Hamburg. Bundeskanzler Scholz hat hohe Erwartungen an die Energiewende. Er könnte dramatisch irren.

So viel Optimismus war selten aus dem Munde des Kanzlers zu vernehmen: „Wegen der hohen Investitionen in den Klimaschutz wird Deutschland für einige Zeit Wachstumsraten erzielen können, wie zuletzt in den 1950er- und 1960er-Jahren geschehen“, sagte Olaf Scholz kürzlich.

Man reibt sich verwundert die Augen – damals wuchs die Volkswirtschaft durchschnittlich um acht Prozentpunkte, in diesem Jahr steht nur eine schwarze Null – wenn nichts dazwischenkommt.

Der Verkauf von Viessmann ist ein Warnsignal

Zweifellos löst die Energiewende massive Investitionen aus – die Frage ist nur, wo diese Milliarden am Ende landen. Eine Nachricht hat in dieser Woche die große Zuversicht gedämpft. Der Heizungsbauer Viessmann, eine der vielen Perlen des deutschen Mittelstands, wird an das US-Unternehmen Carrier verkauft.

Diese Nachricht erwischt viele auf dem falschen Fuß. Schließlich sollte die Wärmewende doch gerade diesem Unternehmen eine prächtige Zukunft eröffnen. Das sehen zumindest die Eigner der Firma ganz anders – sie verkaufen zu einem Zeitpunkt, wo der Optimismus groß und die Realität noch nicht zugeschlagen hat.

Am Ende profitieren Konzerne aus dem Ausland

Experten warnen, dass die Wärmepumpen künftig vor allem außerhalb Deutschlands gebaut werden. Schon vor dem Verkauf der Viessmann-Sparte in die USA flossen die Investments vor allem ins europäische Ausland, Bosch und Viessmann gingen nach Polen, Vaillant in die Slowakei. Einer der Gründe neben schnelleren Genehmigungen und niedrigeren Lohnkosten sind die geringeren Energiepreise.

Im Klartext: Die deutsche Energiewende wird von polnischen Kohlekraftwerken befeuert. Gerade haben die Deutschen ihre Atomkraftwerke stillgelegt und damit weitere Strompreiserhöhungen von acht bis zwölf Prozent riskiert. Der Exodus dürfte weitergehen.

Wiederholt sich der Untergang der Solarbranche?

Damit droht, was den Deutschen schon bei der Solar- und der Windindustrie passiert ist: Die Asiaten überrollen – angezogen von den Subventionen durch den deutschen Steuerzahler – den Markt. Für die großen Konzerne ein tolles Geschäft: Schon heute produzieren asiatische Hersteller wettbewerbsfähiger. Wo die Deutschen hingegen führend waren, etwa bei der klassischen Gas- oder Ölheizung, verlangt die Politik neue Techniken. Das erinnert an den Diesel, den die Politik gerade erledigt hat. Das Wirtschaftswunder findet statt – in Fernost.

Als Fritz Vahrenholt noch Vorstandschef der Hamburger Repower AG war, verkaufte er 2002 einer kleinen chinesischen Klitsche namens Goldwind die Lizenz zum Nachbau einer Windanlage. Flugs kopierten die Chinesen das Getriebe, heute ist Goldwind Nummer 2 auf dem Weltmarkt. Sieben der Top-Ten-Hersteller der Windbranche stammen aus China.

Auch die Windbranche ist vom Winde verweht

Repower hingegen ist längst pleite und kein deutscher Konzern mehr unter den Top Ten vertreten. Einer der letzten Mohikaner ist Nordex. Das Unternehmen hat im Sommer seine Rotorblattfertigung in Rostock geschlossen und nach Indien verlegt. Auch bei den Windanlagenbauern spielen Energiepreise eine wichtige Rolle. Das Wirtschaftswunder findet statt – in Indien

.Die deutsche Solarbranche feierte sich einst als Weltmarktführer. Auch hier hat die Politik die neue Technik üppig alimentiert, um ihr dann 2011 den Stecker zu ziehen. Von damals 156.700 Arbeitsplätzen der Branche sind heute nur noch 58.500 geblieben. Namen wie Q-Cells, Solarworld oder Conergy schickten sich an, Weltmarkführer zu werden. Q-Cells war zeitweise die Nummer 1 und galt als heißer Kandidat für den Dax, rutschte 2012 in die Insolvenz.

Pleiten und Insolvenzen beendeten Hoffnungsstory

Die Nummer 2, Solarworld aus Bonn, traf es erst 2018, noch im selben Jahr wurde die Produktion eingestellt. Conergy aus Hamburg erfreute sich eines Milliardenumsatzes, war aber 2013 zahlungsunfähig. Alle deutschen Börsenlieblinge hatten keine Chance gegen die Hersteller aus Fernost, die günstiger produzieren konnten und von staatlichen Förderungen profitierten.

Heute kommen die sieben größten Solarmodulhersteller allesamt aus China – auf Rang 8 findet sich Hanwha Q-Cells. Q-Cells ist ein alter Bekannter aus dem „Solar-Valley“ in Sachsen-Anhalt. Leider ist kaum mehr als der Name geblieben: Die Südkoreaner haben die Pioniere aus der Insolvenzmasse gekauft und produzieren in China, Malaysia, Südkorea und den USA. Aufgrund hoher Kosten wurde die Produktion in Deutschland 2015 eingestellt, hier wird noch geforscht. Wieder findet das Wirtschaftswunder anderswo statt.

Warum das Wirtschaftswunder ausfällt

Da sei vor zu viel Optimismus gewarnt – wirklich spitze ist die Bundesrepublik derzeit vor allem bei der Steuer- und Abgabenquote (Platz 2 weltweit) und bei den Energiepreisen. In einem Land, in dem Wagniskapital rar ist, die Börse für junge Firmen nicht mehr funktioniert, der Bau einer neuen Fabrik oder eines Windparks oft Jahre dauert und Fachkräfte zunehmend fehlen, reichen politische Wunschvorstellungen nicht.

Einen Markt kann man schaffen – aber möglicherweise bereitet man ihn nur für internationale Konzerne. Für das Weltklima mag das trotzdem eine prima Sache sein, für die deutsche Wirtschaft aber ist es fatal: Deutschland wird bloßer Absatzmarkt. Produziert wird anderswo. So fällt das Wirtschaftswunder aus.