderen Kontinent auf maximaler Flughöhe von 10.000 bis 11.000 Metern. „Da muss man ein wenig auf die Flugmedizin eingehen“, sagt Claudia Haupt.

Auf maximaler Reiseflughöhe gibt es in der Kabine durch Ausgleich einen Luftdruck und einen Sauerstoffgehalt, der etwa 2000 Meter Höhe entspricht. Die Luft ist unglaublich trocken. „Aber gerade Babys brauchen, insbesondere, wenn sie erkältet sind, sehr feuchte Luftverhältnisse – die trockene, über zehn Stunden recycelte Flugzeugluft ist für sie nicht gut geeignet.“

Keinen Flug mit unter sechs Monate alten Babys auf maximaler Reiseflughöhe

Hinzu kommt: Säuglinge bis zu sechs Monaten haben weniger rote Blutkörperchen, die den Sauerstoff aufnehmen. Das liegt am Absterben mütterlicher Blutzellen in ihrem Blut, ihre eigene Produktion im Knochenmark muss erst anspringen. Die Luft im Flugzeug aber ist dünn. „Das heißt, man hat wenig Sauerstoff in der Luft und junge Säuglinge haben noch wenig Sauerstoffträger im Blut“, sagt Claudia Haupt.

Ihre Empfehlung daher: „Mit unter sechs Monate alten Babys sollte man keinen längeren Flug auf maximaler Reiseflughöhe unternehmen.“ Ausnahmen sind möglich, wenn das Kind ganz gesund und es wirklich dringend erforderlich sei zu fliegen. Schmerzhaft wird es für kleine Kinder, wenn sie gerade eine Mittelohrentzündung mit Paukenerguss oder eine Bronchitis überstanden haben.

Ein Tipp: Immer Nasentropfen dabeihaben

„Es gibt kein strenges Nein, aber schon Empfehlungen – und dazu gehört zum Beispiel, dass ein Säugling unter sechs Monaten nicht über längere Zeit auf über 1500 Meter sein sollte“, sagt Charlotte Schulz. Ein zwei- oder dreistündiger Flug, den Steig- und Sinkflug eingerechnet, sei unter Umständen vertretbar – ein Transatlantikflug schon etwas ganz anderes. „Am Ende muss man das im Einzelfall entscheiden.“

Und noch ein Tipp: Gut ist es immer, Nasentropfen dabeizuhaben, weil junge Kinder ohnehin mehr Schwierigkeiten mit dem Druckausgleich haben – zumal, wenn sie noch erkältet sind. Nasentropfen helfen ihnen dann, den Druck auszugleichen. Problematischer als der Start ist übrigens der Landeanflug. „Die kritische Phase kommt dann, wenn im Landeanflug der Kabinendruck wieder steigt und die Tube, diese kleine Röhre, den Druckausgleich nicht schafft.“

Warum Eltern immer etwas zu trinken dabeihaben sollten

Hilfreich ist es immer, Kindern während des Steig- und des Sinkflugs etwas zu trinken, schlucken oder saugen anzubieten, weil dies die Belüftungsröhre zum Mittelohr öffnet. Notfalls hilft auch ein Schmerzmittel, wenn die Belastung zu groß ist, so die Kinderärztinnen. Für Kinder, die chronische Probleme mit ihren Ohren und den Tuben haben, gibt es spezielle Ohrstöpsel als Druckminderer; sie sind in der Apotheke erhältlich.

Die Höhenbelastung sollte beim Urlaub in den Bergen ebenfalls mitbedacht werden. „Auch hier gilt: Je höher der Berg, desto geringer der Sauerstoffgehalt in der Luft“, sagt Charlotte Schulz. „Babys und Kleinkinder bis zwei Jahre sollten auf jeden Fall nicht über 1500 Meter schlafen, wenn sie es nicht gewohnt sind.“ Wenige Stunden mit einem Baby auf einem höheren Berg zu verbringen, ist kein so großes Problem.

Urlaub mit Kindern: Was man auf Kreuzfahrten beachten sollte

„Man muss immer ein Auge darauf haben, dass genug Zeit für die Akklimatisation besteht und bedenken, dass die Höhe für kleine und sehr kleine Kinder eine Belastung sein kann. Auch die Sonneneinstrahlung ist in den Bergen sehr viel stärker – also gut eincremen! Und bei geplanten Wanderungen mit Kindern lieber die doppelte Dauer der angegebenen Wegzeit einplanen.

Populär geworden sind auch Kreuzfahrten, die Kindern und Jugendlichen zunehmend Angebote an Bord eröffnen. „Sie haben sich auf Familien eingestellt“, sagt Claudia Haupt, die allerdings noch nie mit ihrer Familie eine Kreuzfahrt gemacht hat.

Was man da beachten muss? „Alle sollten schwimmen können“, sagt sie – weniger wegen der Gefahr, über Bord zu gehen, sondern weil die Schiffe Pools haben. „Auf einer Kreuzfahrt sind viele Menschen auf engem Raum. Das kann kleine Kinder stressen. Bei größeren Kindern stellt sich die Frage, ob sie allein über das Schiff stromern dürfen sollen – ähnlich wie in einer großen Ferienanlage.“ Eltern, deren Kinder unter chronischen Krankheiten leiden, sollten auf jeden Fall vorher abklären, ob die medizinische Versorgung an Bord ausreichend ist, so Charlotte Schulz.