Hamburg. Zwei Männer wegen grausamer Taten angeklagt. Es ist der zweite Prozess in der Sache. Warum das erste Urteil aufgehoben wurde.
Am Ende war der Mann mehr tot als lebendig. Über Stunden gequält, schwer verletzt und aus etlichen Wunden blutend: So lag der damals 43 Jahre alte Piotr W. in einer Monteurswohnung. Sein Zustand war akut lebensbedrohlich. Und ohne ärztliche Versorgung wäre er wohl gestorben.
So sieht es zumindest die Anklage, die wegen der mutmaßlich extrem gewalttätigen Vorfälle im August 2021 zwei Männer vor Gericht gebracht hat. Einer der Angeklagten muss sich seit Mittwoch in dem Prozess in Hamburg wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Seinem mutmaßlichen Komplizen wirft die Staatsanwaltschaft unter anderem Beihilfe zum versuchten Mord vor.
Prozess Hamburg: 43-Jähriger soll Opfer eines Gewaltexzesses sein
Die Geschehnisse, die offenbar geradezu in einen Gewaltexzess mündeten, sind jetzt bereits zum zweiten Mal Gegenstand einer Hauptverhandlung. Ein früheres Urteil gegen die beiden Männer war teilweise vom Bundesgerichtshof (BGH) aufgehoben worden. Zuvor hatte eine andere Strafkammer gegen den Angeklagten Lukas D. eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen verhängt. Der Mitangeklagte Dawid B. erhielt wegen unterlassener Hilfeleistung zehn Monate Gefängnis. Dagegen war die Staatsanwaltschaft erfolgreich in Revision gegangen. Sie ist davon überzeugt, dass ein Tötungsvorsatz nachzuweisen ist.
Den Ermittlungen zufolge hat der damals 43 Jahre alte Piotr W. vom 14. bis 15. August 2021 ein über viele Stunden dauerndes Martyrium durchlitten. In der Anklage ist von „Gewaltfantasien“, von der „Freude am Quälen“ und einer Tötungsabsicht die Rede, die zumindest einer der Angeklagten gehabt habe. Der Angriff sei heimtückisch und grausam gewesen.
Angeklagter hatte laut Staatsanwaltschaft Freude am Quälen
So stellt sich die Tat laut Anklage dar: Piotr W. schläft in einem Zimmer einer Monteurswohnung, die er zusammen mit anderen bewohnt, als er plötzlich Opfer eines massiven Angriffs wird. Lukas D. dringt gemeinsam mit einem anderen, gesondert verfolgten Mann in den Raum ein und beginnt, den 43-Jährigen mit Schlägen und Tritten zu traktieren. Außerdem bewerfen sie den Mann mit Möbelstücken. Dabei soll es Lukas D. darum gegangen sein, seine aggressiven Gewaltfantasien auszuleben. Zudem habe er billigend in Kauf genommen, dass das Opfer tödlich verletzt wird.
Erst als die Angreifer wegen der Möbelstücke, die im Zimmer herumliegen und den Weg blockieren, nicht mehr gezielt auf ihr Opfer einwirken konnten, sollen sie von diesem abgelassen haben, so die Anklage. Der 43-Jährige trug demnach unter anderem drei Rippenfrakturen, eine Platzwunde sowie Hämatome davon.
Opfer wird ohnmächtig. Als er wieder zu sich kommt, gehen die Attacken weiter
Doch mit dieser Attacke waren den Ermittlungen zufolge die Qualen des Opfer nicht beendet. Am Nachmittag des Folgetages sollen Lukas D. und der mitangeklagte Dawid B. gemeinsam mit zwei weiteren Männern in der Küche der Wohnung erneut auf den 43-Jährigen getroffen sein. Jetzt habe Lukas D. mehrfach auf den Mitbewohner eingetreten. Währenddessen sollen Dawid B. sowie ein dritter, gesondert verfolgter Mann tatenlos zugesehen haben. Er habe die Gewalttätigkeiten, bei denen das Opfer am Ende bewusstlos zusammenbrach, gebilligt, wirft die Anklage Dawid B. vor.
- Tod durch Ecstasy: Wer besorgte die Droge für die 16-Jährige?
- St. Pauli: Prozess um Rockerkrieg in Hamburg – Kronzeugin sagt unter Schutz aus
- Prozess in Hamburg um Tod beim Zahnarzt: „Wir dachten, wir seien in guten Händen“
Als der vielfach traktierte Piotr W. wieder zu Bewusstsein kam, soll Lukas D. ihn aufgefordert haben, sein eigenes Blut aufzuwischen. Der mitangeklagte Dawid B. soll dabei den Schwerverletzten zu Boden gedrückt und teilweise auf ihm gekniet haben, damit Lukas D. Gelegenheit hatte, das Opfer in dieser demütigenden Position zu fotografieren. Später soll D. den verletzten 43-Jährigen aufgefordert haben zu duschen, sei ihm dann ins Badezimmer gefolgt und habe ihn mit einem Wischmob und einer Fahrradkette misshandelt.
Angeklagte sollen geglaubt haben, das Opfer sei tödlich verletzt
Das Finale des gewalttätigen Exzesses laut Anklage: Piotr W. fällt durch die Glaswand der Duschkabine und zieht sich dabei weitere Schnittwunden, Knochenbrüche und lebensbedrohliche Verletzungen zu. Die Angeklagten hätten ihn nun zurückgelassen, weil sie meinten, er sei bereits tot oder werde in Kürze sterben, so die Staatsanwaltschaft.
In dem neuen Verfahren steht in Bezug auf den mutmaßlichen Haupttäter durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs schon fest, dass Lukas D. zumindest an der Tat vom 14. und 15. August 2021 beteiligt war. Doch ob seine Handlungen, wie es die Anklage sieht, als versuchtes Tötungsdelikt einzuordnen sind, darüber muss neu verhandelt werden. Bei dem zweiten Angeklagten Dawid B. geht es darum, ob er als Gehilfe zu bestrafen ist. Für den Prozess sind vorerst sieben Verhandlungstage anberaumt. Ein Urteil könnte demnach am 10. Juni erfolgen.