Hamburg. Zwei 88 und 84 Jahre alte Männer vor Gericht. Dritter Angeklagter bleibt der Verhandlung fern. Krimineller Deal der Senioren filmreif.
Ein antikes goldenes Trinkhorn, ein rund 2500 Jahre alter Becher und goldene Gürtelteile aus einem persischen Großreich: Die Kunstgegenstände, die die Herren im Angebot hatten, waren von erlesener Qualität. Und sie verlangten für ihre Ware stolze Preise. Allein für das Trinkhorn aus der Antike wollten sie 1,5 Millionen Euro kassieren. Die Kunstschätze sollen tatsächlich aus Raubgrabungen stammen.
So sieht es zumindest die Anklage, die drei Männern illegalen Handel mit antiken Kunst- und Kulturgütern vorwirft. Am Freitag sollte der Prozess gegen das Trio vor dem Landgericht Hamburg beginnen. Doch es war ein Auftakt mit Hindernissen. Lediglich zwei Senioren im Alter von 84 und 88 Jahren, die zu einer Bande gehören sollen, saßen vor den Richtern. Ein dritter Angeklagter erschien nicht zum Prozess. Und ein vierter Mann, der mit den anderen gemeinsame Sache gemacht haben soll, ist mittlerweile verstorben.
Prozess Hamburg: Angeklagte sind 88 und 84 Jahre alt
Die Taten haben sich laut Anklage bereits vor rund zehn Jahren ereignet. Damals soll die Bande entschieden haben, antike Kunstschätze, die gar nicht in ihrem Besitz hätten sein dürfen, an Hamburger Museen zu verkaufen. Deshalb sollen sie die wahre Herkunft der Kunstgegenstände verschleiert haben. Den Ermittlungen zufolge wandte sich der heute 84 Jahre alte Ali S. (alle Namen geändert), der europaweit als Vermittler von antiken Kulturgütern auftrat, über einen Mittelsmann im Juni 2014 an den damaligen Kurator des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Im Angebot waren unter anderem ein goldenes Trinkhorn aus dem Kulturkreis der Thraker aus dem 3. bis 4. Jahrhundert vor Christus, ein thrakischer Becher sowie goldene Gürtelteile der Sassaniden, einem persischen Großreich im heutigen Iran. Die Kunstschätze lagerten nach Aufdeckung der Tat in der Asservatenkammer der Staatsanwaltschaft.
Doch woher die Pretiosen tatsächlich stammten, wäre eine heikle Frage gewesen. So hätte man sie nicht verkaufen können. Also wurde von der Bande der Anklage zufolge behauptet, die Kunstgegenstände stammten von den Skythen, einem nomadischen Reitervolk. Und sie seien erst im Jahr 2014 in einem Schwarzmeerstaat gefunden worden.
Im Angebot: ein antikes Trinkhorn für 1,5 Millionen Euro
Für das Trinkhorn sollen die Männer 1,5 Millionen Euro gefordert haben, für den Trinkbecher eine Million Euro. Schon einen Monat nach der ersten Offerte sollen sie sich erneut mit dem Kurator des Hamburger Museums in Verbindung gesetzt haben. Dieses Mal im Angebot: eine 615 kg schwere Stele der Hethiter, einem antiken Großreich auf dem Gebiet der heutigen Türkei. Diese Stele, wohl mindestens eine Million Schweizer Franken wert, könne ein Ausstellungsstück im Museum werden, offerierten die Anbieter demnach. Durch die Ausstellung in Museen sollte offenbar ein späterer Verkauf über internationale Auktionshäuser ermöglicht werden. Die Stele stammte den Ermittlungen zufolge aus Raubgrabungen in Gaziantep/Türkei und wurde demnach von dem 84-Jährigen bereits seit 1997 in einem Zollfreilager in der Schweiz aufbewahrt.
