Hamburg. Streit nach mehr als sieben Jahren vor Gericht. Vermieter entsorgte Besitz der Mieterin. Er sagt: „Für mich war das ein Auszug.“

Es sollte ein erholsames Wochenende werden. Doch bei der Rückkehr nach Hamburg erlebte Katja B. (alle Namen geändert) einen Albtraum. Die Schlösser zu ihrer Wohnung an der Bellevue waren ausgetauscht, ihre Besitztümer lange Zeit für sie unauffindbar. Seit jenem Tag Ende August 2016 liegt die Hamburgerin mit ihren damaligen Vermietern im Streit. Es ist eine Auseinandersetzung, deren Ende auch jetzt, mehr als sieben Jahre später, nicht abzusehen ist. Im Kern geht es um die Frage: Haben die Vermieter der 45-Jährigen in unrechtmäßiger Weise zugesetzt? War es womöglich das Ziel, die Hamburgerin zum Auszug zu bewegen – und die Wohnung anschließend neu zu vermieten?

Davon geht jedenfalls die Staatsanwaltschaft aus, die zwei Männer wegen Nötigung in einem Prozess vor dem Amtsgericht angeklagt hat. Unter anderem sollen Manfred A. (79) und dessen 43 Jahre alter Sohn Markus die persönlichen Gegenstände ihrer damaligen Mieterin mitgenommen und an einem unbekannten Ort eingelagert haben. Demnach wurden beispielsweise 70 Kartons mit Hausrat, eine Stereoanlage und ein Fernseher entfernt. Das Abendblatt hatte wiederholt über den Fall berichtet.

Prozess Hamburg: Gegenstände sollen an einem unbekannten Ort eingelagert worden sein

Ursprünglich wurde den beiden Männern auch noch Hausfriedensbruch vorgeworfen. Doch Letzteres wäre mittlerweile verjährt. Es ist, neben dem eigentlichen Sachverhalt, eines der Probleme, die in diesem Prozess eine Rolle spielen. Warum hat alles so lange gedauert? Und hätte man das Verfahren nicht längst zu einem Abschluss bringen können?

Aus Sicht von Katja B. geht es in dem Prozess neben der Tatsache, dass sie nach ihrer Rückkehr aus dem Kurzurlaub plötzlich kein Zuhause mehr hatte, auch um den monatelangen Verlust vieler ihrer persönlichsten Besitztümer. Denn abgesehen von dem wenigen, was sie für ihren den Kurztrip mitgenommen hatte, sei ihre gesamte Habe für sie zunächst unauffindbar gewesen. Offenbar hatten die Vermieter alles aus der Wohnung entfernen lassen, nach Darstellung von Katja B. auch Schmuck, Dokumente, Kleidung und Bücher. Erst mehr als ein Jahr später erhielt sie den Schlüssel zu einem Lagerraum am Flughafen, in dem ihr Besitz verstaut war. Unter anderem wurden demnach 70 Kartons mit Hausrat, eine Stereoanlage und ein Fernseher entfernt – alles in 70 Kisten geschmissen, beschädigt, zerkratzt oder verdreckt, wie die PR-Beraterin sagt.

Angeklagter: „Für mich war das ein Auszug“

In welchem Zustand die Sachen von Katja B. vor beziehungsweise nach dem Verbringen in einen Lagerraum waren, damit will sich der Angeklagte Mandfred A. gar nicht aufhalten. Der 79-Jährige scheint sich auf den Knackpunkt der Ereignisse konzentrieren zu wollen. Und der stellt sich nach seiner Lesart ganz einfach dar: „Mir war klar, dass das Mietverhältnis beendet war“, sagt der Hamburger. Das habe er Katja B. auch mitgeteilt. Wenige Tage später habe er sie mit einem großen Koffer und großem Rucksack die Wohnung verlassen sehen. „Für mich war das ein Auszug“, benennt er die Geschehnisse vom 1. September 2016. Deshalb habe er handeln dürfen, sprich: die Wohnung bereitstellen für die nächsten Mieter, also dafür sorgen, dass sie leer, aufgeräumt und bezugsfertig ist.

Doch so einfach war die Umsetzung dann offenbar nicht. Denn nach Darstellung des Angeklagten teilte ihm nunmehr der damalige Hausmeister mit, dass sich noch Sachen von der 45-Jährigen in der Wohnung befänden. Dabei habe es sich nach den Worten des Hausmeisters um „Müll“ gehandelt. Daraufhin habe er sich bei einem Anwalt erkundigt, wie er mit den Dingen verfahren solle. Der Rat des Juristen demnach: Die Sachen sollten nicht weggeworfen, sondern „aus Gründen der Vorsicht sichergestellt“ werden. Also, so berichtet es der Angeklagte, habe er den Hausmeister angewiesen, die Sachen in einem Lagerraum nahe dem Flughafen einzulagern.

