Hamburg. Vorstandsmitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft nach Schlag ins Gesicht weiter in ärztlicher Behandlung. Was die Uni jetzt plant.
Der antisemitische Übergriff, der sich am Mittwochabend an der Universität Hamburg ereignete, ist jetzt ein Fall für den Staatsschutz. Die entsprechende Abteilung des Landeskriminalamts (LKA 7) hat die Ermittlungen aufgenommen, wie die Polizei am Freitag mitteilte.
Wie berichtet, war ein weibliches Vorstandsmitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) von einer 26 Jahre alten Frau nach einer verbalen Auseinandersetzung mit mutmaßlich islamistischem Hintergrund gewürgt und dann unvermittelt mit einem Schlag gegen die Nase verletzt worden und zu Boden gegangen. Das Opfer kam in die Uni-Klinik Eppendorf.
Uni Hamburg: Attacke nach Antisemitismus-Vorlesung – Staatsschutz ermittelt
Der Vorfall ereignete sich im Anschluss an eine Veranstaltung im Rahmen der Ringvorlesung „Sinn und Unsinn von Antisemitismus-Definitionen“ in Raum 220 im Ostflügel des Uni-Hauptgebäudes an der Edmund-Siemers-Allee (Rotherbaum).
Thema der Vorlesung von Prof. Alfred Bodenheimer von der Universität Basel: „Judenfeindlichkeit, Antisemitismus, Antizionismus – aktualisierte Formen antijüdischer Gewalt“. Bereits während des Vortrags war es zu Zwischenrufen von Zuhörern und Zuhörerinnen gekommen.
Angriff kam unvermittelt – Schlag traf die 56 Jahre alte Frau ins Gesicht
Die 56 Jahre alte Frau, die später Opfer der Gewalttat wurde, hatte die Veranstaltung zusammen mit ihrem Mann besucht, der die Ringvorlesung mit organisiert, die Teil des allgemeinen Vorlesungswesens und damit öffentlich zugänglich ist. Im Anschluss an die Vorlesung kam es zunächst zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem DIG-Vorstandsmitglied und mehreren anderen Frauen. Plötzlich soll die 26-Jährige, die nach Angaben der Polizei aus Somalia stammt und in Hamburg gemeldet ist, die 56-Jährige attackiert und ihr unvermittelt ins Gesicht geschlagen haben. Das Opfer versuchte laut Polizei noch, sich zu wehren, indem sie die Angreiferin trat und biss, ehe sie zu Boden ging.
Der von der Universität beschäftigte Sicherheitsdienst konnte offensichtlich eine weitere Eskalation verhindern und behielt die Lage im Griff, bis herbeigerufene Polizeibeamte eintrafen. Nach Feststellung der Personalien durfte die 26-jährige Somalierin, die auf eine medizinische Behandlung verzichtete, das Hauptgebäude der Universität verlassen. Die ältere Frau ließ ihre Gesichtsverletzung von der Besatzung eines Rettungswagens behandeln. Sie kam zu weiteren Untersuchungen in die Uni-Klinik Eppendorf und wird nach Informationen des Abendblatts weiterhin behandelt.
Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) fordert eine lückenlose Aufklärung
Mit deutlichen Worten reagierte die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne), als Wissenschaftssenatorin im Senat zuständig für die Hochschulen, auf den Übergriff. „Ich verurteile den abscheulichen Angriff auf eine Besucherin der Ringvorlesung an der Universität Hamburg aufs Schärfste. Gewalt jeglicher Art darf niemals ein Mittel der Auseinandersetzung sein“, sagte Fegebank. „Wir müssen Antisemitismus, egal aus welcher Richtung, mit allen Mitteln entgegentreten. Die Tat muss nun durch die Sicherheitsbehörden lückenlos aufgeklärt werden. Meine Genesungswünsche gelten der Verletzten“, sagte die Grünen-Politikerin.
Die Universität Hamburg kündigte an, den Vorfall intern umfassend aufarbeiten zu wollen. Dazu zählten Gespräche mit den Organisatoren der Ringvorlesung und mit dem eingesetzten Sicherheitsdienst. Noch sei es zu früh, um Konsequenzen ziehen, sagte Andreas Lemonakis, Sprecher von Uni-Präsident Prof. Hauke Heekeren. Lemonakis versicherte, dass die Ringvorlesung zum Thema Antisemitismus fortgesetzt werden solle. Uni-Präsident Heekeren konnte unterdessen mit dem Opfer der Gewaltattacke telefonieren.
Universität Hamburg will gewalttätigen Übergriff intern umfassend aufarbeiten
Bereits am Tag zuvor hatte sich Heekeren zu Wort gemeldet. „Wir sind zutiefst erschüttert und verurteilen diese antisemitische Gewalt aufs Schärfste. Die Universität Hamburg bekämpft Antisemitismus und geht mit aller Entschiedenheit dagegen vor. Der Vorfall ist absolut inakzeptabel und abscheulich“, sagte Heekeren. Hochschulen müssten Orte sein, „an denen jüdische Studierende, Mitarbeitende und Gäste ohne Wenn und Aber sicher sind“.
