Hamburg. 1300 Pflegebetten in Hamburg leer – wegen Fachkräftemangel. Aber Gewerkschaft gegen mehr Hilfskräfte in Pflegeeinrichtungen.

Weniger als 50 Prozent Fachkräfte auf Pflegestationen, dafür plädiert die Hamburger Diakonie – und auch die Sozialbehörde scheint nicht abgeneigt. Hintergrund ist, dass die sogenannte Fachkraftquote in der Pflege nicht nur zur Qualitätssicherung beiträgt, sondern unter Umständen auch zum Abbau von ohnehin knappen Pflegeplätzen. Denn kann eine Einrichtung die Quote nicht erfüllen, muss sie ihre Kapazitäten verringern. Konkret heißt das: Hilfspersonal im Sinne der Quote entlassen und Pflegeplätze unbesetzt lassen. Unter anderem deshalb stehen in Hamburg derzeit 1300 Pflegebetten leer, wie das Hamburger Abendblatt und der NDR am Montag berichteten.

Pflegenotstand in Hamburg: 1300 Betten nicht belegt

Als Reaktion auf die Berichterstattung folgt nun der Aufschrei seitens der Gewerkschaft Ver.di. Für sie kommt eine Senkung der Fachkraftquote nicht infrage. Dazu Landesbezirksleiterin Sandra Goldschmidt: „Wir lehnen diesen Vorstoß vehement ab. Schon jetzt ist die vorgeschriebene Quote nur 50 Prozent, und real liegt sie bei 40 Prozent.“

Dass die Sozialbehörde überhaupt erwägt, dem Vorschlag von Diakonie und Co. zu folgen, hält sie für infam: „Aufgabe der Sozialbehörde sollte sein, sich auf Ausbildung von Fachkräften zu konzentrieren, statt die Standards zu senken für diejenigen, die sich am schlechtesten wehren können: pflegebedürftige alte Menschen. Wenn Hamburg Stadt der guten Arbeit sein will, dann muss das auch für die Pflege gelten – sie muss hochwertig werden, nicht schlechter!“

Ver.di teilt aus: Diakonie sei selbst schuld an Fachkräftemangel

Den Vorwurf, die Fachkraftquote sei schuld an leeren Pflegeplätzen, weist Goldschmidt entschieden zurück. Zwar revidierte sie ihre erste Kritik an den Löhnen der Diakonie als einen verfrühten Schnellschuss. Nichtsdestotrotz sieht die Landesbezirksleiterin große Lücken hinsichtlich Arbeitsbedingungen und Lohnsicherheit in Pflegeberufen: „Es ist richtig, dass die Hamburger Diakonie an sich nicht schlecht bezahlt. Allerdings sehen wir es so, dass neben den Arbeitsbedingungen auch das Fehlen einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) des Pflegetarifs dazu beigetragen hat, dass potenzielle Pflegekräfte sich von dem Beruf abgewandt haben. Diese nun nicht mehr vorhandenen Fachkräfte fehlen verständlicherweise auch bei der Diakonie – die sich wohlgemerkt gegen die AVE eingesetzt hat.“

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Die Diakonie hält dagegen: „Die Mehrheit der diakonischen Pflegeeinrichtungen in Hamburg ist seit Jahrzehnten tarifgebunden. Also weit, bevor der Gesetzgeber die Tarifregelungen in das SGB XI aufgenommen hat.“ Ver.di solle mit seiner Forderung lieber die „vielen nicht tarifgebundenen Pflegeeinrichtungen in Hamburg bzw. in Deutschland ansprechen“. Außerdem gehöre die Diakonie mit einer Lohnsteigerung von zehn Prozent zum Jahr 2024 „zu den deutlich besser zahlenden Arbeitgebern in Hamburg“.

Mehr Fokus auf Ausbildung – statt Senkung der Fachkraftquote?

Arbeitsbedingungen hin oder her, die Senkung der Fachkraftquote als Mittel zur Verbesserung in der Pflege ist für Goldschmidt ein Holzweg: „Es ist merkwürdig zu sagen: ,Wir finden Leute, die sind nur nicht qualifiziert.´ Anstatt die Fachkraftquote zu senken, wäre es wesentlich sinnvoller, die vorhandenen Pflegekräfte berufsbegleitend weiterzubilden. So wären genügend Fachkräfte vorhanden, die Pflegeplätze würden erhalten bleiben und die Leute etwas mehr Geld verdienen – eine Win-win-Situation.“

Auch die Diakonie ist grundlegend offen für mehr Ausbildung. Ein Sprecher sagte dem Hamburger Abendblatt dazu: „Auch wir setzen uns für weitere Qualifizierungen ein, so fordern wir z. B. eine zusätzliche einjährige Pflegeausbildung. Allerdings kann damit die demografische Entwicklung nicht aufgefangen werden. Wir haben immer weniger junge Menschen, die mit einer Ausbildung starten, und gleichzeitig immer mehr Menschen, die auf Pflege und Unterstützung angewiesen sind. Sich in so einer Situation auf veraltete starre Quoten zu verlassen halten wir für grob fahrlässig. Es braucht intelligente Lösungen wie z.´B. eine Modifizierung der Fachkraftquote und eine neue differenziertere Personaleinsatzplanung.“