Richterin: „Sehen Sie! Und genau das ist der Punkt!“

Wieso er sich denn die Umstände gemacht habe, einen Anwalt in der Sache um Rat zu fragen, wenn es sich doch angeblich nur um Müll gehandelt habe, will die Amtsrichterin wissen. Da schaltet sich die Verteidigerin von Manfred A. ein. „Was aus Sicht des Hausmeisters Müll ist, ist aus Sicht des Eigentümers unter Umständen werthaltig.“ Die Amtsrichterin nickt. „Sehen Sie! Und genau das ist der Punkt.“

Nur ein einziges Mal sei er in jener Phase in besagter Wohnung gewesen, fährt Manfred A. fort. Und zwar, als Katja B. mit Unterstützung eines Schlüsseldienstes und der Polizei dort in die Räume gelangt sei. „Ich wies darauf hin, dass die Wohnung anderweitig vermietet sei“, betont der Angeklagte. Außerdem habe es noch einen Wasserschaden in der ehemaligen Küche der Hamburgerin gegeben, um den es ebenfalls einen Rechtsstreit gegeben habe. Dieser habe sich auf zivilrechtlicher Ebene abgespielt. Des Weiteren gibt es rechtliche Auseinandersetzungen zwischen den streitenden Parteien, ob Katja B. eine finanzielle Entschädigung für möglicherweise beschädigte Gegenstände zustehen könnte, und falls ja, wie hoch diese sei. Dem Vernehmen nach geht es um eine fünfstellige Summe.

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Es kommen also viele Konfliktfelder zusammen. In diesem Zusammenhang weist die Verteidigerin von Markus A. darauf hin, dass die Anwälte in dem Strafprozess „x-fache Möglichkeiten angeregt“ hätten, wie das Verfahren durch eine Einstellung und damit ohne weitere Verzögerungen beendet werden könne. Allerdings habe die Staatsanwaltschaft erstaunliche Vorstellungen, unter welchen Bedingungen eine solche Einstellung vonstatten gehen könne, sprich, welche Beträge die Angeklagten zahlen müssten, damit das Verfahren vom Tisch sei. Diese Forderungen seien zu hoch.

Der Versuch, das Verfahren gegen Geldauflagen einzustellen, scheiterte bisher

Deshalb wird nun weiterverhandelt. Am nächsten Prozesstag soll Katja B. als Zeugin gehört werden, anschließend möglicherweise weitere Zeugen. Vier Fortsetzungstermine sind bislang anberaumt. Ob diese ausreichen werden, ist offen.

Dass eine mögliche Straftat, die Manfred A. und dessen Sohn Markus ursprünglich ebenfalls vorgeworfen wurde, schon verjährt ist, ist einer der Umstände, die Katja B. an diesem Prozess ärgert. Aber auch insgesamt hält die 45-Jährige die Dauer des Verfahrens für unzumutbar lang. Deshalb hat sie im vergangenen August, exakt sieben Jahre nach der vermeintlichen Tat, gegen die jetzt zuständige Richterin eine Dienstaufsichtsbeschwerde gestellt, in der sie rügt, dass es bis zur Eröffnung des Verfahrens fünf Jahre gedauert habe und seit der Erstattung einer Anzeige sieben Jahre vergangen seien, ohne dass es zu einer Entscheidung gekommen sei.

Verzögerungen, weil es mehrfach andere Richter gab

Hierzu heißt es in einer Antwort des Amtsgerichts, dass es in den vergangenen Jahren mehrfach zu Richterwechseln in der zuständigen Abteilung gekommen sei. Und seit die jetzige Richterin die Abteilung im Juni 2021 übernommen habe, habe sie das Verfahren unter anderem wegen vorrangig zu verhandelnder Haftsachen immer wieder zurückstellen müssen.

„Im Verlauf des Verfahrens sind leider an mehreren Stellen Verzögerungen eingetreten, die zu einer inzwischen weit überdurchschnittlichen Verfahrensdauer geführt haben“, sagt dazu Gerichtssprecher Kai Wantzen. „Auch wenn es sich aus der Sicht der Geschädigten verständlicherweise anders darstellt, handelt es sich um einen komplexen Fall, in dem der strafrechtliche Vorwurf von einem unübersichtlichen Geflecht von Mietrechtsstreitigkeiten überlagert wird. Solche Fälle sorgen für einen hohen zeitlichen Bearbeitungs- und Vorbereitungsaufwand, der hier wegen der häufigen Richterwechsel mehrfach zu Buche geschlagen hat.“ Auch Wantzen verweist auf den Vorrang besonders eilbedürftiger Haftsachen.