CDU-Bürgerschaftsfraktionschef Dennis Thering fordert, dass die Täterin „schnell und hart“ bestraft wird. „Der körperliche Angriff auf ein Vorstandsmitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft durch eine mutmaßliche Islamistin nach einer Vorlesung zu Antisemitismus an der Uni Hamburg verurteile ich aufs Schärfste“, sagte Thering. „Offen bleibt die Frage, ob diese Tat im Zusammenhang mit dem Pro-Palästina-Protestcamp auf der Moorweide steht“, fügte der CDU-Politiker hinzu. Laut Deutscher Presseagentur soll die mutmaßliche Täterin dem Vernehmen nach aus dem Dunstkreis der seit Anfang der Woche bestehenden Mahnwache „Finger weg von Rafah“ in unmittelbarer Nähe der Universität stammen.
Treuenfels-Frowein (FDP): „Unterstützung für Palästina mit antisemitischer Hetze verwechselt“
„Die maßlosen und inakzeptablen Aktionen von Demonstranten und Störern, die Unterstützung für Palästina mit antisemitischer Hetze verwechseln, nehmen jetzt auch in Hamburg zu. Das darf nicht geduldet werden: Universitätsleitung und Wissenschaftssenatorin müssen sicherstellen, dass Vertreter Israels und deren Freunde nicht niedergebrüllt und angegriffen werden, wie wohl jetzt in der Universität geschehen“, sagte die FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein. Nachträgliches Bedauern reiche da nicht. „Die Innenbehörde muss das Pro-Palästina-Camp auf der Moorweide räumen, aus dem offensichtlich antisemitische Propaganda verbreitet wird. Toleranz gegenüber intoleranten Antisemiten darf der Rechtsstaat nicht üben“, sagte die FDP-Politikerin.
„Ausgerechnet an der Hamburger Universität – als vermeintlicher Hort der Meinungs- und Redefreiheit – kommt es zu einem antisemitischen Übergriff durch eine Muslimin aus Afrika. Der israel- und judenfeindliche Hass muss endlich gestoppt werden. Leider wird der muslimische Antisemitismus aber immer noch aus falsch verstandener Toleranz geleugnet und ignoriert“, sagte AfD-Bürgerschaftsfraktionschef Dirk Nockemann.
Antisemitismusbeauftragter des Senats spricht von „einer Serie von Taten seit dem 7. Oktober“
„Der Angriff auf unser Vorstandsmitglied erschüttert uns zutiefst. Er ist ein alarmierendes Zeichen dafür, dass ein Dialog mit Radikalen jeglicher Couleur nichts bringt. Ob Antisemitismus von links, aus islamistischen Motiven oder von rechts – gefragt sind jetzt Judikative und Exekutive“, hatte Daniel Killy, der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, bereits in einer ersten Reaktion am Donnerstag gesagt. „Nur mit Gegendemonstrationen lassen sich die Feinde unserer Demokratie nicht bekämpfen. Wohin falsch verstandene Toleranz führt, sehen wir jetzt“, sagte Killy, der ebenfalls eine Räumung des Protestcamps auf der Moorweide forderte.
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Auch Stefan Hensel, Antisemitismusbeauftragter des Senats, verurteilte die Attacke. „Die abscheuliche Tat macht deutlich, dass es nicht bei Hassreden bleibt, sondern Worten in letzter Konsequenz Taten folgen“, sagte Hensel. „Dieser Angriff reiht sich ein in eine Serie von Taten, die wir seit dem 7. Oktober in Hamburg erleben müssen. Ähnlich wie bei den jüngst erfolgten Angriffen auf Politikerinnen und Politiker werden hier neben Jüdinnen und Juden zunehmend Menschen Opfer von Übergriffen, die sich mit Israel solidarisieren und der Welle des Hasses entgegentreten“, sagte Hensel.
Landesrabbiner Shlomo Bistritzky wurde auf dem Rathausmarkt angepöbelt und bespuckt
In den zurückliegenden Jahren hat es mehrfach antisemitische Übergriffe und Vorfälle in Hamburg gegeben. Im Anschluss an eine Solidaritäts-Demonstration für Israel Mitte Oktober 2023 in der Innenstadt kurz nach dem Terrorangriff der Hamas sollen ein Mann und eine Frau von drei Unbekannten von hinten angegriffen worden sein. Das Trio soll außerdem die mitgeführten Israel-Fahnen zu Boden gerissen und darauf getreten haben.
Bereits 2019 waren Landesrabbiner Shlomo Bistritzky und ein weiteres Mitglied der Jüdischen Gemeinde auf dem Rathausmarkt bespuckt und angepöbelt worden. Für Protest sorgten die Gastprofessuren zweier indonesischer Künstler an der Hochschule für bildende Künste im Herbst 2022. Die beiden Mitglieder des ruangrupa-Kollektivs hatten auf der documenta fifteen als Kuratoren unter anderem Kunstwerke mit eindeutig antisemitischen Motiven ausgewählt.