Hamburg. Theater, IB-Abschluss, Musik oder Kunstführungen: bunte Mischung an weiterführenden Schulen. Welches Profil passt zu welchem Schüler?
Theater spielen, Altgriechisch lernen oder warum nicht eine technische Berufsausbildung absolvieren? Hamburgs Gymnasien und Stadtteilschulen bieten Oberstufenschülern eine breite Auswahl an Profilen. An der Goethe-Schule-Harburg stehen die Schüler auf der „Weltbühne“, am Gymnasium Allee in Altona finden sie heraus, warum die Musik im Kopf spielt. Oder wie wäre es mit einer Führung im Bucerius Kunst Forum? Natürlich: von Schülern für Schüler.
Hamburgs Oberstufenprofile: Wenn Schüler zu Kunstexperten werden
Kunst hautnah erleben: Wer am Wilhelm Gymnasium in Harvestehude das Kunstprofil wählt, hat das Privileg, während der Schulzeit Originalwerke betrachten zu können. Möglich macht das die Kooperation „Schüler führen Schüler“ mit dem Bucerius Kunst Forum. „Die Führungen finden eins zu eins statt: Ein ausgebildeter Schülerführer von uns mit einem Gast“, sagt Uwe Niemann, Kunstlehrer am Wilhelm Gymnasium. „Die Idee ist, dass man über die ausgestellten Werke ins Gespräch kommt. Welche Richtung das Gespräch nimmt, ist offen.“ Die Schüler bekommen vorab Materialien, um sich auf die Ausstellungen vorzubereiten.
Der 17-jährige Cooper sieht die Führungen als eine Aufgabe, an der er wachsen kann. „Die anderen Profile sitzen jetzt im Unterrichtsraum, und wir interagieren hier mit Menschen.“ Ganz aktuell: die Ausstellung Mythos Spanien über Ignacio Zuloaga. Geführt werden an diesem Tag etwa 30 Kinder der Clara-Grunwald-Grundschule. Auch ältere Menschen oder Flüchtlinge seien manchmal bei den Führungen zu Gast.
Nicht nur die Schüler, sondern auch das Ausstellungshaus profitiere von der Kooperation. „Ich glaube, dass Museen allgemein häufig noch den Ruf haben, etwas sehr Unantastbares zu sein“, sagt Robin Hofstetter, Pressereferent des Bucerius Kunst Forums. „Durch solche Projekte können wir die Barriere zur Kunst abbauen.“
Am Gymnasium Allee spielt die Musik im Kopf
Was unterscheidet Lärm von Musik? Warum gibt es verschiedene Musikgeschmäcker? Und wie könnte eine Disco für Gehörlose aussehen? Das Spektrum an Themen, die eine Brücke zwischen Musik und Psychologie schlagen, ist weit. Das Gymnasium Allee in Altona hat das erkannt und ein eigenes Profil auf die Beine gestellt. Nicht nur Geigen-Virtuosen, sondern alle musikinteressierten Schülerinnen und Schüler sollen dadurch angesprochen werden. „Musik hat immer noch den Ruf: klassisch und schwer“, sagt Psychologielehrer Alexander Limmer. „Wir haben eine andere Agenda. Du musst nicht zehn Jahre lang Klavier gespielt haben, sondern jeder kriegt eine Chance.“
Das Profil zähle immer zu den beliebtesten Profilen, sagt Musiklehrerin Beate Bugenhagen. Die meisten Schüler hätten durch ihren Medienkonsum bereits ein gutes Gespür für Musik. „Die Schüler wissen eigentlich schon, wann sie welche Musik unterlegen müssen, um einen bestimmten Effekt zu erzielen“, sagt Alexander Limmer. „Es fehlt dann nur noch der Überbau.“ Es gebe zwar noch andere Schulen, die ein Psychologie-Profil anbieten, in Kombination mit Musik sei das Gymnasium Allee jedoch hamburgweit einzigartig.
Goethe-Schule-Harburg: Theater, Theater, der Vorhang geht auf!
„... dann wird die Bühne zur Welt“, sang Katja Ebstein schon 1980 beim Eurovision Song Contest. In der Goethe-Schule-Harburg wird die Welt auf die Bühne geholt. Nicht nur klassische Stücke, sondern auch aktuelle, gesellschaftlich relevante Themen sollen inszeniert werden. „Das profilgebende Fach ist Politik, Gesellschaft, Wirtschaft (PGW), die profilbegleitenden Fächer sind Theater und Englisch“, sagt Schulleiter Jan-Henning Preuße. „Viele Inhalte aus dem Fach PGW finden sich im Idealfall auf der Bühne wieder.“
Das Profil „Weltbühne“ startet zum kommenden Schuljahr, 25 Schüler haben sich bereits angemeldet. „Es ist direkt mit in die beliebtesten Profile aufgestiegen“, sagt Bastian Bänsch, Abteilungsleiter der Oberstufe. Theaterkurse gibt es an der Goethe-Schule-Harburg schon lange. Dort beschäftigen sich die Schüler neben Theater-Theorien auch mit spielerischen Elementen. Welche Rolle spielt der Raum? Wie nutze ich einen Raum? „Dazu werden Szenen entwickelt“, sagt Jan-Henning Preuße.
