Hamburg. Polizei muss zu ungewöhnlichen „Notmaßnahmen“ greifen. Drogenhändler investieren in Hanf-Clubs. Innensenator Grote positioniert sich.

Ende Januar haben Hamburger Drogenfahnder 55 Kilogramm Marihuana in Dulsberg sichergestellt. Ungewöhnlich: Nur Tage später erschien der Fund bereits als Pressemitteilung, obwohl die Ermittlungen noch liefen. Inzwischen ist klar, weshalb: Die Bekanntmachung des Drogenfundes war eine Art „Rettungsmaßnahme“ der Polizei. Ermittler hatten so in der Szene signalisieren wollen, dass es die Polizei war, die die große Menge Drogen aus dem Verkehr gezogen hatte.

Denn innerhalb der Dealerszene hatte es bereits ein Folteropfer gegeben, dem man den Verlust des Stoffs anlastete. Dazu bekamen Ermittler Hinweise darauf, dass die in den Marihuana-Handel verwickelten Täter bereits jetzt in einen der Hanf-Clubs investiert hatten, die nach der geplanten Gesetzesänderung Grundlage für eine legale Produktion und den Besitz von Marihuana werden sollen.

Und es ist eine ungewöhnliche Meldung, die die Polizei am 1. Februar dieses Jahres veröffentlichte. Am Alten Teichweg im Stadtteil Dulsberg hatten Drogenfahnder Dutzende Kilogramm in Umzugskartons verpacktes Marihuana in einem dort geparkten Transporter entdeckt und beschlagnahmt. Festnahmen gab es nicht. Mutmaßliche Beteiligte, die sich zuvor an dem Transporter aufgehalten hatten, waren vor dem Zugriff der Polizei verschwunden.

Hamburg: Dealer verdächtigten Transporteur des „Drogendiebstahls“

Das Problem: Der Mann, der das Rauschgift transportiert hatte, wurde von den Dealern verdächtigt, die 55 Kilo für sich „beiseite“-geschafft zu haben, um sie auf eigene Rechnung zu verkaufen. Die Polizei ermittelte: Der Mann wurde in eine Wohnung verschleppt und schwer misshandelt. So wollte man ihn dazu bringen, die vermeintlich gestohlenen Drogen zurückzugeben.

Die Tat erinnert an hochkriminelle Banden in den Niederlanden. Dort hatte die Polizei 2020 in der niederländischen Provinz Brabant nahe der belgischen Grenze einen zur Folterkammer umgebauten Container entdeckt. Dahinter steckte nach Erkenntnissen der Ermittler Robin van O., der als Kopf einer Drogenbande eingestuft wurde. Grundlage für die Ermittlungen war damals das geknackte Chat-Netzwerk EncroChat gewesen. Erkenntnisse aus den Chatverläufen hatten auch in Hamburg für zahlreiche Ermittlungserfolge gesorgt und bis dahin ungeahnte Dimensionen beim Drogenhandel aufgedeckt.

Beamter: „In der Szene wird mit härtesten Bandagen gekämpft“

„Dass in der Szene mit härtesten Bandagen gekämpft wird, ist bekannt. Auch wenn so ein Fund dann doch noch schockiert. Es geht, egal ob in Holland oder in Hamburg, um riesige Summen Geld“, so ein Beamter.

Wie ernst die Polizei die „Foltergeschichte“ nahm, zeigt die Veröffentlichung der Pressemitteilung. Tatsächlich wäre es unüblich gewesen, bei den Erkenntnissen in dem Fall, die mehrere Ansätze für Ermittlungen bieten, die Sicherstellung der 55 Kilo Marihuana öffentlich zu machen. So war es eher eine „Rettungsmaßnahme“, mit der eine weitere Eskalation in der Szene verhindert werden sollte. Es ist nach Informationen des Abendblattes nicht das erste Mal, dass Sicherheitsbehörden in Hamburg so reagieren mussten.

Was für zusätzliche Brisanz sorgt: Im Rahmen weiterer Ermittlungen wurden von Drogenfahndern Belege dafür gefunden, dass die hochkriminellen Dealer sich bereits auf die Zeit der Legalisierung sogenannter Hanf-Clubs vorbereitetet hatten. Die Spur führte zu einem Club außerhalb Hamburgs.

Grote besorgt, dass sich „Befürchtungen der Strafverfolgungsbehörden“ bestätigen

Der Fall sorgt für Aufregung bis in die höchsten Etagen. „Sollte sich das so bestätigen, wollten hier offenbar Schwerstkriminelle die neuen gesetzlichen Möglichkeiten zur Einrichtung von Cannabis Social Clubs nutzen, um unter diesem Deckmantel ihr kriminelles Geschäft zielstrebig und lukrativ weiterzuentwickeln“, so Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) gegenüber dem Abendblatt.

„Damit würden sich auch die Befürchtungen von Strafverfolgungsbehörden bestätigen, die wiederholt vor der Vermischung des kriminellen Schwarzmarkts mit dem zukünftig legalen Cannabismarkt gewarnt haben. Statt den illegalen Verkauf von Cannabis einzudämmen, wird der organisierten Drogenkriminalität mit diesem Gesetz der rote Teppich ausgerollt.“

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Das sieht auch Jan Reinecke so, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter: „Hier bestätigt sich schon jetzt, was wir prophezeit und wovor wir gewarnt haben. Die Hanf-Clubs werden ein hochattraktives Betätigungsfeld für die Organisierte Kriminalität werden, die über solche Vereine nicht Geld, sondern sozusagen Drogen waschen kann. Der Polizei wird jede Möglichkeit genommen, erfolgreich in dem Milieu zu ermitteln, weil über die Clubs sowohl Herkunft als auch Menge von Marihuana verschleiert werden kann. Bislang ist ja noch nicht einmal geklärt, ob Polizei oder die Verwaltung, in Hamburgs Bezirksämtern, diese geplanten Clubs überwachen sollen.“ Reinecke warnte zudem: „Jeder Politiker, der diesen Wahnsinn nicht aufhält, unterstützt indirekt die Organisierte Kriminalität.“