Wahlstedt. Nach mehr als 60 Jahren will der dänische Pumpenhersteller die Produktion ins Ausland verlegen. Der Kahlschlag sorgt für Entsetzen.
Es ist eine kollektive Fassungslosigkeit: Auch gut eine Woche nach der Nachricht, dass Grundfos den Standort Wahlstedt aufgeben will, sind viele der knapp 530 Mitarbeitern und Bürgern der Stadt noch sprachlos. Für alle kamen die Unternehmenspläne, die Produktion in den kommenden drei Jahren nach Dänemark, Ungarn und Serbien zu verlegen, unvermittelt. Niemand hatte das für möglich gehalten.
Das schleswig-holsteinische Wirtschaftsministerium reagiert trotz der Hiobsbotschaft, die Auswirkungen auf ganz Wahlstedt und die Region hat, relativ gelassen. Mit drei Jahren Laufzeit spricht Minister Claus Ruhe Madsen zumindest von einer „sanften Landung“. „Uns spielt in die Karten, dass wir einen riesigen Fachkräftemangel haben“, sagt er gegenüber den „Lübecker Nachrichten“. Madsen weiter: „Wir sind in Kontakt für alle Hilfen, die möglich sind.“ Aber es sei eine rein strategische Konzernentscheidung, sonst wäre das Unternehmen von sich aus auf die Landesregierung zugegangen.
Grundfos will in Wahlstedt künftig nicht mehr produzieren
Der dänische Pumpenhersteller will die Produktion in Dänemark, Ungarn und Serbien bündeln, teilte das Unternehmen mit. Ziel sei es, die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Produkte und Lösungen zu sichern. „Wir sind uns bewusst, dass der Plan einen erheblichen Einschnitt für unsere Kollegen, die Stadt Wahlstedt und die gesamte Region bedeutet“, sagte Vorstandsmitglied Bent Jensen. „Gleichzeitig sind wir überzeugt, dass dieser Plan von entscheidender Bedeutung für die langfristige Zukunft unseres Unternehmens ist.“ Für die Mitarbeitenden sollen zusammen mit dem Betriebsrat sozialverträgliche Lösungen gefunden werden, hieß es von Grundfos. Zuvor hatten Medien berichtet.
„Wir sind völlig überrascht von der unverantwortlichen Entscheidung des dänischen Managements“, sagt Stephanie Schmoliner, Geschäftsführerin der IG Metall Kiel-Neumünster. In den letzten Betriebsversammlungen seien Gewinne dargestellt worden. Zudem habe man noch Leute eingestellt. Die Ankündigung der Standortschließung bis Ende 2026 sei ein schwerer Schlag für die Beschäftigten und deren Familien.
„Bankrott-Erklärung“: Unternehmen seit 60 Jahren am Standort
„Das ist für ein Unternehmen, das seit mehr als 60 Jahren zu den wichtigsten Arbeitgebern von Wahlstedt gehört, eine absolute Bankrott-Erklärung.“ Nun gelte es mit den betroffenen Gewerkschaftsmitgliedern ins Gespräch zu gehen, sagt Schmoliner, um zu sehen, „welche rechtlichen Möglichkeiten wir haben, diesen Kahlschlag zu verhindern“.
„Ich hatte eine schlaflose Nacht. Es ist schockierend“, sagt Wahlstedts Bürgervorsteher Horst Kornelius. Er wolle mit Standort-Geschäftsführer Josef Horber reden, um zu erfahren, was der Grund sei. „Nach so vielen Jahren. Unvorstellbar. Ich will wissen, was wir tun können, um Grundfos in Wahlstedt zu retten.“
Dafür müsse es einen Weg geben, so Kornelius. „Wir waren vor Kurzem noch so stolz auf die mehr als 1700 Arbeitsplätze in Wahlstedts Industrie.“ Der Weggang bedeute den Verlust von fast einem Drittel dieser wichtigen Jobs. „Das darf man nicht einfach hinnehmen. Die Politik steckt schließlich auch viel Geld in andere Unternehmen, in die Batteriefabrik bei Heide etwa.“
Bürgermeister Wahlstedt: „Schlaflose Nächte!“
Auch in den sozialen Netzwerken ist die Betroffenheit riesig. Mehr als die Hälfte ihres Lebens habe sie in der Firma verbracht, schreibt eine Frau dort. „Jetzt heißt es Schluss, aus, zu teuer.“ „Grundfos gehört zu Wahlstedt“, postet ein anderer User. Viele teilen ihre Trauer darüber, dass damit ein Stück Stadt gehe.
Zumal auch niemand weiß, wie es mit dem Wahlstedter Traditionsunternehmen Arko und seinen Schwestern Hussel sowie Eilles weitergeht. Kornelius: „Die haben an ihrem Sitz in Wahlstedt zwar nur ein paar Mitarbeiter, aber insgesamt geht es um bundesweit mehr als 1000 Arbeitsplätze.“
„Grundfos war immer eines der Vorzeigeunternehmen der Region und in der Vergangenheit auch sichtlich daran interessiert, die Region als Ganzes noch weiter voranzubringen“, sagt Rüdiger Schacht, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK zu Lübeck und Geschäftsbereichsleiter Standortpolitik. „Die Schließung des Standortes schmerzt.“ Er sei ein „herber Verlust“.
Grundfos Wahlstedt: Wegfall von vier Prozent der Industriejobs in Segeberg
Im Kreis Segeberg zählt die Kammer 73 Industriebetriebe (jeweils mehr als 50 Beschäftigte). Knapp 14.000 Beschäftigte erwirtschaften hier einen jährlichen Gesamtumsatz von etwa 4,6 Milliarden Euro. Der Wegfall von 530 Stellen bei Grundfos entspreche rund vier Prozent.
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Schacht: „Einen Trend zum Abzug von Industrieunternehmen aus dem Hansebelt sehen wir aber nicht – im Gegenteil: Industrieflächen sind rar und wir werben bei Politik und Verwaltung um die Ausweisung von Arealen.“ Vielleicht liege darin eine Chance, das Gelände weiterhin für industrielle Produktion zu nutzen.
Die sieht auch Bärbel Schwarz, Fraktionssprecherin der Wählergemeinschaft Wir für Wahlstedt (WfW), so: „Es ist an der Stadt, Gespräche mit dem Betrieb aufzunehmen.“ Es werde gerade ein Industriegebiet geplant, für das sich laut Bauamt der Stadt bereits Interessenten gemeldet hätten. Vielleicht würden sich Möglichkeiten ergeben, hofft sie. Ansonsten verweist sie darauf, dass die Situation bei Grundfos seit Jahren vom Auf und Ab geprägt sei und überall Fachkräfte gesucht würden.