Hamburg. Deutschland schwächelt, die FDP fordert die Wirtschaftswende. Scheitert sie, dürfte auch Bundeskanzler Olaf Scholz am Ende sein.
Die FDP scheint aufzuwachen, wenn auch arg spät. Wer derzeit den Liberalen lauscht, vernimmt immer deutlicher den Ruf nach einer „Wirtschaftswende“. Zumindest die kleinste Partei in der Ampel ist in der Realität angekommen: Deutschlands Wirtschaft steht so schlecht da wie seit mindestens zwei Jahrzehnten nicht mehr. Der „kranke Mann Europas“, er ist zurück.
Dass die deutsche Wirtschaft, vor Kurzem noch bewundert, plötzlich so dramatisch schwächelt, hat viele Ursachen: Pech und Übermut, politische Unvernunft und ökonomische Ahnungslosigkeit bilden ein toxisches Gemisch.
Kein westliches Land leidet so unter dem Ukraine-Krieg und den Sanktionen
Der Ukraine-Krieg hat der deutschen Wirtschaft einen zentralen Wettbewerbsvorteil geraubt: Billiges Gas aus Russland ist Geschichte, einerseits, weil Putin die Bundesrepublik damit erpresste, andererseits, weil die Ampel eine fast selbstzerstörerische Sanktionspolitik betreibt. Japan und Mittelosteuropa beziehen weiterhin Gas aus Russland, die USA kauften im vergangenen Jahr so viel angereichertes Uran in Russland wie nie zuvor.
In einer globalisierten Wirtschaft darf es nicht überraschen, wer da gewinnt – und wer verliert. Deutschlands Paradebranchen brechen ein: Die Chemie hat in den vergangenen fünf Jahren mehr als 20 Prozent eingebüßt, die Automobilbranche 14 Prozent. Längst hat ein Exodus der deutschen Industrie eingesetzt: Selbst traditionell standorttreue Unternehmen wie Miele oder Viessmann verlagern Stellen nach Polen. Der damalige polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki sagte: „Vor noch gar nicht langer Zeit fuhren die Polen nach Deutschland, um Spargel zu ernten. Heute kommen deutsche Technologie-Investitionen nach Polen.“
Die ökonomischen Kipppunkte sind in den Köpfen noch nicht angekommen
Das Drama in Berlin ist, dass die ökonomischen Kipppunkte bei vielen Ampelpolitikern noch nicht einmal im Bewusstsein angekommen sind: Die Grünen fixieren sich allein auf Klimaschutz, viele Sozialdemokraten – einst aufgrund der Nähe zu den Gewerkschaften mit viel ökonomischem Gespür – begreifen die Krise nicht einmal. Sie blicken auf die Arbeitslosenzahlen und verkennen das Problem. Denn anders als in früheren Krisen schlägt sich diese Rezession eben (noch) nicht in den Arbeitsmarktstatistiken nieder.
Die Tatsache, dass Deutschland als einziges Industrieland schrumpft, löst in Berlin kaum geschäftiges Treiben aus. Dabei nimmt die Wirtschaftskrise der Ampel weitere Bewegungsfreiheit: Mit der Wachstumsschwäche sinken die Steuereinnahmen. Die geradezu demonstrative Trägheit der Regierung in der Krise und die destruktive Haltung der Opposition verschlechtert die Stimmung zusätzlich. Das groß angekündigte Wachstumschancengesetz wurde gerade mehr als halbiert.
Wer heute die wirtschaftliche Dynamik verliert, verliert morgen die Wahlen
Das alles grenzt an politischen Selbstmord: Seit Bill Clintons „It’s the economy, stupid“ gilt es als Binsenweisheit, dass der wirtschaftliche Erfolg die Wahlen entscheidet. Die Berliner Nachwahl sollte eine weitere Mahnung sein – die SPD verlor dort ein Drittel ihrer Prozente, die FDP fast zwei Drittel. Auch wenn die Ampel zu Recht auf das Versagen der Kanzlerin Angela Merkel und die bösen Zeitläufte verweisen kann, der Wähler ist weniger verständnisvoll: Er wird diese Regierung abwählen, wenn sich nicht bald etwas ändert.
Die FDP, die ohnehin am Abgrund steht, hat nun eine wirtschaftsfreundliche Politik mit mehr als zwei Jahren Verzögerung für sich entdeckt. Bei Olaf Scholz, in Hamburg als wirtschaftsnaher Bürgermeister gefeiert, steht dieser Wandel noch aus. Je länger er wartet, desto größer wird der Handlungsdruck. Ohne eine Agenda 2030 wird es bald nicht mehr gehen.
Die FDP, die ohnehin am Abgrund steht, hat nun eine wirtschaftsfreundliche Politik mit mehr als zwei Jahren Verzögerung für sich entdeckt. Bei Olaf Scholz, in Hamburg als wirtschaftsnaher Bürgermeister gefeiert, steht dieser Wandel noch aus. Je länger er wartet, desto größer wird der Handlungsdruck. Ohne eine Agenda 2030 wird es bald nicht mehr gehen.