Hamburg. … wie man es besser nicht macht: Die Energiewende wird zum abschreckenden Beispiel. Damit schadet die Bundesrepublik dem Klimaschutz.

Die Deutschen, das weiß die Geschichte, hatten schon immer einen fatalen Hang zur Besserwisserei. Schön für die Nachbarn ist, dass wir heute nicht mehr mit Panzern und Springerstiefeln das deutsche Wesen verbreiten, sondern nur noch mit dem Lastenrad und in Birkenstock-Sandalen.

Ob aus der Politik, der Wissenschaft oder den Nichtregierungsorganisationen (NGO): Immer heißt es, Deutschland müsse vorangehen. „Die nachhaltige Energieversorgung in Deutschland kann ein Vorbild für andere Länder sein“, befand schon 2017 Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck verspricht: „Die Energiewende trägt zum Wohlstand und zur Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands entscheidend bei.“ Olaf Scholz sieht gar ein zweites „Wirtschaftswunder“ am Horizont.

Deutschland will Vorbild sein. Aber kann es das?

Das Wuppertal-Institut betont, Deutschland habe „eine ganz wichtige Signalwirkung“ und „Vorbildfunktion“. Und die NGO Germanwatch findet, Deutschland als „Pionier auf dem Weg in eine Welt niedriger CO2-Emissionen“ stärke mit seinem „Erfolgsmodell“ die Akteure, die in anderen Ländern Effizienz und erneuerbare Energien vorantreiben.

Das sind alles hübsche Gedanken, und das Streberhafte sei verziehen – denn es geht um das Weltklima. Blöd nur, dass der hehre Anspruch, Vorreiter zu sein, auf eine bittere Realität trifft: Wir sind keine Wirtschaftswundermacher, sondern erleben gerade unser blaues Wunder.

Kein großes Industrieland wächst so schwach wie Deutschland

Kein großes Industrieland steht so schlecht da. Am Dienstag hat der IWF seine Prognosen für die Weltkonjunktur von 3,1 auf 3,2 Prozent erhöht, aber für Deutschland den Daumen noch weiter gesenkt – hier wird die Prognose von 0,5 auf 0,2 Prozent zurückgenommen. Die Welt wächst, Deutschland dümpelt.

Natürlich hat das nicht allein mit der Energiewende zu tun: Die Bürokratie wuchert, das Bürgergeld verschärft den Arbeitskräftemangel, und der Ukraine-Krieg hat das deutsche Problem potenziert. In der Bündelung ein toxisches Gemisch für Firmen, die im internationalen Wettbewerb stehen.

Das gilt auch für die Energiewende. Sie ist eine gute Idee, aber man muss sie clever angehen und sie sich leisten können. Starken Unternehmen gelingt die Transformation, aber sie wird scheitern, wenn die Regierung den Firmen Wackerstein um Wackerstein in den Rucksack legt.

Unternehmen benötigen günstigen, grünen, zuverlässigen Strom

Eine zentrale Aufgabe der Wirtschaftspolitik lautet, zuverlässigen, günstigen und umweltfreundlichen Strom bereitzustellen. Aus dem energiepolitischen Dreieck ist ein Eineck geworden – Hauptsache, grün. Der Bundesrechnungshof warnt vor einer unsicheren Stromversorgung, die Preise sind zwar rückläufig, aber im internationalen Vergleich zu hoch. Trotz des knappen Stromangebots hat die Bundesregierung die Atomkraftwerke abgeschaltet – nun ist das Land wieder Stromimporteur. Zweitgrößter Lieferant ist übrigens die Atomnation Frankreich.

Längst sinkt der deutsche Stromverbrauch – weil produktionsintensive Branchen drosseln. Die Chemieproduktion ging 2022 um zwölf und ein Jahr später um weitere elf Prozent zurück. Ob die Degrowth-Prediger sich das so vorgestellt haben?

Alte Industrien verschwinden, neue wachsen anderswo

Die alten Industrien verschwinden ins Ausland, die neuen wachsen anderswo. In diesen Tagen gingen zwei weitere Hoffnungsträger: Der Solarmodulhersteller Meyer-Burger stellt seine eben erst hochgefahrene Solarmodulproduktion in Deutschland ein, und der Haus-Batteriehersteller Varta wird zum Sanierungsfall. Beide kapitulieren auch angesichts der chinesischen Übermacht, die mit Subventionen den Zukunftsmarkt besetzt.

Die Wärmepumpenhersteller bauen zwar große Produktionsstätten auf – aber in Polen oder der Slowakei. „In Deutschland müsste man zu lange warten, um eine neue Fa­brik genehmigt zu bekommen“, sagte der Manager des japanischen Konzerns Daikin, Volker Weinmann, dem „Spiegel“. Der Pumpenhersteller Grundfos gibt nun seinen Standort Wahlstedt ganz auf und verlagert nach Dänemark und Osteuropa – wohl wegen der Energiepreise. Man benötigt kein volkswirtschaftliches Studium, um zu erkennen: So wird das alles nix.

Mehr zum Thema

Kein Zweifel: Die Zukunft der Energieversorgung ist fossilfrei. Wer es schafft, neue Industrien zu entwickeln und die alten klimaneutral zu machen, hat beste Perspektiven. Wenn Deutschland so weitermacht, wird es Vorbild. Vorbild, wie man es besser nicht macht. Und das wäre für das Klima eine echte Hiobsbotschaft.