Hamburg. Drastische Ankündigung aus der Sozialbehörde an alle Bezirke. Zelte kommen – Proteste zwecklos. CDU spricht von „Bankrotterklärung“.
Aus Mangel an Unterkünften für Geflüchtete und andere in Hamburg Schutzsuchende greift die Sozialbehörde zu scharfen Maßnahmen. Neben dem Umwidmen und Umbauen von Gewerbeflächen zu Flüchtlingsunterkünften und einem weiteren Aufstellen von Zelten sollen in Kürze Parks und Festplätze mit einer guten Anbindung und Infrastruktur genutzt werden.
Dabei, so heißt es in einem Brief der Staatsrätin Petra Lotzkat an alle Hamburger Bezirksparlamente, könne bei potenziellen neuen Standorten und der Erweiterung der bisherigen auf „die bereits bestehende Belastung von Stadtteilen zum jetzigen Zeitpunkt weitestgehend keine Rücksicht genommen werden“. Das bedeutet: Proteste aus den Bezirken sind angesichts der Lage ebenso überflüssig wie Anwohner-Einwendungen erfolglos. Der Brief liegt dem Abendblatt vor.
Flüchtlinge in Hamburg künftig in Parks und auf Festplätzen
Wie ernst und dringend die Lage der Geflüchteten und damit der Sozialbehörde von Melanie Schlotzhauer (SPD) bei deren Unterbringung ist, stellt die Staatsrätin in drastischen Worten dar. Innerhalb von rund zwei Wochen bis Mitte April werden aufgrund von auslaufenden Mietverträgen und aus anderen Gründen 870 Plätze wegfallen. 98 Prozent der Plätze in Hamburg sind belegt. Im Laufe des Jahres müssten „aufgrund nicht abwendbarer Schließungen“ 3200 Plätze ersetzt sowie 3000 neue geschaffen werden.
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Notfallkapazitäten, die man immer braucht, gibt es praktisch nicht mehr. Wie zuletzt an der Schnackenburgallee in Stellingen an der Autobahn A7 oder an den ehemaligen Fegro-Hallen in Harburg sollen 25 wintertaugliche Zelte an einigen Standorten aufgestellt werden, um die größte Not abzufedern. Intensiv, so die Sozialbehörde, suche man nach kleineren Standorten für unbegleitete Minderjährige.
Zahl der Flüchtlinge in Hamburg seit 2020 von 29.000 auf 48.000 gestiegen
Ein Sprecher der Sozialbehörde sagte dem Abendblatt, man prüfe unter Hochdruck mit Fördern & Wohnen „alle Möglichkeiten, Unterkünfte und Unterkunftsplätze neu zu errichten beziehungsweise zu erhalten“. Es gehe um städtische Immobilien, man sei aber dankbar, wenn auch private Eigentümerinnen und Eigentümer sich meldeten.
CDU-Fraktionschef Dennis Thering sprach von einer „Bankrotterklärung“ des Senats. „Vor sechs Monate haben drei SPD-Senatoren Alarm geschlagen, dass die Stadt mit der Flüchtlingskrise überfordert sei. Passiert ist seitdem zu wenig. Jetzt ist die Situation bei der Flüchtlingsunterbringung so prekär, dass wieder auf Hamburgs Parks und Festplätze zurückgegriffen werden muss.“ Thering bemängelte, dass von Bürgermeister Peter Tschentscher dazu nichts zu hören sei. Das sei „uangemessen“. Bund und Länder hätten keine Maßnahmen, „um den Flüchtlingszustrom nach Deutschland und Hamburg deutlich zu begrenzen“.
Nach Angaben der Sozialbehörde hat sich zuletzt das Zahlenverhältnis der vor dem Ukraine-Krieg Geflüchteten zu weiteren Schutzsuchenden, die nach Hamburg flüchten, verändert. War zunächst das Gros der in Hamburg angekommenen Menschen im vergangenen Jahr vor dem Angriffskrieg der Russen geflüchtet, kamen gegen Ende 2023 die Hälfte der Neuankömmlinge aus anderen Staaten. Derzeit sind 48.000 Menschen in Hamburg in einer öffentlich-rechtlichen Unterkunft. Ende 2020 waren es noch 29.000.