Hamburg. AfD-Vize Wolf war eingeladen – das sorgt für aufgeregte Debatte. Als Flugblätter heftigen Protest ankündigen, rät Polizei zur Absage.
Die Schülerinnen und Schüler des Oberstufenprofils „Medien und Gesellschaft“ am Gymnasium Corveystraße hatten alles vorbereitet: Im Rahmen der „Lokstedter Gespräche“ sollten Vertreter aller in der Bürgerschaft vertretenen Parteien, darunter auch AfD-Fraktionsvize Alexander Wolf, im Vorfeld der Bezirks- und Europawahlen am 9. Juni über Migrations- und Sozialpolitik mit den Schülern diskutieren. Doch dann wurde die für den 12. März geplante Podiumsdiskussion kurzfristig abgesagt.
„Wegen nicht vorhergesehener Auswirkungen hinsichtlich der Sicherheit der Beteiligten wird die Veranstaltung vor Ort nicht durchgeführt. Wir prüfen, wie wir die Veranstaltung zu einem späteren Zeitpunkt nachholen können“, steht auf der Website des Lokstedter Gymnasiums.
AfD an Schule: Hamburger Gymnasium sagt nach Polizei-Warnung eine Podiumsdiskussion ab
Die Absage war der Höhepunkt einer aufgeregten und emotionalen Debatte, die die Schulgemeinschaft in den zurückliegenden Tagen erfasst hatte. „Die Ereignisse haben uns geradezu überrollt“, sagt Thomas Wolf, kommissarischer Schulleiter des Corvey-Gymnasiums.
Die „Lokstedter Gespräche“ mit Politikern der unterschiedlichen Parteien gibt es seit mehreren Jahren. Doch diesmal gab es im Vorfeld Protest vonseiten besorgter Eltern, über den zuerst die „taz“ berichtet hatte. „Mit Empörung und Entsetzen haben wir zur Kenntnis genommen, dass an den Lokstedter Gesprächen Alexander Wolf von der AfD teilnehmen wird“, schreiben ein Vater und eine Mutter in einem Brief an die Schulleitung und den Elternrat, der dem Abendblatt vorliegt.
Schule Hamburg: Eltern protestieren gegen Einladung der AfD
Der Verfassungsschutz erwäge, die Partei als gesichert rechtsextremistisch einzustufen. Und Wolf selbst, so die Eltern, habe sich positiv zu dem Potsdamer Treffen geäußert, bei dem es unter anderem um die Remigration hier lebender Zugewanderter ging. Zudem habe Wolf 1994 ein Liederbuch mit dem Titel „Schlachtruf – Nationale Lieder“ herausgegeben, in dem nationalsozialistische Texte abgedruckt worden waren.
„Ein Mensch mit derartigen Ansichten ist kein Demokrat und sollte keine Gelegenheit bekommen, vor unseren Kindern seine menschenverachtenden Thesen auszubreiten. Wir erwarten, dass sie unsere Kinder schützen“, schreiben die Eltern. Sie fordern, Wolf keine Plattform zu bieten. „Sollte das aus rechtlichen Gründen nicht möglich sein: Sagen Sie die Veranstaltung ab.“
Flugblätter aufgetaucht – Polizei Hamburg warnt vor Veranstaltung
Dann überschlugen sich die Ereignisse. Auf dem Gelände der Schule wurden Flugblätter entdeckt, die einen eindeutigen Aufruf zum Protest und zur Verhinderung des Auftritts des AfD-Politikers in der Schule enthalten. „Gemeinschaft entfalten? Faschismus aufhalten! Rechtsextremer in der Aula? Alexander Wolf (AfD) ist Mitglied einer rechtsextremen verfassungsfeindlichen Burschenschaft... Deshalb: Macht Lärm! Lasst Nazis nicht zu Wort kommen!“, steht auf dem Flugblatt, das keinen Absender enthält.
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„Dann kam ein Anruf der Polizei, die uns eindringlich davor warnte, die Veranstaltung durchzuführen. Auf ihren Kanälen hatten sie erfahren, dass eine größere Mobilisierung laufe”, sagt der kommissarische Schulleiter Wolf. Die Flugblätter und die Einschätzung der Polizei hätten die Schulleitung bewogen, die Podiumsdiskussion abzusagen.
Die Rechtslage ist eindeutig. Das Neutralitätsgebot verpflichtet Schulen, alle in Parlamenten vertretenen Parteien zu Podiumsdiskussionen einzuladen, also auch die AfD. Umgehen ließe sich das nur, wenn nicht die Schule offiziell einlädt, sondern zum Beispiel der Elternverein. Aber das scheint bislang jedenfalls nicht im Interesse der Schulleitung zu sein, der weiterhin daran liegt, dass die „Lokstedter Gespräche“ stattfinden.
„Wir wollen jetzt mit allen Beteiligten das weitere Vorgehen erörtern und besprechen, unter welchen Bedingungen die Lokstedter Gespräche stattfinden können. Die Veranstaltung ist nicht endgültig abgesagt, sondern erst einmal verschoben. Einen neuen Termin gibt es daher noch nicht“, sagt Thomas Wolf.