Per E-Mail sollen Ali S. und der 88 Jahre alte Emir P. schließlich auch einen antiken Bronzetorso aus der Römerzeit für 75.000 Euro zum Kauf angeboten haben. Dabei hätten sie die Legende verbreitet, das bronzene Kunstwerk stamme aus Ausgrabungen bei Xanten, obwohl es höchstwahrscheinlich aus Raubgrabungen in Burdur herrührte. Einer der Senioren soll empfohlen haben, man müsse die Herkunft etwas „weich“ machen – was wohl so zu verstehen ist, dass sie verschleiert werden sollte, um ihr einen legalen Anstrich zu geben.
Kurator ging zum Schein auf Angebot ein und informierte die Polizei
Doch der Kurator des Museums hatte offenbar längst den Verdacht, dass es sich um illegale Machenschaften handelte. Er ging zum Schein auf das Angebot ein und wandte sich an die Polizei. Bei Durchsuchungen mehrerer Häuser wurden 2014 das Trinkhorn, der Trinkbecher und die Gürtelteile gefunden.
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Dass es erst jetzt, rund zehn Jahre nach den vorgeworfen Taten, zum Prozess gegen die 88 und 84 Jahre alten Senioren und ihren mutmaßlichen Mittäter kommt, nennt Gerichtssprecher Kai Wantzen „ein mit Blick auf das Alter der Angeklagten besonders beklagenswertes Beispiel, welche Auswirkungen die starke Belastung des Landgerichts Hamburg mit Haftsachen in den letzten Jahren hatte“. Schon häufiger haben Verfahren, in denen die jeweiligen Angeklagten nicht in Untersuchungshaft saßen, zurückgestellt werden müssen, weil sogenannte Haftsachen stets vorrangig verhandelt werden müssen.
Prozess Hamburg: Betagte Angeklagte gesundheitlich angeschlagen
Für Emir P. ist der Weg zum Prozess sehr mühsam. Mit kleinen Trippelschritten geht der 88-Jährige zum Verhandlungssaal, der Rücken ist leicht gebeugt, eine Hand zittrig. Ihr Vater leide sehr unter einer Parkinson-Erkrankung, erzählt die Tochter des Angeklagten, die ihren Vater zu dem Prozess begleitet hat. Dagegen sind dem zweiten Angeklagten Ali S. seine 84 Jahre zumindest äußerlich nicht anzusehen.
Unterdessen bleibt der Stuhl des Jüngsten der Beschuldigten, einem 52-Jährigen, leer. Er habe keinen aktuellen Kontakt zu seinem Mandanten, sagt der Verteidiger des 52-Jährigen. Seines Wissens sei sein Mandant aber gesundheitlich „in einem sehr, sehr schlechten Zustand“. Dass ihm der Prozess bevorstehe, belaste den Mann zusätzlich. Ihm sei an einer „Abkürzung des Verfahrens gelegen“.
Prozess Hamburg: Wann mit einem Urteil zu rechnen ist
Das Gericht wollte sich zunächst die Entscheidung offenlassen, wie man unter den gegebenen Umständen weiter verfahren werde. Möglich wäre, den Prozess gegen den 52-Jährigen abzutrennen und gegen ihn zu einem späteren Zeitpunkt zu verhandeln. Alternativ könnte der eigentliche Beginn des Prozesses auf den zweiten Verhandlungstag am 13. März verschoben werden. Um sicherzustellen, dass der Angeklagte dann auch wirklich erscheint, könnte die Kammer einen Haftbefehl aussprechen. Dann würde der 52-Jährige in den kommenden Tagen verhaftet und würde mindestens bis zu diesem Termin im Untersuchungsgefängnis bleiben.
Doch schließlich entschied das Gericht, das Verfahren gegen den 52-Jährigen abzutrennen. Diesem wird lediglich Beihilfe zur versuchten Hehlerei sowie versuchter Betrug vorgeworfen. Erörtert wurde, ob das Verfahren gegen den Mann eingestellt werden könne, gegebenenfalls mit Auflagen. Eine Entscheidung dazu ist am Freitag noch nicht ergangen. Unterdessen wurde der Prozess gegen den 88-Jährigen und den 84-Jährigen begonnen und die Anklage verlesen. Das Verfahren gegen die beiden Senioren ist auf zunächst elf Verhandlungstage terminiert. Ein Urteil könnte demnach am 24. Juni verkündet werden.