Hamburg. 61-Jährige besorgte sich gefälschten Ausweis und kam an günstige Eintrittskarten für Verdi, Mozart, Wagner und Co. Das Urteil war eindeutig.

Sie liebt die Musik, sagt sie. Sie wollte so gern in die Oper gehen. Doch hochklassiger Genuss hat seinen Preis. Kosten, die nicht für alle erschwinglich sind – oder die sich nicht jede oder jeder leisten möchte. Und so erschwindelte sich Anne G. (Name geändert) kulturelle Highlights quasi zum Schleuderpreis. Mozart, Verdi, Wagner: Die 61-Jährige war immer wieder in der Oper und das meist auf besten Plätzen.

Vor einem Jahr jedoch war Schluss mit lustig. Keine „Figaros Hochzeit“ mehr, auch kein „Falstaff“, ebenso wenig „Don Giovanni“, „Tannhäuser“ oder das Ballett „Don Quixote“ aus einer der vordersten Reihen. Stattdessen muss die Hamburgerin nun auf der Anklagebank im Amtsgericht Platz nehmen. Der Vorwurf, der Anne G. jetzt im Prozess gemacht wird, lautet auf Urkundenfälschung.

Prozess in Hamburg um Operntickets: Angeklagte zahlte Bruchteil des regulären Kaufpreises

Laut Anklage nutzte die Hamburgerin zwischen Januar 2019 und März vergangenen Jahres vollständig gefälschte Betriebsausweise des Ohnsorg-Theaters beziehungsweise des Thalia Theaters, um vergünstigte Karten für Vorstellungen an der Hamburgischen Staatsoper zu erwerben. Die Ausweise waren demnach mit dem Namen und einem Foto von Anne G. versehen. Allerdings hätte sie solche Dokumente gar nicht haben dürfen, denn die sind ausschließlich für Mitarbeiter der städtischen Theater vorbehalten. Und als solcher ist man berechtigt, Tickets sehr viel günstiger zu erhalten, als dies sonst üblich ist. Oft ist für die Mitarbeiter nur ein Bruchteil des regulären Kaufpreises fällig.

Die Staatsanwältin listet aus der Anklage 21 kulturelle Veranstaltungen auf, die Anne G. unter diesen Vorzeichen erschwindelt haben soll. Dabei zahlte die Angeklagte den Ermittlungen zufolge meist für sich und ihre Begleitung insgesamt 32 Euro, wenn zwei Eintrittskarten je nach Darbietung sonst beispielsweise 136, 188, 194 oder sogar 230 Euro gekostet hätten. Die Ersparnis lag dabei für Anne G. in der Regel zwischen rund 100 bis fast 200 Euro.

„Ich wollte so gern ins Theater gehen“, sagt die Angeklagte

Extrem angespannt sieht die Angeklagte aus, eine Frau, die den Eindruck macht, als würde sie vor Scham am liebsten im Erdboden versinken. Die Hände hält die Brillenträgerin ineinander verschränkt, die Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. „Ich wollte so gern ins Theater gehen!“, bekennt sie. Neben ihrem Beruf in einem technischen Bereich habe sie früher selber in einem Musical-Unternehmen gearbeitet und gewusst, dass beispielsweise Opernhäuser nicht verkaufte Tickets vor den Veranstaltungen als kurzfristiges Angebot zu sehr günstigen Preisen an Theater-Mitarbeiter abgeben. „Die Karten werden angeboten, wenn sie im Grunde übrig sind“, erzählt Anne G. Die Verkäufe insbesondere für vordere Plätze seien da, „um das Haus zu füllen“.

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Anne G. erklärt, dass sie seit Längerem an einer Krankheit leide, die sie phasenweise und unterschiedlich stark beeinträchtige. Deshalb habe sie nicht Wochen oder sogar Monate im Voraus planen können und stattdessen gern die kurzfristigen Opern-Angebote genutzt. Eine weitere Überlegung sei seinerzeit gewesen, dass sie ja immerhin wenigstens etwas für die Tickets zahle, wenn auch deutlich weniger als den regulären Preis. „Ich dachte, lieber so, als wenn die gar nicht verkauft werden.“ Heute gehe sie nicht mehr in die Oper, obwohl ihr die Musik „viel bedeutet“, betont Anne G. Aber das Bewusstsein über „mein ganzes Unrecht“ halte sie davon ab. „Ich habe einen Fehler gemacht“, fasst sie ihre damaligen Vergehen zusammen.

Prozess Hamburg: „Ihre Liebe zur Musik wurde zu ihrem Nachteil“

Die Taten werden von der Staatsanwaltschaft lediglich als Urkundenfälschung und nicht außerdem noch als Betrug gewertet, weil der Hamburgischen Staatsoper durch das Vorgehen der Angeklagten kein Vermögensschaden entstanden ist. Allerdings handele es sich um „nicht ganz unerhebliche Werte“, die Anne G. für sich eingespart habe. Der Verteidiger fasst es so für seine Mandantin zusammen: „Ihre Liebe zur Musik wurde zu ihrem Nachteil.“

Das Urteil des Amtsrichters: Er verhängt eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 70 Euro. Zwar sei kein Vermögensschaden entstanden, erklärt er. „Aber Ihnen war klar, dass das, was Sie taten, nicht rechtens war“, redet er der Angeklagten ins Gewissen. Im Grunde genommen habe sich das Tatmuster verselbstständigt. „Es geht einmal gut, und man macht es immer wieder.“ Aber es sei deutlich geworden, so der Richter, „dass Sie einsehen, dass Ihr Handeln falsch war.“