Hamburg. Ausbildung zum Chemisch-Technischen Assistenten (CTA). Aus ganz Hamburg kommen Schüler nach Altona, um an den Kursen teilzunehmen.
- Zusätzliche Kurse am Gymnasium Altona, um neben dem Abi eine Ausbildung zu absolvieren
- Abi plus CTA Ausbildung hamburgweit einzigartig - in Österreich ganz normal
- Gute Berufsaussichten, vielfältiger Arbeitsmarkt und Vorteile im Studium
Studium oder Ausbildung: Warum nicht beides? Am Gymnasium Altona können Schülerinnen und Schüler parallel zum Abitur eine Ausbildung zum Chemisch-Technischen Assistenten (CTA) absolvieren. Einmal pro Woche stehen die CTA-Kurse auf dem Plan. Die Ausbildung wird in Kooperation mit der Berufsschule Bergedorf BS06 durchgeführt und ist so beliebt, dass Schüler aus ganz Hamburg daran teilnehmen wollen. Auf die Absolventen wartet „ein ganzer Blumenstrauß an Vorteilen“, sagt Oliver Schuster, Lehrer für Chemie und CTA am Gymnasium Altona.
„Das ist ein Magnet für Schüler, die ein hohes naturwissenschaftliches Interesse haben“, sagt Oliver Schuster. „Das Prinzip ist simpel: Die Schüler machen ganz normal ihr Abitur und machen zusätzliche Kurse, um am Ende eine Berufsausbildung zu erlangen.“ Wer die CTA-Ausbildung absolvieren will, muss das Profil „Materie, Mensch, Technik“ wählen.
Abi plus Ausbildung: CTA Kurse beginnen am Gymnasium Altona in Klasse zehn
Niclas Fersterer hat für die Ausbildung extra die Schule gewechselt, denn das Angebot ist in Hamburg einzigartig, und besucht nun die elfte Klasse des Gymnasiums Altona. Auch externe Schüler haben die Möglichkeit, die Ausbildung zu absolvieren. Der 17-Jährige wollte sich als interner Schüler bewerben, um seine Chancen auf einen der begehrten Plätze zu erhöhen. „Mir gefällt es sehr gut, weil es viel Laborpraxis ist und man die Theorie mit der Praxis verbindet.“
Schon in der zehnten Klasse beginnen die Kurse. Zunächst lernen die Schüler die wichtigsten Laborgeräte und ihre Verwendung kennen. In der Studienstufe liege der Ausbildungsschwerpunkt vor allem auf Chemischer Analytik (CA) und der Physikalisch-Technischen Analytik (PTA). „In der PTA forscht man zum Beispiel daran, wie man den Schmelzpunkt von Wasser senken kann“, sagt Niclas Fersterer.
In Hamburg einzigartig, in Österreich nicht ungewöhnlich
Die CTA-Ausbildung am Gymnasium Altona ist eine echte Rarität. „Verboten ist so etwas nicht, nur halt nicht regelhaft so vorgesehen“, sagt ein Sprecher der Schulbehörde. „Daher wird eine solche Ausnahme via Schulversuch geregelt.“ Diesen Status werde die CTA-Ausbildung auch nie verlassen, sagt Oliver Schuster. Nur an der Stadtteilschule Bergedorf ist diese Doppelqualifikation ebenfalls möglich, zum Sommer wird das Angebot jedoch eingestellt. Weitere Kooperationen zwischen berufsbildenden und allgemeinbildenden Schulen sind dem Hamburger Institut für Berufliche Bildung nicht bekannt.
„Wir haben so was gezielt gesucht“, sagt Niclas Mutter Briska Fersterer. Sie kommt ursprünglich aus Österreich, wo diese Art der Doppelqualifikation nicht ungewöhnlich ist. Nach der achten Klasse können Schüler dort zum Beispiel eine Höhere Technische Lehranstalt (HTL) besuchen und sowohl eine Ausbildung als auch die Matura erlangen, die zum Hochschulstudium berechtigt. Gerade für Schüler, die noch nicht genau wissen, was sie nach der Schule machen wollen, sei das eine tolle Möglichkeit, sagt Briska Fersterer. „Da könnte man mal den Blick über die Grenze nach Österreich werfen.“
Hamburgweit beliebt: Auch externe Schüler nehmen an den CTA Kursen teil
180 Schülerinnen und Schüler absolvieren gerade die CTA-Ausbildung, darunter auch viele Jugendliche von anderen Schulen, sagt Oliver Schuster. Aus Bergedorf, Norderstedt, südlich der Elbe oder auch aus dem Hamburger Westen würden Schüler teilweise über eine Stunde Fahrt auf sich nehmen, um an den Kursen teilzunehmen. „Das funktioniert natürlich nur, weil die Kurse nachmittags sind.“
Die Jugendlichen kommen an einem Tag in der Woche zum Gymnasium Altona, „sonst wäre das ja auch Wahnsinn“. Die Ausbildung geht über fünf Semester. Die Schüler bleiben also nach dem Abitur noch ein halbes Jahr in der Ausbildung. Dann nicht mehr einmal pro Woche, sondern von Montag bis Donnerstag im Gymnasium Altona und am Freitag beim Kooperationspartner in der Berufsschule Bergedorf BS06.
