Hamburg/Berlin. Abgeordnete Heitmann (Grüne) und Ploß (CDU) im Clinch. Bürgermeister Tschentscher könnte erneut Pläne seines Vorgängers durchkreuzen.

Alle Augen auf Hamburg? Was macht Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) an diesem Freitag im Bundesrat, wenn es um die Legalisierung von Cannabis geht? Die Ampelkoalition der Bundesregierung von Bundeskanzler Olaf Scholz und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD) will mit einem komplizierten Gesetzespaket eine einschneidende Wende in der deutschen Drogenpolitik herbeiführen. Anbau und Besitz kleiner Mengen an Cannabis sollen erlaubt werden.

Der Bundesrat – und hier kommt Hamburg ins Spiel – muss nicht zustimmen. Dennoch können die Länder das Gesetz in den Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat zwingen – und damit faktisch durch Verzögerung beerdigen.

Eine Blockadehaltung gegenüber einer Cannabis-Freigabe haben die CDU/CSU-geführten Länder bereits angekündigt. So geht es am Freitag um jede Stimme für oder gegen den Vermittlungsausschuss. Tschentscher ist eigentlich gegen eine Freigabe. Doch Lauterbach lockte die schwankenden Ministerpräsidenten und Länderkoalitionen bereits mit einer „Protokollerklärung“ zum Gesetz, also kleinen Zugeständnissen. Kurios: Hamburger Bundespolitiker wie Christoph Ploß (CDU) und Linda Heitmann (Grüne) sind sich sehr sicher, dass die Freigabe von Cannabis durchgeht (Heitmann) beziehungsweise blockiert werden kann (Ploß).

Cannabis-Freigabe: Warum Hamburg gespalten ist

Im Podcast des Abendblattes sagte der Bundestagsabgeordnete Ploß vor der Abstimmung im Bundesrat: Er appelliere an Ampelkoalition und rot-grünen Hamburger Senat, dieses „verhängnisvolle Projekt“ noch einmal überdenken. Innenminister und Gesundheitsexperten sollten ernst genommen und das Gesetz am Ende zurückgezogen werden. Ploß warnte mit den Erfahrungen aus anderen liberalisierten Ländern, dass bei einer Freigabe der Konsum insgesamt steige. Das habe weitreichende Folgen für das Gesundheitswesen: mehr Krankheiten wie Psychosen und weitere negative Folgeerscheinungen des Cannabis-Konsums.

Anders sieht das die Hamburger Grünen-Abgeordnete in Berlin, Linda Heitmann, die mal die Landesstelle für Suchtfragen in der Hansestadt leitete. Sie spricht auch nicht von einem „legalen“ Cannabis-Konsum, sondern von der Entkriminalisierung der Droge. Sie räumte aber ein, dass man der Justiz in den Ländern mehr Zeit einräumen müsste, mit dem möglicherweise ab April 2024 geltenden Gesetz umzugehen. Experten hatten gewarnt, Staatsanwaltschaften und Gerichte könnten überlastet sein, alte Fälle von verurteilten Drogenkonsumenten darauf zu prüfen, ob Inhaftierte nun sofort freikommen müssten.

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Auch die Gewerkschaft der Polizei hatte massive Kritik geübt, dabei ebenso an Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne). Das Gesetz sei praxisfern und bedenke die nicht mit, die es umsetzen müssten. Die Polizei müsste unter anderem theoretisch kontrollieren, ob die 100 Meter Abstand von Konsumenten zu Schulen und Sportstätten eingehalten sind, ganz abgesehen von den vermutlich ansteigenden Zahlen von Fahren unter dem Einfluss von Cannabis und dem beschränkten Anbau für Privatleute. Grüne wie Gallina, die eine Legalisierung grundsätzlich befürworten, bemängelten jedoch selbst handwerkliche Fehler beim Lauterbach-Gesetz.

Und Tschentscher? Es wäre nicht das erste Mal, dass sein Senat Vorhaben seines Vorgängers Scholz in dessen neuer Funktion im Bundeskanzleramt scharf kritisiert. Genosse hin, Genosse her.