Viel Leben in vermeintlich toten Sprachen: Altgriechisch und Latein am Johanneum
Neuer Glanz für angestaubte Sprachen: Das Johanneum in Winterhude erweckt Latein und Altgriechisch durch das altsprachlich-historische Profil wieder zum Leben. Bis zum Ende der zehnten Klasse sind beide Sprachen obligatorisch, in der Oberstufe können sich die Schüler für Latein oder Altgriechisch entscheiden oder beide Fächer behalten. Behandelt werden auch ganz aktuelle Themen. Was haben zum Beispiel Ovids Lykische Bauern mit den jüngsten Bauernprotesten zu tun?
„Man darf ‚nicht gesprochen werden‘ nicht verwechseln mit langweilig oder unnütz“, sagt Schulleiterin Inken Hose. „Das Gegenteil ist der Fall.“ Die Schüler werden sprachlich gebildet und lernen, Texte zu entschlüsseln. Weil die Inhalte so zeitlos sind, sei die Bildung immer hochaktuell. „Die Schüler lernen unter anderem, hinter die Zeilen zu schauen und Quellen zu prüfen.“
Abitur plus Ausbildung am Gymnasium Altona
Eine Doppelqualifikation mit Seltenheitswert bietet das Gymnasium Altona an. Wer das Profil „Materie, Mensch, Technik“ belegt, kann durch wöchentliche Kurse parallel zum Abitur eine Ausbildung zum Chemisch-Technischen Assistenten (CTA) absolvieren. „Das ist ein Magnet für Schüler, die ein hohes naturwissenschaftliches Interesse haben“, sagt Oliver Schuster, Lehrer für Chemie und CTA. Vorgesehen ist so was eigentlich nicht, die CTA-Ausbildung wird am Gymnasium seit 44 Jahren über einen Schulversuch geregelt.
Schüler aus ganz Hamburg kommen nach Altona, um an den Kursen teilzunehmen. Die 17-jährige Anni Karnapp besucht das Gymnasium Meiendorf und erhofft sich durch die CTA-Ausbildung bessere Chancen auf einen Platz im Medizinstudium. Eine weitere Besonderheit: Nach dem Abitur bleiben die Schüler noch ein Semester lang in der Ausbildung, von Montag bis Donnerstag im Gymnasium Altona und am Freitag beim Kooperationspartner in der Berufsschule Bergedorf BS06.
Alter Teichweg: Pädagogik-Profil an der Eliteschule des Sports
Die Grund- und Stadtteilschule Alter Teichweg in Dulsberg ist vor allem als Eliteschule des Sports bekannt. Dass dort ein Pädagogik-Profil angeboten wird, macht die Schule zu einer echten Rarität. „Das Fach Pädagogik ist verbunden mit Sport, Theater und Philosophie“, sagt Hanno Frey, Abteilungsleiter der Oberstufe. Die Idee sei, dass fächerübergreifend gearbeitet wird. Bei Sport und Pädagogik gehe es zum Beispiel um die verschiedenen Entwicklungsphasen. Wann werden bestimmte motorische Fähigkeiten angeeignet? In dem Profil werden auch große Wegbereiter der Pädagogik wie Piaget behandelt.
International Baccalaureate am Helene-Lange-Gymnasium
Nach der Schule international durchstarten: Mit dem Abschluss International Baccalaureate (IB) können Schüler in vielen Ländern der Welt unkompliziert studieren. Das Helene-Lange-Gymnasium in Harvestehude bietet den IB-Abschluss seit 2003 an. Es handelt sich dabei um ein zusätzliches Angebot, die Schüler müssen weiterhin das deutsche Abitur ablegen. Bereits in den Klassen fünf bis zehn werden die Schüler durch verstärkten Englischunterricht auf die erhöhten sprachlichen Anforderungen des IB-Programms vorbereitet.
Die Schüler müssen in der Oberstufe sechs Fächer durchgängig belegen, in jedem Fach wird eine Abschlussprüfung abgelegt. Zum Abschluss gehören außerdem eine Facharbeit sowie das „Creativity, Action, Service“-Programm. Wer nach der Schule doch nicht im Ausland studieren möchte, habe durch die hochwertige Zusatzqualifikation Wettbewerbsvorteile in Deutschland, heißt es von der Schule. Außerdem würden die Schüler in Englisch eine Sprachkompetenz erlangen, die fast an das Niveau von Muttersprachlern heranreicht.
Mehr als nur „irgendwas mit Medien“ an der Heinrich-Hertz-Schule
Grafikdesign, Fotografie, Film: Das Berufsfeld im Medienbereich ist weit gefächert. Wer noch nicht genau weiß, welcher Beruf der richtige ist, kann sich im Medienprofil der Heinrich-Hertz-Schule in Winterhude ausprobieren. „Das Tolle ist, dass man viel in Projekten arbeitet“, sagt Ralf Brandhorst, Lehrer im Medienprofil. Dazu zählt unter anderem das Jahrbuch, das seit 2010 ein Projekt des Medienprofils ist. Die Schüler lernen zum Erstellen des Layouts den Umgang mit professionellen Programmen wie Photoshop sowie das eigenständige Recherchieren und Verfassen von Artikeln. „Das Jahrbuch wird dann auch verkauft mit über 1000 Exemplaren jedes Jahr.“
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Ein weiteres Projekt ist der Medienabend. Die Schüler präsentieren dort Filme, Installationen oder Animationen, die sich mit Zukunftsszenarien auseinandersetzen. Wird KI unsere Arbeits- und Lebenswelt verbessern oder droht sie übermächtig zu werden? Auch Lern- und Erklärvideos zum Thema Fake-News wurden schon produziert. „Die Schüler haben eigene Laptops und nutzen sie in allen Fächern“, sagt Ralf Brandhorst.