Hamburg. Dieser Mann malte die Seele Spaniens: Hamburger Ausstellungshaus will Künstler Ignacio Zuloaga, Freund von Gauguin, bekannter machen.
Ein stattlicher Mann mit dunklem Haar, in weißem Hemd und schwarzem Mantel, begegnet einem gleich am Eingang der Ausstellung. Seine Körperhaltung ist aufrecht und doch lässig, sein Blick ist direkt auf die Betrachter gerichtet, es ist ein stolzer und selbstbewusster Blick, aus Augen, die viel gesehen zu haben scheinen. Der Mann könnte ein Bonvivant sein, der sich im Montmartre herumtrieb, ein verwegener Stierkämpfer, ein Künstler, der sich in den Salons mit den Schönen und Reichen ebenso wohlfühlte wie bei den einfachen Leuten, die er porträtierte.
Das Gemälde ist eins der wenigen Selbstbildnisse, die der Maler Ignacio Zuloaga (1870–1945) anfertigte. Es ist, ebenso wie die meisten der anderen 79 Bilder, die das Bucerius Kunst Forum in seiner neuen Sonderausstellung zeigt, ein Großformat in opulenten Farben, die vor den dunkel gehaltenen Wänden extrem stark zur Geltung kommen. Fragt man am Tag des Presserundgangs die anwesenden Journalisten und Kunstinteressierten, so ist sein Name den meisten unbekannt.
Kunst in Hamburg: Ignacio Zuloaga – er malte die Seele Spaniens
Wer also war Ignacio Zuloaga? Er stammte aus einer Familie von Kunsthandwerkern im baskischen Eibar, ließ sich in Paris und Rom zum Maler ausbilden, war mit Paul Gauguin, Auguste Rodin und Maurice Ravel befreundet. Seine Kunst war inspiriert von den alten spanischen Meistern: Velázquez, El Greco, Goya. Er war verheiratet mit Valentine Dethomas, der Schwester eines Künstlerfreundes, und hatte als 21-Jähriger seine erste Ausstellung in Paris, unter anderem zusammen mit Vincent van Gogh.
Der erste Bruch mit der High Society erfolgte Mitte der 1890er-Jahre, da siedelte der Künstler nach Sevilla über, um als Torero aufzutreten und bei den Gitanos, den spanischen Roma, zu leben. Ende des Jahrhunderts zog es ihn nach Kastilien, auf der Suche nach dem ursprünglichen Spanien, das durch zunehmende Industrialisierung und Orientierung an der europäischen Moderne im Umbruch befindlich war, vielen gar als verloren schien. Zumal das ganze Land in einer tiefen Krise steckte nach dem verlorenen Krieg gegen die USA 1898 und dem Verlust der letzten bedeutenden Überseekolonien.
Zuloaga hielt das Leben der Menschen in den kleinen Dörfern fest, mit ihrer traditionellen Kleidung, Flamenco und Stierkampf, den religiösen Prozessionen, jahrhundertealten Sitten, Bräuchen und Legenden. Weit, weit weg von kitschiger Folklore. Aber genau das war vielen Landsleuten ein Dorn im Auge; sein Stil galt als unpatriotisch. Weswegen Ignacio Zuloaga, als Maler der spanischen Seele, überall auf der Welt populärer war als in seiner Heimat. Auch in Deutschland, wo er 1901 an der Internationalen Kunstausstellung Dresden teilnahm und mit der Großen Goldenen Medaille ausgezeichnet wurde.
Zuloaga bewunderte die alten spanischen Meister wie El Greco und Goya
„Bei ihm ist nichts real, es geht Ignacio Zuloago um Wahrheit“, sagt Carlos Alonso Perez-Fajardo, der „Mythos Spanien“, eine Übernahme aus der Kunsthalle München, zusammen mit Katrin Dyballa kuratiert hat. Was das bedeutet, wird etwa am Gemälde „Der Kardinal“ von 1912 ersichtlich. Formal ist das Bild eine Hommage an die von ihm bewunderten Meister des sogenannten Goldenen Zeitalters. Es zeugt aber auch von Zuloagas Verachtung für die Kurie; so ist das Gesicht des Kardinals welk und gewöhnlich, weit entfernt von den sonst so vornehmen Zügen der Kirchenfürsten. Der junge Priester, der unterwürfig zu ihm hinsieht, sorgte für einen Skandal. Oft wurde der Maler gefragt, ob dies der Liebhaber oder Geliebte des Kardinals sei.
Bemerkenswert auch das „Porträt der Dona Rosita Gutiérrez“ (1914/15): Vor einer kulissenhaften Landschaft sitzt eine ältere Frau in traditioneller Tracht. Die Szene wirkt durch den dynamischen Pinselstrich düster und dramatisch, der Fächer, den auch Goyas „Nackte Maja“ ziert, ist ein Zeichen für Zuloagas Bewunderung für den Meister. In dem Bild steckt aber auch eine verschlüsselte, selbstironische Botschaft. Die Dargestellte ist keine traditionelle Spanierin, wie beim Bildankauf durch das Museum in Bilbao angenommen, sondern eine in Paris lebende Prostituierte und Bordellbetreiberin.
Hamburg zeigt die erste umfassende Schau des Künstlers in Deutschland
Für Ignacio Zuloaga gab es keine Standesunterschiede, er malte all seine Modelle mit derselben Hingabe: den Künstler Balenciaga und den berühmten Torero Juan Belmonte, die Gräfin Mathieu de Noailles und den Schriftsteller Enrique Larreta, eine junge Gitana oder einen Straßenkehrer.
Dass diese fantastischen Bilder aus aller Welt in Hamburg für die erste umfassende Ausstellung über den Künstler in Deutschland zusammengekommen sind, ist übrigens einem glücklichen Zufall zu verdanken, erzählt Kathrin Baumstark: „Da das Museum in Bilbao momentan geschlossen ist, konnten die dortigen Zuloaga-Gemälde überhaupt auf Reisen gehen. Dasselbe gilt für die Leihgaben aus dem Reina-Sofía-Museum in Madrid, das gerade renoviert wird.“ Für die Direktorin, die mit den Kuratoren nach Spanien gereist war, um sich den Maler vor Ort anzusehen, war sofort klar: „Wir müssen diesen Künstler zeigen und dafür sorgen, dass er bekannter und öfter ausgestellt wird.“ Katrin Dyballa ergänzt: „Die Schau ist eine einmalige Gelegenheit, Ignacio Zuloaga für sich zu entdecken.“
„Mythos Spanien. Ignacio Zuloaga 1870–1945“ 17.2.–26.5., Bucerius Kunst Forum (U/S Jungfernstieg), Alter Wall 12, täglich 11.00–19.00, Do 11.00–21.00, Eintritt 12,-/6,- (erm.), Kinder und Jugendliche bis 18 J. frei; buceriuskunstforum.de. Sie möchten an einer exklusiven Veranstaltung zu der neuen Ausstellung teilnehmen? Dann melden Sie sich gern per E-Mail mit dem Betreff „Bucerius Kunst Forum“ unter leserevents-abendblatt@funkemedien.de. Wir informieren Sie gerne.