Schülerin: Bekomme durch die Ausbildung eher Platz im Medizinstudium
Anni Karnapp besucht die elfte Klasse des Gymnasiums Meiendorf in Rahlstedt und fährt wöchentlich nach Altona, um an den CTA-Kursen teilzunehmen. „Ich interessiere mich allgemein für Chemie und Physik, deshalb habe ich mir gedacht, dass das gut passen könnte“, sagt die 17-Jährige. „Wenn man die CTA-Ausbildung macht, bekommt man außerdem eher einen Platz im Medizinstudium.“ Mit dem Arbeitsumfang komme sie gut klar, allerdings sei es schon anstrengend, wenn man abends um 22 Uhr aus dem Labor kommt.
Ihre Eltern waren zunächst unsicher, ob die CTA-Ausbildung eine gute Idee sei. „Am Anfang waren wir skeptisch, weil wir Angst hatten, dass es zu viel wird“, sagt ihr Vater. „Das war relativ schnell vom Tisch. Wir merken, dass es funktioniert und ihr Spaß macht.“ Dass es sich dabei um eine vollständige Berufsausbildung handelt, begeistert den 52-Jährigen.
Agentur für Arbeit Hamburg: vielfältiger Arbeitsmarkt
Die Berufsaussichten seien gut, sagt Oliver Schuster. „Man hat gute Einstiegschancen mit einem guten Einstiegsgehalt.“ Das bestätigt die Agentur für Arbeit Hamburg. Chemisch-Technische Assistenten können in verschiedenen Bereichen der Industrie und Chemie arbeiten. Auch in Hochschul- oder Forschungslaboren werden ausgelernte CTA eingesetzt. „Der Arbeitsmarkt ist also wirklich vielfältig“, sagt Vanessa Schwarz, Sprecherin der Agentur für Arbeit Hamburg. Dass so etwas angeboten wird, sei „eine sehr gute Sache“.
Aktuell leidet die Chemie-Branche jedoch unter dem Krieg in der Ukraine. „Seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine ist die Produktion von Chemie und Pharma in Deutschland um zwölf Prozent geschrumpft“, sagt Sebastian Kautzky, Pressesprecher des Bundesarbeitgeberverbands Chemie. Damit die Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleibt, müsse auch die Tarifpolitik ihren Beitrag leisten.
Viele Studiengänge rechnen Berufsausbildung an
Nicht nur für Berufseinsteiger sei die CTA-Ausbildung von Vorteil, sagt Oliver Schuster. „So was im Lebenslauf zu haben ist sehr besonders.“ Wer nach dem Abi studieren will, könne ebenfalls von der Ausbildung profitieren. „Viele Studiengänge rechnen eine Berufsausbildung an, sodass man im Numerus clausus einen Vorteil erhält.“ In einigen Studiengängen müssten bestimmte Praktika nicht mehr absolviert werden.
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Bela König hat die CTA-Ausbildung bereits absolviert. „Ich würde es vor allem Leuten empfehlen, die was Praktisches machen wollen.“ Der 18-Jährige beginnt demnächst ein Praktikum bei Aurubis und möchte danach Chemie studieren und als Werkstudent im Betrieb weiterarbeiten. „Ich habe das wahrscheinlich nur bekommen, weil ich die Ausbildung habe, das hätte man als Abiturient wohl nicht bekommen.“
Absolvent: Job zu bekommen war „überraschend leicht“
Auch für Finn Bollensen hat sich die CTA-Ausbildung bereits ausgezahlt. Der 18-Jährige arbeitet bei Eurofins in der Lebensmittelanalytik. Den Job zu bekommen sei „überraschend leicht“ gewesen. Teil der Ausbildung ist ein Pflichtpraktikum, das er schon in dem Betrieb absolviert hat. Die Doppelbelastung sei während der Schulzeit aber stressig gewesen.
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